TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 13.06.1978, 5Ob511/78

OGH vom 13.06.1978, 5Ob511/78

Norm

Aktiengesetz § 83 Abs 2;

Aktiengesetz § 84;

ABGB § 1311;

Genossenschaftsgesetz § 23;

Genossenschaftsgesetz § 84 Abs 2;

Gesellschaft-mit-beschränkter-Haftungs-Gesetz § 22 Abs 1;

Gesellschaft-mit-beschränkter-Haftungs-Gesetz § 85;

KO § 69;

Kopf

SZ 51/88

Spruch

Haftung des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei Verletzung der Konkursantragspflicht. Zu den diesbezüglichen Schutzgesetzen zugunsten der Gläubiger im Sinne des § 13f 1 Satz 2 zweiter Fall ABGB gehört auch der noch in Geltung stehende § 85 GmbHG. Dieser ist auch auf die Überschuldung der Gesellschaft, § 159 Abs. 1 Z. 2 StBG nur auf die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft abgestellt. Überschuldet ist die Gesellschaft dann, wenn ihr Aktivvermögen unter Berücksichtigung etwaiger stiller Reserven und ihrer voraussichtlichen Verwertungsmöglichkeiten nicht mehr die echten Verbindlichkeiten (also ohne Stammkapital und Rücklagen) deckt

(KG Wiener Neustadt, R 330/77; BG Gloggnitz, C 13/77)

Text

Der Beklagte ist Steuerberater und seit Geschäftsführer der X Ges. m. b. H., über deren Vermögen auf Antrag der nun klagenden Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte am der Konkurs eröffnet wurde. Nach dem Rückstandsausweis der Klägerin vom schuldet ihr die genannte Ges. m. b. H. an Sozialversicherungsbeiträgen für die in ihrem Betrieb beschäftigt gewesenen Dienstnehmer die Dienstgeber-Anteile für die Zeit vom November 1975 bis April 1976 sowie für die Monate Mai und Juli 1976 von insgesamt 25 595.48 S.

Mit der Behauptung, gegen die vom Beklagten geleitete Ges. m. b. H. seien rund 190 Exekutionsverfahren durchgeführt worden und der Beklagte habe in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft neue Verbindlichkeiten auch ihr gegenüber auflaufen lassen und nicht rechtzeitig Konkurseröffnung beantragt und dadurch zumindest den Tatbestand des § 159 Z. 2 StGB verwirklicht, sodaß er für den in deliktischer Weise verschuldeten Beitragsrückstand hafte, begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des angeführten Beitragsrückstandes samt 4% Zinsen seit dem Tag der Klageerhebung.

Der Beklagte hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und im wesentlichen eingewendet, die Ges. m. b. H. sei vor dem Konkursantrag der Klägerin nicht zahlungsunfähig gewesen und ihn selbst treffe an der Konkurseröffnung kein Verschulden. Vielmehr habe sein Angestellter Y, von dem er am sämtliche Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben habe, durch Verletzung vertraglicher Pflichten die Führung einer ordnungsgemäßen Buchhaltung vereitelt und unerlaubt Entnahmen für Fahrt- und Reisespesen sowie Inkasso bei Klienten der Gesellschaft vorgenommen, ohne sie in das Kassabuch einzutragen.

Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Es begrundete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß auf der Grundlage der von der beweispflichtigen Klägerin angebotenen Beweismittel der Nachweis eines strafbaren Verhaltens des Beklagten gemäß § 159 StGB nicht gelungen sei. Es könne nicht festgestellt werden, ob und wann vor Konkurseröffnung über das Vermögen der Ges. m. b. H. ihre Zahlungsunfähigkeit vorgelegen sei, und es fehle auch jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Beklagte nach "Übernahme der Firma" (richtig: der Geschäftsführung der Ges. m. b. H.) ihre Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt habe. Sein Standpunkt, er hätte "die Firma" (richtig: die Ges. m. b. H.), wenn der Betrieb noch zwei bis drei Monate weitergelaufen wäre, schuldenfrei machen können, sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt worden. Es sei auch nicht erwiesen, daß er sich vor "Übernahme der Firma" zu wenig über ihre Geschäftslage informiert habe oder der günstigen Darstellung der Geschäftslage durch Y nicht habe trauen dürfen. Es fehlten alle Voraussetzungen, um den Beklagten eine auch nur unbewußte Fahrlässigkeit im Sinne des § 6 Abs. I StGB vorzuwerfen.

