zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 30.01.2020, 2Ob226/19b

OGH vom 30.01.2020, 2Ob226/19b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. D***** W*****, vertreten durch Beck & Dörnhöfer & Partner Rechtsanwälte in Eisenstadt, wider die beklagten Parteien 1. K***** D***** und 2. S***** D*****, vertreten durch Mag. Nikolaus Rast, Rechtsanwalt in Wien, wegen 21.485,09 EUR sA (erstbeklagte Partei) und 7.333,11 EUR sA (zweitklagende Partei), über den Rekurs der beklagten Parteien (Rekursinteresse der erstbeklagten Partei 15.833,25 EUR, der zweitbeklagten Partei 7.113,49 EUR) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 12 R 20/19b-18, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom , GZ 27 Cg 22/18f-14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.130,63 EUR (darin enthalten 188,44 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 507,97 EUR (darin enthalten 84,66 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt vom Erstbeklagten, ihrem Bruder, der testamentarischer Alleinerbe nach der im Jahr 2017 verstorbenen gemeinsamen Mutter ist, und von der Zweitbeklagten, ihrer Schwägerin, unter Berücksichtigung diverser Vorempfänge die Zahlung der gemäß § 789 Abs 1 und 2 ABGB idF des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) errechneten Beträge als ihren Pflichtteil.

Nach dem Tod der Mutter begleitete die Klägerin den Vater zur Bank, wo sich ein Schließfach der Mutter befand. Darin waren zwei Sparbücher mit einem Einlagenstand von insgesamt 21.000 EUR. Diese Sparbücher fanden jedoch keinen Eingang in das Verlassenschaftsverfahren. Was konkret mit dem Geld geschehen ist, konnte nicht festgestellt werden.

Die Vorinstanzen rechneten den genannten Betrag der Verlassenschaft zu, wodurch sich der reine Nachlass (gegenüber dem im Verlassenschaftsverfahren zugrunde gelegten) und somit auch aliquot der Pflichtteilsanspruch der Klägerin entsprechend erhöhte.

Während der abweisende Teil des erstgerichtlichen Urteils unbekämpft rechtskräftig wurde, hob das Berufungsgericht dieses Urteil infolge der Berufung der Beklagten in seinem stattgebenden Teil auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück. Es ließ gegen seine Entscheidung den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, die Frage, ob die Negativfeststellung, dass nicht festgestellt werden konnte, was mit einem zum Todeszeitpunkt vorhanden gewesenen Vermögenswert des Erblassers (hier zwei Spareinlagen) geschehen sei, zu Lasten des Pflichtteilsklägers oder zu Lasten des Erben gehe, bedürfe einer Klärung durch das Höchstgericht.

Der Rekurs der Beklagten ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung eines Rekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

1. Die Beklagten führen in ihrem Rekurs inhaltlich lediglich aus, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund der ihr nach eigener Aussage vor Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens bekannten Sparbücher, die sie nicht dem Erstbeklagten gegenüber thematisiert habe, nicht durch Einbeziehung daraus resultierender Vermögenswerte begünstigt werden könne. Es käme zu einer unbilligen Belastung von eingeantworteten Erben, müssten sich diese nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens mit der „Gegenseite“ bekannten aber nicht geltend gemachten Forderungen konfrontiert sehen. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck des Verlassenschaftsverfahrens. Es erscheine daher notwendig, die Rechtsprechung dahingehend zu leiten, dass der nicht feststellbare Verbleib von Vermögenswerten zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten zu gehen habe.

Dem ist zu erwidern:

Die Errichtung eines Inventars dient nach ständiger Rechtsprechung nur den Zwecken des Verlassenschaftsverfahrens und hat Wirkungen auch nur für dieses Verfahren, nicht aber darüber hinaus. Den Parteien bleibt es vielmehr unbenommen, strittige Fragen im Rechtsweg endgültig auszutragen (RS0006465). Das

Inventar ist für ein allfälliges Streitverfahren – wie etwa eine

Pflichtteilsergänzungsklage – nicht bindend (RS0006465 [T10]).

Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts wurde nach der Aktenlage im Verlassenschaftsverfahren nach der Erblasserin kein Inventar gemäß § 165 AußStrG errichtet. Es lag eine Vermögenserklärung des Erstbeklagten vor (§ 170 AußStrG), über die das Verlassenschaftsgericht keine Entscheidung zu treffen hatte (RS0127769).

Wenn nach der zitierten Rechtsprechung schon ein Inventar in einem Pflichtteilsprozess keine Bindung entfaltet, kann eine solche an den in einem Verlassenschaftsverfahren ohne Inventar zu Grunde gelegten Wert des reinen Nachlasses umso weniger bestehen.

Soweit daher die Rekurswerber in ihrem wiedergegebenen Vorbringen sinngemäß darauf abzielen, die Sparbücher bzw deren Beträge könnten im Pflichtteilsprozess wertmäßig nicht berücksichtigt werden, weil sie im Verlassenschaftsverfahren nicht vorgekommen seien, ignorieren sie die dargestellte Rechtslage. Vielmehr haben die Vorinstanzen aus der festgestellten Tatsache, dass sich die Sparbücher in einem „Schließfach der Mutter“ in einer Bank befunden hatten, die Nachlasszugehörigkeit der Sparbücher abgeleitet, was im Rechtsmittel nicht beanstandet wird.

Davon abgesehen enthält der Rekurs zu der vom Berufungsgericht formulierten Frage lediglich die begründungslose Behauptung, der nicht feststellbare Verbleib von Vermögenswerten habe zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten zu gehen. Jegliche rechtliche Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht angesprochenen Beweislastfrage fehlt.

Selbst wenn daher das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen haben sollte, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, im Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend gemacht werden, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist der Rekurs trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RS0102059).

2. Im Übrigen hat das Berufungsgericht ohnehin keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weil sich die hier keineswegs besonders oder komplex gelagerte Beweislastfrage mit den allgemein anerkannten Beweislastregeln lösen lässt: Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RS0037797).

Wenn hier – wie unter 1. ausgeführt – die Nachlasszugehörigkeit der Sparbücher erwiesen ist, sind sie bei der Berechnung des Pflichtteils der Klägerin wertmäßig zu berücksichtigen, wovon auch die Vorinstanzen ausgegangen sind. Für allenfalls dagegen sprechende Umstände wären die Beklagten behauptungs- und beweispflichtig gewesen. Eine entsprechende Behauptung haben sie nicht aufgestellt; angesichts der Negativfeststellung über den Verbleib der Spareinlagen wäre ihnen dieser Beweis auch misslungen.

3. Da die Rechtsmittelwerber auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt haben, ist der Rekurs zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 41, 46 Abs 1 und § 50 ZPO (RS0123222). Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00226.19B.0130.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.