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OGH vom 27.11.2019, 7Ob136/19d

OGH vom 27.11.2019, 7Ob136/19d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der betroffenen Person H***** R*****, geboren am ***** 1935, *****, vertreten durch den Erwachsenenvertreter Dr. R***** R*****, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs der Einschreiterin E***** K*****, vertreten durch Mag. Dr. Angelika Tupy, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 149/19d-66, mit dem der Rekurs der Einschreiterin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 1 P 75/18k-53, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird mit der Maßgabe bestätigt, dass dem Rekurs der Einschreiterin nicht Folge gegeben wird.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bestellte der Betroffenen mit Beschluss vom Rechtsanwalt Dr. R***** R***** zum Sachwalter für alle Angelegenheiten. Es war damals die Vertretung der Betroffenen im Verlassenschaftsverfahren des verstorbenen Ehegatten erforderlich.

Zugunsten der Betroffenen ist auch ein Belastungs- und Veräußerungsverbot sowie ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht ob einer Liegenschaft einverleibt, die die Betroffene und deren verstorbener Ehegatte ihrer Tochter, der nunmehrigen Einschreiterin, übergeben hatten.

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom die Klagsführung der Betroffenen gegen die (nunmehrige) Einschreiterin. Dieser Klage lag die Behauptung zugrunde, die Einschreiterin habe zeitnahe zur Sachwalterbestellung vom Pensionskonto der Betroffenen deren gesamte Ersparnisse in der Höhe von ca 35.000 EUR behoben, welchem Betrag keine entsprechenden Leistungen für die Betroffene gegenüberstünden.

Die Betroffene äußerte mit einer vorgedruckten, von ihr mit zittriger Schrift unterfertigten Eingabe vom , nicht mehr vom (nunmehrigen) Erwachsenenvertreter vertreten werden zu wollen, vielmehr sei es ihr Wunsch, dass sich die Einschreiterin um ihre Belange kümmere.

Das Erstgericht wies den Antrag der Betroffenen auf Umbestellung des Erwachsenenvertreters (richtig nunmehr: Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung) zurück. Es führte zusammengefasst aus, dass der Erwachsenenvertreter auch weiterhin rechtliche Belange, etwa die Ablösung des Wohnungsgebrauchsrechts, vorzunehmen und bislang die Erwachsenenvertretung äußerst verantwortlich und genau ausgeübt habe. Eine Umbestellung sei daher nicht erforderlich. Überdies diene eine Bestellung der Einschreiterin nicht dem Wohl der Betroffenen, weil es immer wieder zu Konflikten zwischen den beiden gekommen sei und die Betroffene insbesondere im Zuge der Erstanhörung schwere Bedenken gegen die Einschreiterin geäußert habe. Schließlich sei der vorliegende Antrag der Betroffenen offenbar von der Einschreiterin „untergejubelt“ worden, weil die Betroffene selbst nicht in der Lage sei, einen solchen Antrag zu formulieren und es mit Sicherheit nicht ihrem Wunsch entspreche, dass die Einschreiterin ihre Erwachsenenvertretung übernehme.

Das Rekursgericht wies den gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs der Einschreiterin zurück. Nach 6 Ob 70/19s dienten die in § 127 AußStrG vorgesehenen Angehörigenrechte nicht dazu, Familienstreitigkeiten in das Bestellungsverfahren zu verlagern, weshalb eine Rechtsmittellegitimation von Angehörigen im Fall eines abgewiesenen Antrags auf Umbestellung (richtig nunmehr: Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung) abzulehnen sei. Der Rekurs sei aber auch inhaltlich nicht berechtigt, weil eine stabile Betreuungssituation wünschenswert sei und nach der Aktenlage kein Anlass für eine Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung bestehe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Frage, ob Familienangehörigen eines Betroffenen im Verfahren über die Umbestellung eines Erwachsenenvertreters (richtig nunmehr: Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung) auch bei Abweisung eines solchen Antrags Rechtsmittellegitimation zukomme, fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Einschreiterin mit dem – erschließbaren – Antrag auf Abänderung im Sinn der Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung. Hilfsweise stellt die Einschreiterin auch einen Aufhebungsantrag.

Der Erwachsenenvertreter erstattete erkennbar namens der Betroffenen eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, den Revisionsrekurs der Einschreiterin zurückzuweisen, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.

1. Nach § 127 Abs 1 AußStrG sind die dort genannten Personen, zu denen auch die volljährigen Kinder der betroffenen Person gehören, von der Einleitung des Verfahrens über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters zu verständigen. Einem solchen Angehörigen, dessen Verständigung die betroffene Person nicht abgelehnt hat, steht gemäß § 127 Abs 3 AußStrG gegen den Beschluss über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters „im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters“ der Rekurs zu. Dass überhaupt ein Erwachsenenvertreter bestellt oder mit welchem Wirkungsbereich dieser betraut wurde, kann vom Angehörigen nicht (erfolgreich) angefochten werden (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 69).

2. Nach § 128 Abs 1 AußStrG sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Vorschriften für das Verfahren zur Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters (ua) auch auf das Verfahren zur Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung, in dem entschieden wird, ob der bisher bestellte gerichtliche Erwachsenenvertreter durch eine andere Person ersetzt werden soll (vormals: Umbestellung des Sachwalters), anzuwenden. Diese Regelung gilt auch für die Angehörigenrechte (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 70).

