OGH vom 24.06.1986, 5Ob124/86
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Gamerith, Dr.Zehetner und Dr.Klinger als Richter in der Grundbuchsrichtigstellungssache betreffend die Einverleibung von Dienstbarkeitsrechten in der EZ 621 KG Sattendorf zugunsten des Antragsgegners Mag.pharm.Gerhard B***, Apotheker, Villach, Am Hügel 5, vertreten durch Dr.Viktor Michitsch, Rechtsanwalt in Villach, als Eigentümers der EZ 96 KG Sattendorf infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin R*** Ö*** (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft - Bundeswasserbauverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom , GZ.2 R 157/86-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom , GZ.1 Nc 2.685/85-11, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Republik Ö*** hat den Antrag gestellt, unter anderem die Grundstücke der KG Sattendorf 514 See und 502/1 See (Seefläche des Ossiacher Sees - öffentliches Wassergut -) gemäß § 1 Abs. 2 AllgGAG in das Grundbuch der KG Sattendorf aufzunehmen un der im Eigentum der Republik Ö*** stehenden
EZ 621 KG Sattendorf zuzuschreiben.
Im Zuge des Richtigstellungsverfahrens nach §§ 35 ff.AllgGAG hat das Erstgericht auf Antrag des Mag.pharm.Gerhard B*** als Eigentümers der EZ 96 KG Sattendorf, der sich - ohne Vorlage oder Anführung von Urkunden im Sinne des § 44 Abs. 2 AllgGAG - auf eine schon vor dem Jahre 1934 vollendete Ersitzung berief, mit rechtskräftigem Beschluß vom gemäß § 45 AllgGAG die Dienstbarkeit des Rechtes des See-Einbaues, vorgelagert dem Grundstück 193/13 Garten, des See-Einbaues (Überbau), vorgelagert dem Grundstück 123 Baufläche, sowie des Badens und Bootfahrens im Grundstück 514 See, sämtliche KG Sattendorf, zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ 96 KG Sattendorf einverleibt.
Innerhalb der vom OLG Graz mit Beschluß vom , Nc 17/84, bis festgesetzten Frist hat die Republik Ö*** als Eigentümerin des öffentlichen Wassergutes gegen die Dienstbarkeitseintragung Widerspruch erhoben und im wesentlichen eingewendet, daß der Antragsgegner für die von ihm behaupteten Rechte keinen tauglichen Titel anführen könne. Eine Ersitzung liege nicht vor. Zum Teil handle es sich um den jedermann zustehenden Gemeingebrauch an öffentlichen Gewässern, zum Teil sei eine Einräumung als Dienstbarkeitsrecht mangels Präzisierung unzulässig. Das Erstgericht hat den Antragsgegner mangels Erzielung einer Einigung der Beteiligten in der gemäß § 47 AllgGAG durchgeführten Verhandlung mit seinen angemeldeten Ansprüchen auf den Rechtsweg verwiesen und ihm für die Beschreitung desselben eine Frist von 3 Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses erteilt. Das Erstgericht hat seine Entscheidung damit begründet, daß die Rechte des Antragsgegners ohne urkundliche Grundlagen eingetragen worden seien, weshalb ihm die Klägerrolle zuzuweisen sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es führte aus:
