OGH vom 23.09.2010, 5Ob124/10m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin S***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Roswitha Wallner, diese vertreten durch Mag. Michaela Schinnagl, beide Sekretärinnen der Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen den Antragsgegner Ö*****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 12 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 5/10i 14, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm) § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Wortlaut des § 21 Abs 2 MRG ist eindeutig, und die Subsumierbarkeit der Grundsteuer darunter wird weder von der Rechtsprechung noch von der herrschenden Lehre in Zweifel gezogen (vgl 1 Ob 60/68, RIS Justiz RS0067116 = 1 Ob 353/50 = SZ 23/219; LGZ Wien MietSlg 37.366; E.M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 21 MRG Rz 38; Würth/Zingher/Kovanyi , Miet und Wohnrecht 22 § 21 MRG Rz 11; Würth in Rummel ³ § 21 MRG Rz 9; Egglmeier/Jäger in Schwimann ² § 21 MRG Rz 36; Kuprian/Prader, Mietvertrag² Rz 149; Palten, Betriebskosten² Rz 110 aE). Auch die Materialien zum MRG belegen, dass mit § 21 Abs 2 MRG die bereits nach § 2 Abs 1 lit c, § 4 Abs 1 MG geltende Rechtslage fortgeführt werden sollte (RV 425 BlgNR 15. GP 41 [dort zu § 18 Abs 2 idF der RV]), sodass die (einfache) Auslegung des § 21 Abs 2 MRG keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG bildet (RIS-Justiz RS0042656).
2.1. Die von der Antragstellerin gewünschte, im Mietrecht grundsätzlich problematische (RIS-Justiz RS0106113) teleologische Reduktion des § 21 Abs 2 MRG dahin, die Grundsteuer von den dort genannten öffentlichen Abgaben auszuscheiden, scheitert schon daran, dass dies unzulässigerweise zu einer wohl praktischen, weil inhaltsleeren Bedeutungslosigkeit dieser Gesetzesnorm führen würde, da die Grundsteuer der wichtigste Anwendungsfall des § 21 Abs 2 MRG ist ( Würth/Zingher/Kovanyi aaO; Palten aaO). Es ist jedoch nicht zulässig, durch teleologische Reduktion eine gesetzliche Vorschrift (beinahe) zur Gänze ihres Inhalts zu entkleiden (vgl RIS-Justiz RS0008979). Die von der Antragstellerin ins Treffen geführte Ansicht Doralts (in Grundsteuer: Teil der Betriebskosten? WoBl 1995, 46) stellt (in Übereinstimmung damit) keine Betrachtung de lege lata, sondern nur de lege ferenda dar (insbesondere Schlussabsatz aaO).
2.2. Dem Verlangen nach teleologischer Reduktion ist mit E.M. Hausmann (aaO) auch entgegenzuhalten, dass die dem Grundeigentümer durch das MRG auferlegten mannigfaltigen Beschränkungen es nach wie vor auch nach der im Revisionsrekurs konstatierten „Liberalisierung“ der Hauptmietzinsregeln durch das 3. WÄG, dessen Einführung der Richtwertmietzinse dem öffentlichen Interesse an erschwinglichem Wohnraum diente (5 Ob 271/09b unter Hinweis auf AB zum 3. WÄG in 1268 BlgNR 18. GP 11 ff) verhindern, dass der Grundeigentümer aus der Liegenschaft einen ungehinderten Nutzen ziehen kann und diese im Interesse der Allgemeinheit auferlegten Beschränkungen es auch rechtfertigen, dass jener Personenkreis, der dadurch begünstigt wird, im Wege der Überwälzung für die dafür zu leistenden öffentlichen Abgaben aufkommt. Auch die geltenden Mietzinsregelungen des § 16 MRG bilden weiterhin eine Beschränkung des Vermieters in seinen Möglichkeiten zur Erwirtschaftung eines Ertrags, zumal die Ertragschancen nicht nur durch die Mietzinsbegrenzung, sondern auch durch die zwingenden Vermieterpflichten (etwa zur Erhaltung nach § 3 MRG und zur Verbesserung nach § 4 Abs 3 MRG) eingeschränkt werden.
2.3. Der Revisionsrekurs weist damit nicht nach, dass die herkömmliche Auslegung des § 21 Abs 2 MRG zu einem Wertungswiderspruch führt oder sich der bisher dem § 21 Abs 2 MRG beigemessene Sinngehalt geändert hat (vgl RIS-Justiz RS0008979, RS0106113 [T3], RS0109735).
3. Der Oberste Gerichtshof vermag auch die verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragstellerin nicht zu teilen, weshalb auch dazu keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RIS-Justiz RS0116943). Dem einfachen Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum verfassungsrechtlich insofern zu, als er in seinen rechtspolitischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen frei ist (5 Ob 50/10d und 5 Ob 271/09b; RIS-Justiz RS0053889; RS0117654), sofern keine unsachliche Ungleichbehandlung vorliegt (RIS-Justiz RS0072903; RS0053889 [T28]). Die Überwälzbarkeit der Grundsteuer auf die Mieter bewirkt aber keine Überschreitung dieses Gestaltungsspielraums, da damit die Effekte der den Mieter in Summe dennoch begünstigenden Mietzinsbegrenzung nach den §§ 15 ff MRG die zum Richtwertmietzins nach § 16 Abs 2 MRG keine unverhältnismäßige Einschränkung der Eigentums und Erwerbsfreiheit des Ver mieters bedeuten (RIS-Justiz RS0038548 [T2] = RS0069203 [T1] = RS0103213 [T1]) gemindert werden, sodass daraus auch keine Doppelbelastung des Mieters resultiert. Soweit die Ermöglichung der Überwälzung der Grundsteuerlast auf den Mieter einen Eingriff in dessen Eigentumsrecht bedeuten sollte (vgl RIS Justiz RS0053579, RS0113323), wäre aus den oben zu Punkt 2.2. genannten Argumenten die Verhältnismäßigkeit dieses Eingriffs abzuleiten.
Der Oberste Gerichtshof findet daher auch keinen Anlass, der Anregung der Revisionsrekurswerberin auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 B VG näherzutreten.