3. Die Einschreiterin ist das volljährige Kind der Betroffenen, die deren Verständigung nicht abgelehnt hat. Der Einschreiterin stehen daher die Angehörigenrechte nach § 127 (iVm § 128 Abs 1) AußStrG zu. Diese eingeschränkten Parteirechte umfassen das Rekursrecht gegen den Beschluss über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters. Dies schließt auch das Recht auf Erhebung eines Revisionsrekurses ein (6 Ob 70/19s; vgl auch RS0124570). Diese Rechtsmittellegitimation gilt zufolge § 128 Abs 1 AußStrG auch für das Verfahren zur Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung.

4. Das Rekursgericht war der Ansicht, das Rekursrecht der Angehörigen „im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters“ gelte nur für den Fall, dass das Erstgericht die Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung vornimmt. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen:

4.1. Mit dem beschriebenen Rekursrecht wird den Angehörigen eine gewisse Mitwirkung bei der Auswahl der Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters ermöglicht. Diese werden damit im Wesentlichen vorbringen können, die Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters sei nicht im Einklang mit § 274 f ABGB erfolgt, wobei nach diesen Bestimmungen auch die Eignung der als gerichtlicher Erwachsenenvertreter in Frage kommenden Person eine wesentliche Rolle spielt (vgl § 274 Abs 2 und 4, § 275 Z 2 ABGB).

4.2. Eine Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung auf eine andere Person hat nach § 246 Abs 3 Z 2 ABGB dann zu erfolgen, wenn der Vertreter verstorben ist, nicht die erforderliche Eignung aufweist, oder durch die Vertretung unzumutbar belastet wird, oder wenn es sonst das Wohl der vertretenen Person erfordert. In diesen Fällen ist es ebenfalls durchwegs von Bedeutung, ob die als neuer Erwachsenenvertreter in Aussicht genommene Person für diese Aufgabe (besser) geeignet ist (als der bisherige Vertreter). Da sich im Rahmen der Ablehnung oder Beschlussfassung auf Vornahme einer Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung „im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters“ durchwegs vergleichbare Fragen wie im Bestellungsverfahren stellen, besteht daher unter sachlichen Gesichtspunkten kein Anlass das Rechtsmittelrecht der Angehörigen nur auf jene Fälle zu beschränken, in denen das Erstgericht eine solche Übertragung vornimmt, es dagegen zu versagen, wenn das Erstgericht die Übertragung ablehnt.

4.3. Dafür, dass der Gesetzgeber eine Verweigerung des Rekursrechts in jenen Fällen, in denen das Erstgericht eine Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung ablehnt, angestrebt hätte, geben auch die Gesetzesmaterialien keinen Anhaltspunkt.

4.4. Soweit sich das Rekursgericht auf die Entscheidung 6 Ob 70/19s beruft, ist daraus für seinen Standpunkt ebenfalls nichts zu gewinnen. Mit dem in dieser Entscheidung enthaltenen Hinweis, die Angehörigenrechte dienten nicht dazu, „allfällige Familienstreitigkeiten in das Bestellungsverfahren zu verlagern“, wird nur eine Kommentarmeinung wiedergegeben, die ihrerseits aus den Gesetzesmaterialien stammt (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 69) und lediglich der Begründung dient, dass den Angehörigen „keine volle Parteistellung“ (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 69) zukommt, sondern im Rechtsmittelverfahren „im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters“ beschränkt ist. Dass eine noch weitergehende Beschränkung dieser Rechtsmittellegitimation im Übertragungsverfahren erfolgen solle, ist dieser Entscheidung dagegen nicht zu entnehmen.

4.5. Schließlich hat der Oberste Gerichtshof in einer vergleichbaren Verfahrenslage, nämlich im Fall einer Abweisung eines Antrags auf Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung, die Legitimation der Mutter der Betroffenen zur Erhebung des Rekurses und des Revisionsrekurses bereits bejaht (8 Ob 164/18b). An dieser Ansicht ist festzuhalten, woraus zusammengefasst folgt:

4.6. Die Rechtsmittellegitimation der Angehörigen „im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters“ gilt nach § 127 Abs 3, § 128 Abs 1 AußStrG auch für den Fall, dass das Erstgericht einen Antrag auf Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung abweist.

5. Wenngleich somit die Zurückweisung des Rekurses durch das Rekursgericht verfehlt war, ist daraus für die Einschreiterin im Ergebnis nichts zu gewinnen. Das Rekursgericht hat nämlich das Rechtsmittel der Einschreiterin auch inhaltlich behandelt und die Ablehnung einer Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung durch das Erstgericht mit Recht als zutreffend erkannt:

Auch die neue Rechtslage gewährleistet weder eine Übertragung allein aufgrund einer Wunschäußerung der Betroffenen, noch eine freie Auswahl des (gerichtlichen) Erwachsenenvertreters (8 Ob 164/18b). Die Ablehnung der Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung entspricht dem Grundsatz, dass eine stabile Betreuungssituation wünschenswert ist, weshalb es nur aus besonderen Gründen zu einer Übertragung kommen soll (vgl RS0117813 [T10]). Eine Notwendigkeit zur Abberufung des bisherigen Erwachsenenvertreters wegen Nichterfüllung seiner Aufgaben ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Dass (immer) noch rechtliche Angelegenheiten zu klären sind, spricht ebenfalls für die Beibehaltung der bisherigen Erwachsenenvertretung und das konfliktbehaftete Verhältnis zwischen der Betroffenen und der Einschreiterin spricht gegen deren Bestellung (zur Interessenkollision bei gerichtlichen Auseinandersetzungen vgl 8 Ob 164/18b). Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen und die Entscheidung des Rekursgerichts mit der beschlossenen Maßgabe zu bestätigen.

6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 124 AußStrG. Die Vertretungskosten hat die Betroffene selbst zu tragen (10 Ob 45/12h; 6 Ob 157/15d).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00136.19D.1127.000

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