OGH vom 10.02.1981, 5Ob507/81
Norm
Kopf
SZ 54/16
Spruch
Die Verhängung von Disziplinarstrafen über ein Genossenschaftsmitglied durch den Vorstand der Genossenschaft werden auf der Grundlage des durch Genossenschaftsstatut und Beitrittserklärung begrundeten Privatrechtsverhältnisses verhängt und unterliegen der vollen Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte. Die Beweislast für das Verschulden des Genossenschafters trifft die Genossenschaft; § 1298 ABGB ist nicht anzuwenden
OGH 10. Feber 1981, 5 Ob 507/81 (LG Feldkirch R 473/80; BG Dornbirn C 105/79)
Text
Der Kläger ist seit Jahren Mitglied der beklagten Genossenschaft, an die er die Milch aus seiner Landwirtschaft abzuliefern hat.
§ 14 Z. 8 des Statuts der Beklagten lautet: "Jedes Mitglied hat die Pflicht ... 8. für die Lieferung nachgewiesener verfälschter Kuhmilch nach Ermessen des Vorstandes eine Geldbuße bis zu 25 000 S in jedem einzelnen Falle der Übertretung zu zahlen." § 55 des Statuts der Beklagten lautet: "Streitigkeiten zwischen Genossenschaft und Mitgliedern sowie letzteren untereinander in den Angelegenheiten der Genossenschaft werden von einem zu bestimmenden Schiedsgericht im Sinne der Zivilprozeßordnung (Gesetz vom 1. August 1895, RGBl. Nr. 113) geschlichtet." Ein Exemplar des Statuts der Beklagten wurde dem Kläger ausgefolgt.
Die vom Kläger am an die Beklagte gelieferte Milch war verwässert. Mit Beschluß vom verhängte der Vorstand der Beklagten gemäß § 14 Z. 8 des Statuts der Beklagten über den Kläger eine Geldbuße von 20 000 S. Der dagegen erhobenen Berufung des Klägers gab der Aufsichtsrat der Beklagten in der Sitzung am keine Folge. In dem wegen dieses Vorfalles zu U 805/78 des Bezirksgerichtes Feldkirch eingeleiteten Strafverfahren wurde der Kläger mit Urteil vom vom Vorwurf eines Vergehens nach § 63 LMG gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Der Kläger lehnt die Bezahlung der Geldbuße von 20 000 S ab. Die Beklagte will die Geldbuße in vier Raten zu je 5 000 S hereinbringen. Die erste Rate von 5 000 S zog sie am von dem Milchgeldbetrag von 7 728.07 S ab, der dem Kläger laut Abrechnung vom zusteht.
Mit der am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 5 000 S samt 10% Zinsen seit . In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am stellte der Kläger die Zwischenanträge auf Feststellung, 1. daß der Beschluß der Beklagten, mit welchem über ihn eine Geldstrafe von 20 000 S verhängt wurde, rechtswidrig und rechtsunwirksam sei, 2. daß die Statuten der Beklagten, insbesondere deren § 14 Z. 8, mit dem Gesetz nicht im Einklang stunden und daher rechtswidrig seien. Der von der Beklagten vorgenommene Abzug sei unberechtigt. An der Lieferung verwässerter Milch treffe ihn kein Verschulden. Über seine Berufung gegen den Beschluß des Vorstandes der Beklagten vom , mit welchem über ihn eine Geldbuße verhängt wurde, sei bisher noch nicht ordnungsgemäß entschieden worden.
Die Beklagte bestritt das Vorbringen des Klägers und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens sowie der Zwischenanträge auf Feststellung. Da der Kläger nachgewiesenermaßen durch eine Verwässerung von 16% verfälschte Kuhmilch geliefert habe, sei sie gemäß § 14 Z. 8 ihrer Statuten berechtigt gewesen, über ihn eine Geldbuße von 20 000 S zu verhängen und diese in vier Teilbeträgen - wie ihm in ihrem Schreiben vom angedroht worden sei - durch Abzug von den Milchrechnungen hereinzubringen. Gegen die Verhängung einer Geldbuße nach § 14 Z. 8 der Statuten stehe dem Kläger ein Berufungsrecht nicht zu.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am wurde außer Streit gestellt, "daß dem Kläger der Betrag von 5 000 S als Bezahlung der von ihm gelieferten Milch zusteht und daß die beklagte Partei gegen diese an sich zu Recht bestehende Forderung des Klägers einen Teilbetrag von 5 000 S einer über den Kläger vom Vorstand der beklagten Partei verhängten Geldstrafe von insgesamt 20 000 S kompensiert."
