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OGH vom 26.09.2007, 7Ob137/07h

OGH vom 26.09.2007, 7Ob137/07h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang R*****, vertreten durch Dr. Reinhold Gsöllpointner und Dr. Robert Pirker, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Werner Piplits, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 24.038,70 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 24/07i-19, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 23 Cg 87/06d-15, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte betreibt das „M*****" in E*****, das unter anderem Pferderennen veranstaltet. Sie vermittelt für die Besucher dieser Veranstaltungen unterschiedlich ausgestaltete Wetten und ist daher als Totalisateur tätig. Ein von der Beklagten angebotenes Wettformat ist die sogenannte „Super-6"-Wette. Gewinnberechtigt ist dabei, wer die Sieger aus sechs verschiedenen Rennen eines Renntages errät. Sofern niemand die „Super-6"-Wette errät, wird die Gewinnsumme als „Jackpot" beim nächsten Renntag zusätzlich ausgespielt. Von der Summe aller eingelangten Wetten behält die Beklagte 35 % für ihre Tätigkeit ein, was dem Kläger bekannt war. Die Beklagte schließt daher nicht (wie Buchmacher) selbst Wetten ab und sagt die Auszahlung von im Vorhinein feststehenden Beträgen zu. Ihre Tätigkeit bei den Pferdewetten besteht vielmehr darin, alle von den Teilnehmern (Wettpartnern) einbezahlten Wetteinsätze (Pool) zu verwalten und an diejenigen, die die Wette durch richtige Tips gewonnen haben, auszuzahlen. Der Gewinn hängt daher von der Anzahl der Teilnehmer und den insgesamt eingezahlten Wettsummen einerseits und der Anzahl der Gewinner andererseits ab und steht somit immer erst nach dem jeweiligen Rennen fest. Die „Vermittlungsgebühr" von 35 % wird von den Einsätzen in Abzug gebracht, was bei Totalisateuren üblich und allgemein bekannt ist.

Der Beklagten wurde mit Bescheid des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom die Bewilligung zur gewerbsmäßigen Vermittlung von Wetten aus Anlass sportlicher Wettkämpfe für den Standort *****, erteilt.

Die Zeitschrift „T*****" berichtet ausschließlich über Veranstaltungen der Beklagten. In der Ausgabe für Sonntag, , wurde auf der Titelseite ein „Super-6-Jackpot" bei der Beklagten in der Höhe von EUR 48.243 angekündigt. Diese Ankündigung wurde im Inneren der Zeitschrift mit deutlicher Hervorhebung wiederholt und dazu auf einen einseitigen „Bericht" unter anderem ausgeführt, dass „ca EUR 60.000 auf einen Glücklichen!!!" warten. Da das vorangegangene Wochenende niemand die sechs Richtigen angekreuzt habe, seien mehr als EUR 60.000 in der „Super-6"-Wette für den richtigen Sechser zu erwarten.

Der Kläger leistete am für die „Super-6"-Wette einen Einsatz von EUR 324. Er war an diesem Tag der Einzige, der die sechs richtigen Gewinner erriet. Die Beklagte bezahlte an ihn EUR 47.249,30 aus.

