OGH vom 29.08.2017, 5Ob123/17z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Albina M*****, vertreten durch Günter Schneider, Mieter-Interessen-Gemeinschaft Österreich, Antonsplatz 22, 1100 Wien, gegen die Antragsgegner 1. David K*****, 2. C***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 38 R 300/16y17, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 9 Msch 1/16f13, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegner sind schuldig, der Antragstellerin jeweils die Hälfte derer mit 180 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Zweitantragsgegnerin hat das Haus L*****, mit Kaufvertrag vom vom Erstantragsgegner erworben.
Der Ehegatte der Antragstellerin schloss am mit dem Erstantragsgegner einen schriftlichen Mietvertrag betreffend die Wohnung top 21–22 in diesem Haus. Im Mietvertrag ist festgehalten, dass das Mietverhältnis am beginnt, auf drei Jahre befristet abgeschlossen wird und am endet. Die Mietvertragsparteien gingen von der Wirksamkeit dieser Befristung aus.
Am 4. oder zog die Antragstellerin mit ihrem Ehemann in die Wohnung ein. Nach Scheidung der Ehe trat der bisherige Mieter seine Hauptmietrechte per an der Wohnung an die Antragstellerin ab. Auch sie hatte die Vorstellung, ein befristetes Mietverhältnis bis Ende September 2014 zu haben. Nach Verbücherung des Eigentums der Zweitantragsgegnerin an der Liegenschaft beantragte diese am zu AZ 35 C 351/14p des Bezirksgerichts Leopoldstadt einen Übergabsauftrag, der antragsgemäß erlassen und rechtswirksam wurde. Am übergab der 2000 geborene Sohn der Antragstellerin dann die Schlüssel für die Wohnung im Büro der Hausverwaltung, wobei er eine Erklärung über die einvernehmliche Auflösung des Mietverhältnisses und Wohnungsübergabe verbunden mit einem Verzicht auf sämtliche gegenseitige Ansprüche oder Forderungen aus dem Mietverhältnis unterfertigte.
Das wies den Mietzinsüberprüfungsantrag der Antragstellerin als präkludiert ab.
Das gab dem Rekurs der Antragstellerin teilweise Folge und stellte fest, dass die Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin durch die Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 436,73 EUR das gesetzlich zulässige Zinsausmaß von 271,12 EUR um monatlich 165,61 EUR überschritten hätten und zwar der Erstantragsgegner im Zeitraum Februar 2013 bis einschließlich Mai 2014, die Zweitantragsgegnerin im Zeitraum Juni bis November 2014. Das Mehrbegehren auf Feststellung der Teilunwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung sowie der Ausstattungskategorie der Wohnung wurde abgewiesen.
Das Rekursgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen. Es folgte der Rechtsauffassung der Antragstellerin, zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine wirksame Befristung sei ausschließlich auf die vereinbarte Vertragsdauer vom bis abzustellen. Maßgeblich sei der schriftlich und unmissverständlich festgelegte Zeitablauf, nicht der Zeitpunkt der Unterfertigung des Mietvertrags. Dies wurde insbesondere auf die Entscheidung 5 Ob 208/10i gestützt, dort habe der Oberste Gerichtshof ungeachtet des Ablaufs der ersten Befristung mit die Unterfertigung des schriftlichen Vertrags über die Mietvertragsverlängerung um drei Jahre erst am als unproblematisch angesehen. Eine Generalbereinigung durch die Unterfertigung der Auflösungserklärung seitens des Sohns der Antragstellerin wurde verneint. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich mit der Begründung zu, zur Problematik der Unterfertigung des Mietvertrags nach Befristungsbeginn liege keine einschlägige oberstgerichtliche Rechtsprechung vor.