Das Gericht zweiter Instanz hat in Stattgebung der Berufung der Klägerin das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und mit dem Vorbehalt der Rechtskraft die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht ging zunächst von der Rechtsansicht aus, daß der Geschäftsführer einer Ges. m. b. H., der fahrlässige Krida zu verantworten habe, den Gläubigern deliktisch für ihren Schaden hafte, soweit sein rechtswidriges Verhalten dafür ursächlich gewesen sei, und führte zum Tatbestand des § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB im wesentlichen aus:

Das Eingehen neuer Schulden im Sinne dieser Gesetzesstelle bestehe auch im Entstehenlassen öffentlich-rechtlicher Geldverbindlichkeiten, zu denen auch Steuerschulden und Sozialabgabeverpflichtungen gehörten, durch Fortsetzung eines Gewerbebetriebes, und umfasse die Schädigung sowohl der alten Gläubiger dadurch, daß keine angemessene Gegenleistung in die Masse gelange, als auch der neuen Gläubiger dadurch, daß diese keine Gegenleistung erhielten. Das bedeute, daß das Auflaufenlassen weiterer Sozialversicherungsbeiträge bei fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit unabhängig von zur gleichen Zeit etwa eingegangen anderen Verbindlichkeiten insofern eine Schädigung der Klägerin bedeutet hätte, als sich dadurch der Gesamtschuldenstand der Gesellschaft vergrößert und der allen Gläubigern gemeinsame Befriedigungsfonds vermindert habe. Dazu käme noch, daß der den Gläubigern gemeinsame Befriedigungsfonds überdies durch willkürliche Zahlungen der Gemeinschuldnerin im Widerspruch zum Grundsatz der par conditio creditorum verändert worden wäre. Dies habe nur dann vermieden werden können, wenn der beklagte Geschäftsführer sofort nach Erkennen der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft sich weiterer Verfügungen über das noch vorhandene Vermögen enthalten und rechtzeitig die Einleitung des Insolvenzverfahrens veranlaßt hätte. Deshalb zähle auch die verspätete Antragstellung auf Konkurseröffnung zum Tatbild des § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB, es sei denn, daß trotz Fortführung des Betriebes nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Schuldenstand keine Veränderung oder sogar eine Verminderung erfahren hätte. Dem Beklagten könne ein deliktisches Verhalten nur dann vorgeworfen werden, wenn er trotz Kenntnis der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit der Ges. m. b. H. fahrlässig nach Übernahme der Geschäftsführung der Gesellschaft weitergewirtschaftet habe. Es könnten nur jene Sozialversicherungsbeiträge ersetzt verlangt werden, für deren Beitragszeitraum bereits ein im Sinne des § 159 StGB tatbildliches Verhalten feststellbar sei.

Es sei zwar dem Beklagten zuzubilligen, daß durch die Übernahme eines verschuldeten Unternehmens durch jemanden, der nicht über genügende Mittel zur Sanierung des Unternehmens verfüge, die bisherigen Gläubiger zunächst nicht benachteiligt werden, weil zu der ihnen gegenüber weiter bestehenden Haftung des Veräußerers des Unternehmens nun auch noch eine Haftung des Erwerbers nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften hinzutrete (§ 1409 ABGB); es könne aber durch allfällige, der Übernahme des verschuldeten Unternehmens nachfolgende kridamäßige Handlungen des Übernehmers, etwa durch Eingehen neuer Schulden, zu denen er ohne die Übernahme des verschuldeten Unternehmens weder Anlaß noch Gelegenheit hätte, eine Verschlechterung der Befriedigungsaussichten solcher Gläubiger eintreten. In einem solchen Fall wirkten die für sich allein den Gläubigern des übernommenen Unternehmens noch nicht nachteilige Übernahme und die dieser nachfolgenden kridamäßigen Handlungen des Übernehmers, nämlich das leichtsinnige Eingehen von Verbindlichkeiten, in der Richtung zusammen, daß hiedurch eine Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt werde und seine Gläubiger - auch jene, die erst durch die Unternehmensübernahme seiner Gläubiger geworden seien - benachteiligt seien.