Der Kläger begehrt nun den Klagsbetrag und führt aus, dass die Beklagte zu Unrecht eine „Vermittlungsgebühr" vom angekündigten Jackpot in Abzug gebracht habe. Sie müsse ihre Ankündigungen gegen sich gelten lassen und den angekündigten Betrag zur Gänze ausbezahlen. Der Kläger habe auf die Richtigkeit der Angaben über die Höhe des Jackpots vertraut. Es liege keine Naturalobligation vor.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung - soweit sie für das Rekursverfahren relevant ist -, dass sie nicht als Buchmacher tätig sei, sondern als Totalisateur lediglich Wetten vermittle und die einbezahlten Wetteinsätze verwalte. Die von der Beklagten einbehaltene „Vermittlungsgebühr" von 35 % liege im üblichen Bereich vergleichbarer Totalisateure. Es handle sich um eine unklagbare Naturalobligation.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren vollinhaltlich ab und vertrat die Rechtsansicht, dass der geltend gemachte Anspruch eine Naturalobligation und gemäß § 1271 ABGB nicht gerichtlich einklagbar sei. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich von dem der Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes zu 1 Ob 107/98m zugrundeliegenden dadurch, dass die Beklagte nicht Buchmacher, sondern Totalisateur gewesen sei und daher nicht selbst Wettpartner. Der Ausgang der Wetten sei für die Beklagte ohne wirtschaftliche Auswirkung, weil die Summe der Wetteinsätze (abzüglich der Vermittlungsgebühr) nur an die Wettteilnehmer, die die Wette richtig getippt hätten, ausbezahlt werde. Auch ein „Verlust" des Totalisateurs sei nicht möglich, da er eben keine fix zugesagten Quoten oder Beträge auszahlen müsse, sondern nur den Pool der vorhandenen Wetteinsätze an die Gewinner verteile. Aufgrund dieser unterschiedlichen Sachlage erscheine die Rechtsprechung des verstärkten Senates zur Klagbarkeit von Ansprüchen gegen Buchmacher nicht in gleicher Weise auf Ansprüche gegen Totalisateure anwendbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. In rechtlicher Hinsicht kam es zu dem Ergebnis, dass die in der Entscheidung des verstärkten Senates dargelegten Grundsätze auch für Totalisateure anzuwenden seien. Die Detailunterschiede zwischen Buchmacher und Totalisateur wie Gewinnermittlung, Unternehmerrisiko etc seien nicht ausschlaggebend. Maßgeblich sei vielmehr der gesetzesimmanente Schutz jener Wettpartner, die eine Geschäftsbeziehung mit nach § 2 Abs 1 des NÖ Gesetzes über die Tätigkeit der Totalisateure und Buchmacher (LGBl 7030) verlässlichen, weil aufgrund einer entsprechenden (landes-)behördlichen Bewilligung agierenden Gewerbetreibenden eingingen. Auch die Beklagte sei zum Kläger im Rahmen ihres Gewerbes und auf Basis einer solchen behördlichen Bewilligung in rechtsgeschäftlichen Kontakt getreten. Der Beklagten komme eine Beschränkung der Klagbarkeit der gegen sie erhobenen Ansprüche nach § 1271 ABGB nicht zugute. Da das Erstgericht - ausgehend von einer vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsauffassung und „Einschränkung des Verfahrens" auf die Frage der Klagbarkeit des Anspruches - keine tragfähige Sachverhaltsgrundlage festgestellt habe, die zur Beurteilung der Rechtssache notwendig sei, sei das erstinstanzliche Urteil aufzuheben.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gemäß § 519 Abs 2 ZPO zulässig sei, weil zur Frage der Anwendbarkeit der vom verstärkten Senat zu 1 Ob 107/98m für die Wetten von Buchmachern entwickelten Grundsätze auch auf Totalisateure höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Gesetz für die Tätigkeit der Totalisateure und Buchmacher, in NÖLGBl 7030 regelt, dass derjenige, der Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen gewerbsmäßig vermittelt (Totalisateur) oder gewerbsmäßig abschließt (Buchmacher), der Bewilligung der Landesregierung bedarf (§ 1 leg cit). Der Begriff des Totalisateurs bezeichnet als terminus technicus jene Unternehmer, die Glücksverträge nach dem Totalisatorprinzip durchführen; dabei berechnen sich die auszuschüttenden Gewinne stets nur in prozentueller Abhängigkeit von den tatsächlich geleisteten gepoolten Spieleinsätzen, was dem Unternehmer die Durchführung von Glücksverträgen auch in sehr großem Umfang ohne finanzielles Risiko ermöglicht. Buchmacher hingegen organisieren die Wetten, an denen sie selbst teilnehmen, regelmäßig nach dem Prinzip der fixen Gewinnquoten (Schwartz/Wohlfahrt, Rechtsfragen der Sportwette, ÖJZ 1998, 602). Die Regelung der Totalisateur- und Buchmacherwetten fällt gemäß Art 15 Abs 1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung in den selbstständigen Wirkungsbereich der Länder.