Werde bei der nach § 47 Abs. 2 AllgGAG eingeleiteten Verhandlung über den nach § 47 Abs. 1 AllgGAG erhobenen Widerspruch, so wie hier, eine Einigung der Beteiligten nicht erzielt, so habe das Gericht gemäß § 47 Abs. 3 AllgGAG zu bestimmen, welche der Parteien, deren Ansprüche nach dem Ergebnis der Verhandlung sich gegenüberstünden, den Rechtsweg zu betreten habe. Vorschriften darüber, nach welchen Kriterien die Zuweisung der Klägerrolle zu erfolgen habe, enthalte das Gesetz selbst nicht. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Bartsch, GBG 7 ,689; GlU 13.402; ZBl.1914/216; NZ 1931,118) könne in dieser Richtung als allgemeiner Grundsatz gelten, daß demjenigen die Klägerrolle zuzuweisen sei, der eine Änderung des infolge der Anmeldung herbeigeführten Grundbuchsstandes anstrebe; in den Fällen jedoch, in denen das Recht ohne urkundliche Grundlage bloß auf die Anmeldung hin eingetragen worden sei, werde der Anmeldende als Kläger zu bestimmen sein, da er das angesprochene Recht erst nachzuweisen habe. Sei aber der Besitz des angesprochenen Rechtes festgestellt, dann habe wiederum der Eigentümer des (dienenden bzw.belasteten) Gutes als Kläger aufzutreten (GlU 13.402). Daß die angemeldeten Dienstbarkeitsrechte ohne urkundliche Grundlage einverleibt worden seien, habe also für die Zuteilung der Klägerrolle dann keine entscheidende Bedeutung, wenn feststehe, daß die behaupteten Dienstbarkeitsrechte von dem Antragsgegner seit längerer Zeit ausgeübt worden seien und sich dieser im Besitz des angemeldeten Anspruchs befinde; als Besitzer habe er nämlich nach § 323 ABGB die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels für sich, sodaß im Zweifel dem Besitzer der Vorzug gebühre und der die Freiheit seines Eigentums behauptende Gegner sein vermeintlich stärkeres Recht darzutun habe (GlU 13.402); bleibe allerdings der Besitz der angemeldeten Rechte strittig, dann wäre wiederum der ein Dienstbarkeitsrecht Behauptende auf den Rechtsweg zu verweisen (ZBl.1914/216). Durch die Eigenschaft des dienenden Gutes als öffentlichen Gutes werde die Ersitzung - beim öffentlichen Wassergut bis zum Jahre 1934 - einer privaten Dienstbarkeit nicht ausgeschlossen, wenn der Erwerber das Seegrundstück ohne Rücksicht auf den bestehenden Gemeingebrauch und in der Absicht benützt habe, eine Dienstbarkeit zu begründen, und diese Umstände für den die Benützung duldenden Grundeigentümer erkennbar gewesen seien (EvBl.1961/296).
Obwohl das Vorbringen des Antragsgegners schon auf Grund des Hinweises auf die vollendete Ersitzung die Behauptung enthalte, daß er sich im Besitz der angemeldeten Dienstbarkeitsrechte befinde, habe das Erstgericht dazu keine weiteren Beweise - etwa durch Vernehmung der Beteiligten oder Vornahme eines Ortsaugenscheines - aufgenommen und keine Feststellungen getroffen, aus denen die Frage des Vorliegens von Dienstbarkeitsrechten überhaupt und des Besitzes der angemeldeten Dienstbarkeitsrechte beantwortet werden könnte. Das Verfahren sei daher insoweit mangelhaft geblieben.
Gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist zwar zulässig, weil sich die Anfechtung der Beschlüsse im Richtigstellungsverfahren nach den Grundsätzen des Verfahrens außer Streitsachen richtet (§ 62 AllgGAG) und nach § 14 Abs. 1 AußStrG der Rekurs gegen Aufhebungsbeschlüsse der zweiten Instanz ohne weitere Voraussetzungen stattfindet (JB 203; EFSlg.47.126 ua); es ist jedoch nicht berechtigt.