Die Klägerin habe jedoch nicht die für die Herstellung des Tatbestandes nach § 159 Abs. 1 Z. 1 StGB erforderlichen Sachverhaltsbehauptungen aufgestellt. Sie habe nur den Vorwurf des Eingehens neuer Schulden zumindestens durch das Weiterlaufenlassen der Sozialversicherungsbeiträge und die verspätete Antragstellung der Eröffnung des Konkursverfahrens trotz fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit gegen den Beklagten erhoben. Es sei deshalb klärungsbedürftig, ob und wie lange vor der Konkurseröffnung objektiv gesehen Zahlungsunfähigkeit der Ges. m. b. H. bestanden habe und ab wann dem Beklagten die fahrlässige Unkenntnis dieser Zahlungsunfähigkeit angelastet werden könne; ab diesem Zeitpunkt habe er nämlich das Eingehen weiterer Verbindlichkeiten bzw. die Unterlassung der Antragstellung auf Konkurseröffnung zu vertreten. Um den Zeitpunkt des Eintrittes der objektiven Zahlungsunfähigkeit feststellen zu können, bedürfe es der Beiziehung eines Buchsachverständigen, der dazu die vorhandenen Unterlagen benützen und darüberhinaus auch den Status der Ges. m. b. H. zu Beginn des hier erheblichen Beitragszeitraumes und seine Veränderungen darstellen müsse, um beurteilen zu können, ab und wann dem Beklagten fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit angelastet werden könne. Es fehlten insbesondere auch Feststellungen des Erstgerichtes darüber, ob und wann der Beklagte von den gegen die Ges. m. b. H. geführten Exekutionsverfahren Kenntnis erlangt habe, welche Aufwendungen für die Gehälter der angestellten gemacht worden seien, denn daraus könnten weitere Anhaltspunkte für die fahrlässige Erkenntnis der Zahlungsunfähigkeit gewonnen werden. Das Erstgericht habe auch keine Feststellungen getroffen, welche seine Ansicht rechtfertigen könnten, der Beklagte habe mit Recht hoffen können, die Gesellschaft binnen zwei bis drei Monaten schuldenfrei zu machen, wäre es nicht zur Konkurseröffnung gekommen. Es sei auch nicht geklärt worden, wie hoch der Rückstand der Ges. m. b. H. mit der Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge an die Klägerin gewesen sei, als der Beklagte davon im Oktober 1975 erfahren habe. Auch die "geringfügigen" Einnahmen auf das Konto der Ges. m. b. H. im November 1975 seien ziffernmäßig nicht dargelegt worden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist nunmehr bereits gesicherte Rechtsprechung des OGH, daß Gläubiger einer Ges. m. b. H., die für ihre Forderungen im Vermögen der Gesellschaft keine oder keine ausreichende Deckung gefunden haben den oder die Geschäftsführer der Gesellschaft nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB über den Schadenersatz (§§ 1293 ff.) direkt für ihren Schaden in Anspruch nehmen können, der ihnen von den genannten organschaftlichen Vertretern durch eine eigene schuldhafte Verletzung eines Gesetzes, das gerade ihren, der Gesellschaftsgläubiger, Schutz bezweckte (sogenanntes Schutzgesetz), verursacht wurde. In diesem Sinne erging die Entscheidung SZ 42/104, die auf die Verletzung des Schutzgesetzes § 486 Abs. 1 Z. 2 StG durch den Geschäftsführer einer Ges. m. b. H. gegrundet ist und zumindest im Ergebnis im Schrifttum Zustimmung gefunden hat (vgl. Ostheim, JBl. 1972, 143 f.; Doralt, JBl. 1972, 120 f.; Schuppich, GesRZ 1972, 30 f.; Pfersmann, ÖJZ 1973, 311), und in der Folge die bisher unveröffentlichten Entscheidungen 5 Ob 153/73, 2 Ob 220, 221/73 und 8 Ob 65/76, die ebenfalls strafbare Handlungen der Geschäftsführer zur Grundlage haben.

