OGH vom 17.12.1991, 5Ob124/91

OGH vom 17.12.1991, 5Ob124/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers August S*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Franz Leopold, öffentlicher Notar, 8082 Kirchbach, wegen Vornahme von Grundbuchshandlungen in der Liegenschaft EZ ***** KG ***** B*****, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgericht vom , GZ 1 R 286/91, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom , GZ TZ 12.776/91, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden abgeändert wie folgt:

"Auf Grund der Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern in Graz vom , GZ ***** (./A), zum Kaufvertrag vom wird im Eigentumsblatt der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** B***** bei dem für August S*****, geb. am *****, vorgemerkten Eigentumsrecht LNR 1 c die Anmerkung der Rechtfertigung bewilligt.

Hievon werden verständigt:


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1.)
Frau Anna S*****, geb. *****, Hausfrau, *****
2.)
August S*****, geb. *****, Kaufmann, *****
3.)
Dr.Franz Leopold, öffentlicher Notar, 8082 Kirchbach 10,
4.)
Magistrat Graz-Stadtvermessungsamt,
5.)
Finanzamt Graz-Stadt,
6.)
Raiffeisenkasse *****, als 1.Pfandgläubigerin."

Text

Begründung:

Ob der Anna S***** allein gehörigen Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** B***** ist auf Grund des Kaufvertrags vom das Eigentumsrecht für August S*****, geboren am *****, vorgemerkt.

Mit dem am eingebrachten Antrag begehrte August S***** unter Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung die Anmerkung der Rechtfertigung des für ihn vorgemerkten Eigentumsrechts.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab, weil bloß die bei Bewilligung der Vormerkung fehlende Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegt worden sei, die der Vormerkung zugrunde gelegten Originalurkunden jedoch nicht wieder beigebracht worden seien.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Antragstellers keine Folge, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei. Schon Bartsch führe in GBG7 62 aus, daß selbst dann, wenn die Originalurkunde bereits aus Anlaß einer früheren Eintragung dem Gericht vorgelegen sei, von der Regel des § 87 GBG, bei einem späteren Gesuch die Originalurkunde wieder anzuschließen, nicht abgegangen werden könne. Die vom Rekurswerber angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck NZ 1930, 66 sei von ihm ausdrücklich als nicht der den gesetzlichen Vorschriften zugrundeliegenden Ansicht entsprechend bezeichnet worden. Da die überwiegende Rechtsprechung (MGA GBG3 E 4 und 5 zu § 87, zuletzt auch RPflSlgG 2263) einen formalen Standpunkt einnehme und wegen der ex tunc-Wirkung der Rechtfertigung diese als Teil der Einverleibung eines dinglichen Rechts anzusehen sei, welche die Vorlage entsprechender Urkunden erfordere, sehe sich das Rekursgericht nicht veranlaßt, die bloße Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung als für die Rechtfertigung ausreichend zu erachten. Dem Rekurs habe daher ein Erfolg versagt werden müssen.

Aus dem nachträglich (5 Ob 102/91) vorgelegten Einheitswertbescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom , EW-AZ 140-2-3748/5 Ref 84, ergibt sich ein 50.000 S übersteigender Einheitswert der gegenständlichen Liegenschaft, weshalb der vom Rekursgericht vorgenommene Bewertungsausspruch im Ergebnis den zwingenden gesetzlichen Bewertungsgrundsätzen entspricht und damit der Oberste Gerichtshof an diesen auch gebunden ist. Den Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht mit dem Hinweis auf die doch nicht einheitliche Judikatur und die Ausführungen von Dittrich-Pfeiffer, Grundbuchrecht kurzgefaßt, zu der aufgezeigten Rechtsfrage.

Gegen diese rekursgerichtliche Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Bewilligung der begehrten Anmerkung abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Rechtfertigung einer mangels Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung erfolgten Vormerkung des Eigentumsrechts zulässig und auch berechtigt.