Anders als nach § 41 Abs. 1 AllgGAG, wonach bei der Anmeldung einer die Eigentums- oder Besitzverhältnisse betreffenden Eintragung im Sinne des § 39 Abs. 1 lit.a AllgGAG mangels einer Einigung die Beteiligten auf den Rechtsweg zu verweisen sind, die die Änderung einer Eintragung begehren, überläßt es § 47 Abs. 3 AllgGAG dem Gericht, mangels einer Einigung über den gegen die Eintragung eines Belastungsrechtes angemeldeten Widerspruch zu bestimmen, welche der Parteien, deren Ansprüche nach dem Ergebnis der Verhandlung sich gegenüberstehen, den Rechtsweg zu betreten habe. Die Regelung folgt inhaltsgleich und fast wörtlich der nach § 15 Abs. 3 des Gesetzes vom 25.7.1871 über das im Falle der Anlegung, Ergänzung, Wiederherstellung oder Änderung von Grund- oder Bergbüchern zum Zwecke der Richtigstellung derselben einzuleitende Verfahren RGBl.1871/96. Auch aus dieser Bestimmung ließ sich nicht entnehmen, in welchem Fall der einen oder der anderen Partei die Klägerrolle zuzuweisen ist, wenn es um die Eintragung eines Belastungsrechtes nach § 7 Abs. 1 lit.b des Gesetzes RGBl.1871/96 und den dagegen erhobenen Widerspruch ging. Der OGH verwies nach § 15 Abs. 3 des Gesetzes RGBl.1871/96 den Eigentümer eines dienstbaren Gutes mit seinem Widerspruch gegen ein angemeldetes Fischereirecht auf den Rechtsweg, weil er als richtig anerkannt hatte, daß das Fischereirecht seit längerer Zeit ausgeübt wird, sich also der Dienstbarkeitsberechtigte unbestritten im Besitz des angemeldeten Anspruches befinde, die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels für sich habe und zur Angabe desselben nach den §§ 323 und 324 ABGB nicht aufgefordert werden dürfe; der die Eigentumsfreiheit behauptende Beteiligte müsse klagen, weil dem Besitzer im Zweifel der Vorzug gebühre (GlU 13.402). Diese Rechtsansicht wurde auch in der Folge in der Entscheidung ZBl.1914/216 aufrecht erhalten, dort allerdings angenommen, daß der letzte Besitz der eine Wegedienstbarkeit behauptenden Gemeinden nicht erwiesen sei; ihnen obliege daher der Nachweis des Erwerbes und der Ersitzung des Dienstbarkeitsrechtes dem Eigentümer gegenüber, weil ihr Besitz strittig sei und der Eigentümer die Unbeschränktheit seines Eigentums behauptet habe. In der Entscheidung NZ 1931,118 meinte der OGH, zu dem nach § 1 der Ministerialverordnung vom , BGBl.248, anzuwendenden § 15 des Gesetzes RGBl.1871/96, es sei ein allgemeiner Grundsatz, die Klägerrolle dem Beteiligten zuzuweisen, der eine Änderung des durch die Anmeldung herbeigeführten Grundbuchsstandes anstrebe, und nur in dem Falle, daß das Recht ohne urkundliche Grundlage eingetragen wurde, dem Anmeldenden; der OGH berief sich in dieser Entscheidung auf Bartsch, GBG 6 ,622. Bartsch, GBG 7 ,689 gibt diese Rechtsmeinung mit dem Hinweis auf die jüngste Entscheidung NZ 1931,118 wieder und meint noch, es könne als allgemeiner Grundsatz gelten, daß als Kläger aufzutreten habe, wer eine Änderung des infolge der Anmeldung herbeigeführten Umstandes anstrebe. Sei das Recht ohne urkundliche Grundlage bloß auf die Anmeldung hin eingetragen worden, werde der Anmelder als Kläger zu bestimmen sein, weil er sein Recht erst nachweisen müsse. Sei aber der Besitz des angesprochenen Rechtes festgestellt, dann habe der Eigentümer des Gutes als Kläger aufzutreten.
Während dem § 323 ABGB, weil es eine "Aufforderungsklage" im Sinne des früheren Prozeßrechtes in dem seit dem Inkrafttreten der Zivilprozeßordnung geltenden Verfahrensrecht nicht mehr gibt, nur noch beschränkte Bedeutung zukommt, wendet § 324 ABGB den Gedanken des § 323 ABGB, daß der Besitzer einer Sache die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels für sich habe (und zur Angabe desselben nicht aufgefordert werden könne), auf den Rechtsbesitz an. Der nach § 523 ABGB klagende Eigentümer hat daher den Nichtbestand des tatsächlich ausgeübten Belastungsrechtes nachzuweisen. Dieses Prinzip liegt etwa auch der Regelung des § 25 Abs. 1 AllgGAG zugrunde, wonach der letzte tatsächliche Besitz zu ermitteln und im Grundbuchsanlegungsverfahren maßgebend ist, wenn die von den Parteien aufgestellten Behauptungen oder Ansprüche nicht in überzeugender Weise dargetan werden können (Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 324).