Rechtliche Beurteilung
Der ordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruchs des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG):
1.1. Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs und der Begründung der nachträglichen Zulassung ist nicht davon auszugehen, der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 5 Ob 208/10i (= immolex 2012/4 [Prader]) die Wirksamkeit einer erst nach Befristungsbeginn erfolgten Unterfertigung der schriftlichen Verlängerungsvereinbarung nicht geprüft. Die überaus ausführlich begründete Entscheidung hatte – vergleichbar zu dem hier zu entscheidenden Fall – die Präklusion des Mietzinsüberprüfungsantrags des dortigen Antragstellers nach § 16 Abs 8 MRG zu beurteilen und sprach aus, diese hänge davon ab, ob die Verlängerungsvereinbarung wirksam erfolgt sei. Ausdrücklich nahm diese Entscheidung auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung (RISJustiz RS0109837 [T3]) Bezug, dass im Fall, dass keine gesetzlich durchsetzbare Befristung vereinbart worden sei, die Frist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG mit dem Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses zu laufen beginne. Dass es im dort entschiedenen Fall nicht um den erstmaligen Abschluss des Mietvertrags, sondern um die Verlängerung eines zuvor auf drei Jahre befristeten Mietverhältnisses um wieder drei Jahre ging, macht deshalb keinen rechtlich relevanten Unterschied, weil § 29 Abs 1 Z 3 lit a und b MRG (der dort ebenso anzuwenden war wie im hier zu beurteilenden Fall) bei Wohnungen sowohl hinsichtlich der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer als auch deren Verlängerung jeweils eine Mindestfrist von drei Jahren verlangt. Wäre es daher – wie die Antragsgegner meinen – rechtlich jedenfalls unzulässig, den schriftlichen Vertrag erst nach dem vereinbarten Befristungsbeginn zu unterfertigen, wäre der erkennende Senat wohl schon deshalb von einer – im Verfahren 5 Ob 208/10i ausdrücklich verneinten – Präklusion des Mietzinsüberprüfungsantrags nach § 16a Abs 8 MRG ausgegangen.
1.2. Auch zu 4 Ob 601/95 sah der Oberste Gerichtshof den Abschluss des schriftlichen Mietvertrags am mit der Vereinbarung eines Mietverhältnisses ab auf die Dauer von einem Jahr, somit bis als unbedenklich an. Die Befristung sei schon nach dem Inhalt der Vertragsurkunde wirksam mit einem Jahr vereinbart worden. Dort ging es im Gegensatz zur Entscheidung 5 Ob 208/10i nicht um eine Verlängerung eines bereits bisher befristeten Mietverhältnisses, sondern um eine erstmalige Vermietung.
1.3. Aus diesen Entscheidungen ist abzuleiten, dass es nicht grundsätzlich unzulässig ist, anlässlich der Unterfertigung des schriftlichen Mietvertrags festzuhalten, dass das Vertragsverhältnis bereits am – hier nur drei Tage davor liegenden – Monatsanfang beginnt; ein derartiges Verbot ist weder dem ABGB noch dem MRG zu entnehmen. Dass diese Vereinbarung hier zur Umgehung zwingender Befristungsbestimmungen des MRG getroffen worden wäre, hat niemand behauptet; die Antragstellerin hat sich bis zuletzt auf die aufgrund der dreijährigen Frist wirksame Befristung berufen und auch die Antragsgegner haben nicht nur keine Umgehungabsicht bei Vertragsabschluss behauptet, sondern gestützt auf die wirksame Befristung sogar einen Übergabsauftrag erwirkt.
2.1. Im Übrigen orientierte sich das Rekursgericht grundsätzlich an der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (RISJustiz RS0090569), wonach die Befristung durchsetzbar ist, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und wenn von vornherein durch Datum oder Fristablauf ein Endtermin bestimmt ist. Dabei erfüllt jede Formulierung, die der Absicht des Gesetzgebers entspricht, nämlich, dass sich der Mieter von vornherein auf eine bestimmte Mietdauer einstellen kann, das Erfordernis des § 29 Abs 1 Z 3 MRG, was dann der Fall ist, wenn entweder der Endtermin datumsmäßig angegeben oder wenn er durch die Angabe des Anfangszeitpunkts eindeutig festgelegt ist (RISJustiz RS0070201).