Bei Beurteilung der Frage, welche Urkunden mit dem auf Eintragung der Rechtfertigung einer Vormerkung gerichteten Antrag vorgelegt werden müssen, ist vorerst davon auszugehen, daß die Vormerkung eines Rechts im Grundbuch - und um eine solche Vormerkung geht es im vorliegenden Fall - einen bedingten Rechtserwerb bewirkt (§ 438 ABGB,§ 8 Z 2 GBG), nämlich den Rechtserwerb unter der Bedingung ihrer Rechtfertigung, und zwar nur in dem Umfang, in dem die Rechtfertigung erfolgt (§ 40 GBG). Wie die Rechtfertigung erfolgt, wird den einzelnen Fällen der im Gesetz zugelassenen Vormerkungen (etwa §§ 35 bis 39 GBG) entsprechend geregelt (vgl §§ 41 bis 45 GBG). Wie dies bei der mangels Vorliegens der Unbedenklichkeitsbescheinigung erfolgten Vormerkung zu geschehen hat, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (§ 160 BAO). Aus den Bestimmungen der §§ 41 bis 45 GBG ergibt sich, daß die Rechtfertigung durch den Nachweis des Vorliegens jener Urkunden oder der Urkunden mit jenen besonderen Erfordernissen zu erfolgten hat, deren Fehlen den Grund dafür bildete, daß statt der Einverleibung nur die bedingte Eintragung des Rechts möglich war. Daß diese Urkunden dem Gesuch um Anmerkung der Rechtfertigung im Original beizulegen sind, weil ja auf Grund dieser Urkunden die Eintragung der Rechtfertigung erfolgen soll (§ 87 Abs 1 GBG), bedarf keiner weiteren Erörterung. Ob die Vormerkung für gerechtfertigt zu halten ist, entscheidet das Grundbuchsgericht (§ 46 GBG). Da das unbedingte Recht auf Grund der Rechtfertigung - rückwirkend zum Zeitpunkt der Einreichung des der Vormerkung zugrundeliegenden Grundbuchsgesuches (SZ 28/170) - nur im Umfang der Rechtfertigung erworben wird (§ 40 GBG), ist in jedem einzelnen Fall auch der Umfang des von der Rechtfertigung erfaßten Rechts zu prüfen. Eine allgemein gültige, alle Fälle der Vormerkung erfassende Aussage, welche Urkunden dafür erforderlich sind, ist somit nicht möglich. Ob die Urkunden, die der Bewilligung der Vormerkung zugrundelagen, dem Rechtfertigungsgesuch neuerlich beizulegen sind oder ob es genügt, nur jene Urkunden bzw die Urkunden in der für den unbedingten Rechtserwerb erforderlichen Form vorzulegen, hängt davon ab, ob sich aus dem die Bewilligung der Vormerkung betreffenden Grundbuchsakt die Gründe dafür ergeben, daß bloß die Vormerkung bewilligt werden konnte. Sind diesem Akt im einzelnen die der Einverleibung des Rechts entgegenstehenden Mängel zu entnehmen und ist diesem Akt nicht zu entnehmen, daß andere der Rechtfertigung bedürfende Mängel vorhanden waren, so reicht es zum Nachweis der Rechtfertigung der Vormerkung und des Umfanges der Vormerkung aus, daß bloß die Urkunden bzw die Urkunden in der erforderlichen Form vorgelegt werden, deren Fehlen bisher dem unbedingten Eintrag entgegenstand. Denn das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Rechtserwerbes, nämlich der bedingte Rechtserwerb, rückbezogen auf den Zeitpunkt der Einbringung des ersten Grundbuchsgesuches, steht ja zwischen den am Rechtserwerb beteiligten Personen rechtskräftig fest und bedarf somit keiner neuerlichen Prüfung durch das Grundbuchsgericht; zu beurteilen ist lediglich die offen gebliebene Bedingung.

Im vorliegenden Fall erfolgte die Vormerkung des Eigentumsrechts des Antragstellers nur wegen Fehlens der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes zu dem der begehrten Eintragung zugrundeliegenden Kaufvertrag. Wenn nun der einzige der Einverleibung entgegenstehende Mangel durch Vorlage dieser Urkunde behoben wurde, so kann schon auf Grund dieser Urkunde allein abschließend beurteilt werden, daß der Antragsteller unbedingtes Eigentum an der gesamten Liegenschaft - rückbezogen auf den Zeitpunkt des Einlangens des Gesuches um Vormerkung - erworben hat, ohne daß es der neuerlichen Prüfung des dem Vormerkungsgesuch zugrundeliegenden - bereits anläßlich der Bewilligung der Vormerkung geprüften - Kaufvertrages bedurft hätte. Im gegenständlichen Fall war der Antragsteller somit nicht gehalten, mit seinem Rechtfertigungsgesuch den Kaufvertrag, auf dessen Grundlage die Vormerkung bewilligt worden war, neuerlich beizubringen, um dem Grundbuchsgericht den Eintritt der Bedingung und damit den unbedingten Rechtserwerb nachzuweisen (ebenso im Ergebnis Dittrich-Pfeifer, Muster für Grundbuchsanträge, Nr 35 und 36, Grundbuchsrecht - kurz gefaßt 63).

Damit erweist sich der Revisionsrekurs als berechtigt, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen iS der Bewilligung der begehrten Anmerkung (Bartsch, Grundbuchsrecht7, 461; Feil, GBG Kurzkommentar, 203). abzuändern waren.