An dem Charakter der Norm des § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB als eines Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 Satz 2, 2. Fall ABGB zugunsten der alten wie auch der neuen Gläubiger eines zahlungsunfähigen Schuldners besteht in der Rechtsprechung und in der Literatur kein Zweifel (SSt 30/68; RZ 1973/95; SZ 42/104; Leukauf - Steininger, Kommentar zum StGB, 790; Doralt a. a. O., 123 und die dort zitierte Literatur). Zu den neuen Schulden zählen fraglos auch Sozialversicherungsbeiträge, wie sie hier von der Klägerin dem Schadenersatzanspruch zugrunde gelegt werden (Leukauf - Steininger a. a. O., 790 und die dort zitierte Judikatur, ferner 8 Ob 65/76). Wenn jedoch eine rechtskräftige Verurteilung des beklagten Geschäftsführers der in Konkurs geratenen Ges. m. b. H. nach dieser strafgesetzlichen Schutznorm (in Verbindung mit den §§ 161 Abs. 1 und 309 StGB) nicht vorliegt, so hat, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, die Klägerin den zur Herstellung des Tatbestandes erforderlichen Sachverhalt durch Anführung konkreter Tatsachen zu behaupten und auch unter Beweis zu stellen. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann in diesem Zusammenhang auf die darauf bezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden, allerdings mit der Einschränkung, daß die Erwägungen über die mangelnde Gläubigerbenachteiligung bei Übernahme eines verschuldeten Unternehmens durch jemanden, der nicht über die zur Sanierung erforderlichen Mittel verfüge, unter Berufung auf die kumulative Schuldübernahme des Erwerbers nach § 1409 ABGB infolge ihrer Unanwendbarkeit für den vorliegenden Fall außer Betracht zu bleiben haben. Das Berufungsgericht hat offenbar übersehen, daß hier ja nur die Geschäftsanteile und die Geschäftsführung der schuldnerischen Ges. m. b. H. in andere Hände gelangt sind,die Identität der Unternehmerin, nämlich der Ges. m. b. H., aber voll gewahrt worden ist, so daß vom Hinzutritt eines neuen Schuldners als Übernehmer eines Unternehmens im Sinne des § 1409 ABGB keine Rede sein kann.

Die Klägerin hat sich aber nicht ausschließlich (arg. "zumindest den Tatbestand des § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB" S. 2 der Klage) auf das erwähnte Schutzgesetz zur Begründung des Klageanspruches berufen und jedenfalls auch den Vorwurf verspäteter Beantragung der Konkurseröffnung als Klagegrund angeführt. Es ist deshalb infolge der allseitigen Rechtsprüfungspflicht des vorgetragenen Sachverhaltes, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, auch zu erwägen, daß die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten aus § 85 GmbHG abgeleitet werden könnte, denn es ist in der Tat kein Grund für die Annahme (Demelius, HGB[26], 584) zu sehen, daß diese Bestimmung, deren Schutzgesetzcharakter auch Koziol (Österreichisches Haftpflichtrecht II, 84) zugunsten der durch die nicht rechtzeitige Konkurseröffnung geschädigten Gläubiger anerkennt, außer Kraft getreten sei (zutreffend Doralt a. a. O., 122 und die dort in Anm. 11 zitierte Literatur). In dem Hinweis des § 25 Abs. 3 Z. 2 GmbHG auf den Zeitpunkt, zu dem die Geschäftsführer "die Eröffnung des Konkurses zu begehren verpflichtet waren", kommt diese Verpflichtung nochmals, wenngleich an dieser Stelle nur zum Schutz der Gesellschaft selbst, zum Ausdruck, womit auch Doralt zutreffend (a. a. O., 122) für die unveränderte Geltung des § 85 GmbHG argumentiert. Es wäre auch kein Grund ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber in Anbetracht der von der Konkursordnung bei juristischen Personen mit der Überschuldung vermuteten Zahlungsunfähigkeit, die ausschließlich auf ihrem Aktivvermögen (unter Berücksichtigung etwaiger stiller Reserven) beruht (vgl. EvBl. 1978/4, S. 19), ausgerechnet die Geschäftsführer der Ges. m. b. H. von dieser jedenfalls auch dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger dienenden Verpflichtung ausnehmen und gegenüber den organschaftlichen Vertretern der Aktiengesellschaft (§ 83 Abs. 2 AktG) und der Genossenschaft (§ 84 Abs. 2 GenG) in dieser Hinsicht privilegieren und damit ein geschlossenes System des Gläubigerschutzes im geschäftlichen Verkehr mit Kapitalhandelsgesellschaften und Genossenschaften stören wollte.