2.2. Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen (7 Ob 85/99x; 7 Ob 215/01w; 5 Ob 2131/96k) dass die Auslegung des Inhalts einer konkreten vertraglichen Beziehung – auch bei der Auslegung eines Bestandvertrags unter dem Aspekt der Bestimmung des Endtermins – von der Kasuistik des Einzelfalls geprägt ist und damit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG bildet (vgl auch RISJustiz RS0042776). Ob ein Endtermin ausreichend bestimmt ist, ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln (7 Ob 215/01w). Eine erhebliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt worden wäre (RISJustiz RS0042936). Dies ist aber hier nicht der Fall:
2.3. Das Rekursgericht konnte sich bei seiner Auslegung auf den völlig eindeutigen und unmissverständlichen Vertragsinhalt stützen, wonach das Bestandverhältnis am beginnen und am enden sollte. Diese schriftlich festgehaltene dreijährige Vertragsdauer entsprach nicht nur dem in diesem Sinn auch festgestellten Parteiwillen der damaligen Mietvertragsparteien, sondern auch dem Kenntnisstand der Antragstellerin bei Abtretung der Hauptmietrechte an sie und wurde letztlich durch den Antrag auf Übergabsauftrag des Zweitantragsgegners, dem die Antragstellerin im Sinn dieses übereinstimmenden Verständnisses der Parteien keine Einwendungen entgegensetzte, noch einmal bestätigt. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist die Auslegung des Rekursgerichts, hier sei von einer durchsetzbaren Befristung auszugehen, keine unvertretbare Fehlbeurteilung zu erkennen.
2.4. Auch der Revisionsrekurs zeigt eine solche nicht auf. Die Antragsgegner behaupten im Wesentlichen, vor dem (dem Datum der Vertragsunterfertigung und Einzug der Antragstellerin) habe es schon nach dem ABGB kein Vertragsverhältnis der Streitteile gegeben. Abgesehen davon, dass dies dem schriftlichen Vertragsinhalt widerspricht, ist der Bestandvertrag ein Konsensualvertrag, der durch die Willenseinigung über Bestandgegenstand und Bestandzins zustandekommt (RISJustiz RS0020394). Der Einzug der Mieter in das Bestandobjekt ist daher entgegen der Meinung des Erstgerichts und der Antragsgegner nicht Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen des Bestandverhältnisses. Die Frage, in welchem Ausmaß die Mieter für Zeiträume schon Mietzins zu zahlen haben, in denen sie das Bestandobjekt allenfalls (noch) nicht nutzten, stellt sich hier nicht. Dass es vor dem schlichtweg keinen Vertrag gegeben hätte, ist den Feststellungen nicht gesichert zu entnehmen; dass der Mietvertrag erst am abgeschlossen wurde, sagt insbesondere im Hinblick auf den dort ausdrücklich vereinbarten Beginn des Vertragsverhältnisses bereits am nichts über einen allenfalls bereits vor dem bestehenden natürlichen Konsens der Mietvertragsparteien aus. Eine Umgehungsabsicht wurde – wie bereits ausgeführt – nicht behauptet.
3. Dass die Unterfertigung der Auflösungsvereinbarung durch den Sohn der Antragstellerin mangels ausreichender Bevollmächtigung keine Generalbereinigung darstellen konnte, ziehen die Antragsgegner in ihrem Revisionsrekurs ebenso wenig in Zweifel wie die Feststellung der Mietzinsüberschreitung der Höhe nach.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die Antragstellerin hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Revisionsrekurses hingewiesen. Mangels Solidarhaftung der Antragsgegner haften sie für die Kosten des Revisionsrekursverfahrens nur anteilig (Obermeier in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 78 Rz 125).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00123.17Z.0829.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement,8 außerstreitige Wohnrechtssachen |
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