Der Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes, 1 Ob 107/98m (SZ 71/183 = EvBl 1999/49 = JBl 1999, 117 = RdW 1999, 202 = ecolex 1999/1 [zust Wilhelm] = JAP 1999/2000, 33 [zust Reidinger]) lag die Wette mit einem Buchmacher zugrunde. Es wurde der Rechtssatz formuliert, dass Buchmacherwetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, die aufgrund einer Bewilligung der Landesregierung zur gewerbsmäßigen Vermittlung derartiger Wetten abgeschlossen werden, „Staatslotterien" im Sinn des § 1274 ABGB sind. Demnach wurde die Wettschuld eines solchen Buchmachers jedenfalls dann als klagbar beurteilt, wenn der Vertragspartner den Wettpreis tatsächlich entrichtet oder hinterlegt hat. In dieser Entscheidung legte der Oberste Gerichtshof dar, dass es gerade der Absicht des Gesetzgebers entsprochen habe, „landesbehördlich bewilligte Sportwetten ... besser" zu stellen „als sonstige nichtbewilligte Wetten", die nicht mehr als „bloße Naturalobligationen erzeugen". Aus dem für Sportwetten maßgebenden Gesetz sei unmissverständlich der Leitgedanke des Schutzes des Wettpartners eines konzessionierten Buchmachers hervorgetreten. Würde man diesen Leitgedanken vernachlässigen, hätte das zur Folge, dass unseriöse Wettanbote solcher Buchmacher noch gesetzliche Unterstützung fänden. Konzessionierte Buchmacher wären dann die einzigen Gewerbetreibenden, die für zugesagte, erlaubte und nicht sittenwidrige gewerbliche Leistungen - nämlich für die Wettgewinne ihrer Kunden - mangels deren Klagbarkeit nicht einzustehen hätten. Das Leistungsversprechen als bloße Naturalobligation zu beurteilen und sie demgemäß mit dem Privileg der Unklagbarkeit auszustatten, ließe daher gerade jene Wertungen des Gesetzgebers gering achten, die der Regelung des Buchmachergewerbes zugrunde lägen.

Es ist kein Grund zu ersehen, warum der vom verstärkten Senat zu Buchmacherwetten formulierte Rechtssatz unter Zugrundelegung der landesgesetzlichen Regelungen über die Tätigkeit von Totalisateuren und Buchmachern nicht auch auf Totalisateure anzuwenden sein sollten. Der oben dargelegte Leit- und Schutzgedanke ist derselbe, ob nun der Buchmacher die Wette selbst eingeht oder ob der Totalisateur die Glücksverträge zwar nur vermittelt, aber die Veranstaltung der Wetten, Verwaltung der Einsätze sowie die Berechnung und Ausschüttung der Gewinne (ganz ohne finanzielles Risiko) eigenständig vornimmt, sodass dem Wettpartner selbst keine Bedeutung zukommt.

Aus der Entscheidung 7 Ob 85/04g ist für die Beklagte nichts Gegenteiliges zu gewinnen. Sie hebt nämlich ausdrücklich und unmissverständlich hervor, dass eben die der Entscheidung des verstärkten Senates zugrunde liegenden Bestimmungen über die Tätigkeit der Totalisateure und Buchmacher auf den Betrieb von Spielautomaten nicht anzuwenden sind und ein vergleichbarer Schutzgedanke in den dort anzuwendenden Gesetzesbestimmungen nicht zu erkennen ist.

Ansprüche auf Auszahlung des Wettgewinns gegen Totalisateure sind also genau so wie jene gegen Buchmacher keine Naturalobligationen.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.