Nach diesem Schutzgesetz wäre, zum Unterschied von § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB, der nur auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abstellt, jedenfalls auch die Überschuldung der Ges. m. b. H. ein die Verpflichtung der Geschäftsführer auslösender Grund zur Stellung des Antrages auf Konkurs- oder, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen gegeben wären, Ausgleichseröffnung über das Gesellschaftsvermögen. Überschuldet ist die Ges. m. b. H. dann, wenn das Aktivvermögen der Gesellschaft unter Berücksichtigung etwaiger stiller Reserven und ihrer voraussichtlichen Verwertungsmöglichkeit nicht mehr die echten Verbindlichkeiten - also ohne Stammkapital und Rücklagen - deckt (Schilling in Hachenburg, GmbHG[6] II, 671; Malaschofsky in GesRZ 1974, 21). Da § 22 Abs. 1 GmbHG den Geschäftsführern die Pflicht zur Führung der Geschäftsbücher, die wohl in dem Sinn zu verstehen ist, daß sie in eigener Verantwortung für die den Vorschriften des Gesetzes entsprechende Buchführung zu sorgen haben, überträgt, kann sich der Beklagte nicht damit verantworten, daß ihm sein Vorgänger als Geschäftsführer nicht die Geschäftsaufzeichnungen übergeben und in der Folge durch Verletzung der ihm vertraglich zugewiesenen Pflichten die Führung einer ordnungsgemäßen Buchhaltung vereitelt habe. Es wäre seine Pflicht gewesen, nach erfolglosem Versuch, die bestehenden Aufzeichnungen von seinem Vorgänger in der Geschäftsführung zu erlangen, ohne Verzug einen vorläufigen Vermögensstatuts zu erstellen, um im Interesse der Gesellschaft und der Gesellschaftsgläubiger vorerst einmal festzustellen, ob das vorhandene Aktivvermögen die bestehenden Verbindlichkeiten noch deckt, und wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte er dann auch die erforderlichen Rechnungsbücher anlegen bzw. rekonstruieren müssen, die zur Erfüllung der allgemeinen kaufmännischen Pflicht zur fortlaufenden Aufzeichnung der Veränderungen des Vermögens der Höhe und der Zusammensetzung nach und zur Herstellung des für die Gesellschaft gebotenen jährlichen Rechnungsabschlusses (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung) notwendig sind. Daß ein Einblick in die "Kundenkartei" - es ist nicht einmal von den Personenkonten der Kunden die Rede, aus denen doch wenigstens die Forderungen der Gesellschaft und die darauf gezahlten Beträge ersichtlich wären - und die "Kontoauszüge" (vermutlich wohl von dem Bankkonto der Gesellschaft) einen ausreichenden Überblick über das Gesellschaftsvermögen geben könnten, muß ernstlich bezweifelt werden. Die Unterlassung der aufgezeigten Maßnahmen, insbesondere die Vernachlässigung der Pflicht, für eine ausreichende Buchführung in der Gesellschaft zu sorgen, auftretende Mängel durch entsprechende geeignete Maßnahmen (rechtzeitige Entlassung unfähiger oder untüchtiger Angestellter und ihre Ersetzung durch geeignete andere Personen oder persönliche Vollziehung der Buchhaltung) ohne Verzug abzustellen und sich notfalls durch Aufstellung einer Zwischenbilanz von der Vermögenslage der Gesellschaft zu überzeugen, müßte dem Beklagten als zumindest fahrlässige Pflichtverletzung angelastet werden, die seine Unkenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft in einer nach § 85 Abs. 1 GmbHG verantwortlichen Weise zur Folge gehabt haben würde.

Da nach dem Inhalt der vorliegenden Konkursakten die Klägerin mit ihren Ansprüchen gegen die Gesellschaft auf Bezahlung der aushaftenden Sozialversicherungsbeiträge (Dienstgeberanteile) keine Deckung im Gesellschaftsvermögen finden konnte, ist der Schaden aus einer allfälligen Schutzgesetzverletzung durch den beklagten Geschäftsführer nach der einen oder der anderen der oben angeführten gesetzlichen Vorschriften bis zur vollen Höhe der aushaftenden Forderung von dem Zeitpunkt an zu berechnen, von den an dem beklagten Geschäftsführer die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung der Gesellschaft zuzurechnen ist; zu diesem Zeitpunkt wäre er auch verpflichtet gewesen, den Antrag auf Eröffnung des Konkurses oder allenfalls des Ausgleichsverfahrens zu stellen.