Es ist daher dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß bei der gemäß § 47 Abs. 2 AllgGAG nach Erhebung des Widerspruches gegen die Eintragung eines Belastungsrechtes mit den Beteiligten abzuführenden Verhandlung auch die Frage des Besitzes des strittigen Rechtes zu erörtern ist und darüber Feststellungen geboten sind. Es genügt nicht, daß der Widerspruchswerber das Recht und dessen Besitz bestreitet. Das Rekursgericht ging davon aus, daß die Berufung des Antragsgegners auf die vollendete Ersitzung die Behauptung umschloß, er befinde sich im Besitz der geltend gemachten Dienstbarkeitsrechte. Daß die Antragstellerin dies bestreitet, macht den Besitz selbst noch nicht zu einem strittigen. Es wird daher erforderlich sein, den Antragsgegner zu näheren Angaben über seinen Besitz anzuhalten und die zur Aufklärung der Sache dienlichen Erhebungen vorzunehmen, damit festgestellt werden kann, ob der Antragsgegner Besitzer der Dienstbarkeitsrechte ist, weil ihm dann nach § 324 ABGB im Zweifel gegenüber der die Freiheit ihres Eigentums von dem Belastungsrecht behauptenden Antragstellerin der Vorzug gebührt. Sollte sich aber ergeben, daß nach darüber abgeführter Verhandlung ein Besitz des Dienstbarkeitsberechtigten nicht erwiesen oder zweifelhaft ist, wird neuerlich mit der (allerdings unter Außerachtlassung der Frage des Besitzes) vom Erstgericht vorgenommenen Verweisung des die Dienstbarkeitsrechte bloß behauptenden Antragsgegners, der keine Urkunden beibringen konnte, auf den Rechtsweg vorzugehen sein. Dies gilt auch, wenn bloß ein faktischer Zustand, aber kein Rechtsbesitz dargetan wird (RZ 1960,29). Dabei wird im außerstreitigen Verfahren das Ergebnis des mangels Einigung nicht vermeidbaren Rechtsstreites nicht vorweggenommen werden können und auch die Vorschrift des § 4 Abs. 5 WRG zu beachten sein, wonach ein dingliches Recht am öffentlichen Wassergut nach dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes () durch Ersitzung nicht mehr erworben werden kann. Der Ossiacher See ist nach Punkt 2 lit.b des Anhanges A zum Wasserrechtsgesetz öffentliches Gewässer und das dienende Grundstück öffentliches Wassergut nach § 4 Abs. 1 WRG. Dies kann bei der Ermittlung der Besitzverhältnisse bedeutsam sein (vgl. SZ 56/111) und die Vorzugsstellung des Besitzers nehmen, weil dann der Besitz des Dienstbarkeitsrechtes zweifelhaft sein kann. Dazu reicht es aber noch nicht aus, daß die Eigentümerin des öffentlichen Wassergutes den Besitz des angemeldeten Rechtes im Richtigstellungsverfahren bestreitet, weil es auf die tatsächliche Besitzausübung ankommen kann.
Der Ergänzungsauftrag des Rekursgerichtes beruht also nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der Besitzer eines Belastungsrechtes genießt den Vorteil, daß erst sein Gegner das Nichtbestehen des ausgeübten Rechtes behaupten und beweisen muß. Fehlt es aber am Besitz, dann hat die Klägerrolle dem das Belastungsrecht Behauptenden zuzufallen, wenn er einen urkundlichen Nachweis seines Rechtes nicht erbringen kann. Die Ansicht des Antragsgegners, er könne deshalb nicht auf den Rechtsweg verwiesen werden, weil die Antragstellerin eine Änderung des bestehenden Grundbuchstandes anstrebe, verkennt, daß diese Rollenverteilung im § 41 Abs. 1 AllgGAG vorgezeichnet ist, der aber nur die Behandlung von Ansprüchen auf Änderung der die Eigentums- oder Besitzverhältnisse betreffenden Eintragungen nach § 39 Abs. 1 lit.a AllgGAG, nicht aber das Verfahren bei Vorliegen des Widerspruches gegen die Eintragung eines Belastungsrechtes regelt. Hier kommt nur in Betracht, daß der Widerspruchswerber Klage gegen den im Rechtsbesitz befindlichen Beteiligten zu erheben oder aber mangels Nachweises des Rechtsbesitzes der das Belastungsrecht Behauptende gegen den Eigentümer des dienenden Gutes als Kläger aufzutreten hat. Darüber kann vor Vorliegen des Ergebnisses der vor dem Erstgericht zu erneuernden Verhandlung noch nicht abschließend entschieden werden.
Dem Rekurs der Antragstellerin gegen den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz ist daher nicht stattzugeben.