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 5 000 S samt 4% Zinsen seit . Das von der Beklagten beschlossene Statut müsse der Kläger als deren Mitglied gegen sich gelten lassen. Die Auferlegung einer Strafe - als solche und nicht etwa als Vertragsstrafe sei die im § 14 Z. 8 des Statuts der Beklagten genannte Geldbuße zu werten - ohne Verschuldensnachweis sei der österreichischen Rechtsordnung fremd. Zwischen den Parteien bestehe eine Streitigkeit, die nach § 55 des Statuts von einem im Sinne der Zivilprozeßordnung zu bestimmenden Schiedsgericht zu schlichten sei. Solange der von der Beklagten behauptete Anspruch vom zuständigen Schiedsgericht nicht rechtskräftig festgestellt sei, könne er nicht gegen die Klageforderung aufgerechnet werden.
Während der Kläger das Unterbleiben eines Zuspruches von weiteren 6% Zinsen sowie einer Entscheidung über die Zwischenanträge auf Feststellung unangefochten ließ, erhob die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von 5 000 S samt 4% Zinsen Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht sei davon auszugehen, daß der Kläger das von der Beklagten beschlossene Statut als deren Mitglied gegen sich gelten lassen müsse und daher insbesondere auch die hier in Betracht kommenden Bestimmungen des Statuts (§ 14 Z. 8 und § 55) für beide Parteien verbindlich seien. Beizupflichten sei der Auffassung des Erstgerichtes, daß hier zwischen den Parteien eine Streitigkeit im Sinne des § 55 des Statuts bestehe. Es sei auch richtig, daß - wie das Erstgericht weiter ausführt - im Kompensationsweg auf einen Anspruch, der vor ein Schiedsgericht gehört, nicht Bedacht genommen werden könne, sofern er nicht vom Schiedsgericht rechtskräftig festgestellt worden ist. Forderungen, die vor ein vereinbartes Schiedsgericht gehören, könnten vor dessen Entscheidung deshalb nicht eingewendet werden, weil eine Kompensation in diesem Falle wegen des im Schiedsvertrag vereinbarten Verzichts auf die gerichtliche Geltendmachung geradezu eine Sanktionierung der Vertragsbrüchigkeit bedeuten würde (JBl. 1957, 647; EvBl. 1964/132; SZ 37/1; Gschnitzer in Klang[2] VI, 502 f.). Die negative Wirkung des Schiedsvertrages zeige sich im Verfahren vor den staatlichen Gerichten als Prozeßhindernis. Im Bereich des zivilgerichtlichen Verfahrens würden die staatlichen Gerichte und die Schiedsgerichte durch die Grenze der heilbaren Unzuständigkeit geschieden. Das bedeute, daß die durch den Schiedsvertrag begrundete heilbare Unzuständigkeit des angerufenen staatlichen Gerichtes von diesem von Amts wegen gemäß § 41 JN nur bei Einlangen der Klage, später nur auf Grund rechtzeitiger, also spätestens bei der ersten Tagsatzung erhobener Einrede wahrgenommen werden dürfe; die Einrede des Schiedsvertrages stelle sich als Einrede der heilbaren sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes dar, die nur im Rahmen des § 240 Abs. 1 ZPO zulässig und beachtlich sei (Fasching III, 167 und IV, 736). Da der Kläger weder behauptet habe, die Gegenforderung unterliege der Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes, noch die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes eingewendet habe, sei auf eine allfällige Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes nicht Bedacht zu nehmen und demnach die Gegenforderung zur Kompensation zuzulassen.
Offenkundiger Sinn und Zweck des § 14 Z. 8 des Statuts der Beklagten sei es, zu gewährleisten, daß deren Mitglieder einwandfreie Milch liefern. Vertragsstrafe sei ein pauschalierter Schadenersatz, der an die Stelle des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung trete. Bei der Geldbuße des Statuts sollten jedoch spezial- und generalpräventive Erwägungen effektiv werden. Der tatsächliche Schaden sei ja im Verhältnis zu der verhängten Geldbuße verschwindend gering. Die Geldbuße sei demnach in erster Linie als eine Strafsanktion zu werten, bei der die sogenannte abschreckende Wirkung zur Erzielung eines vertragstreuen Verhaltens im Vordergrund stehe. In der Satzung könne festgelegt werden, daß über Mitglieder bei Begehung bestimmter Handlungen eine angemessene Strafe zu verhängen sei (Koziol - Welser[5] I, 66; vgl. hiezu auch EvBl. 1979/85). Entgegen dem Standpunkt des Klägers könne sohin nicht erkannt werden, daß die Vorschrift des § 14 Z. 8 des Statuts der Beklagten schlechthin rechtswidrig sei. Das Berufungsgericht sei gleich dem Erstgericht der Ansicht, daß eine Genossenschaftsstrafe ohne Verschulden des betroffenen Mitgliedes nicht zu billigen sei, möge auch die Bestimmung des § 14 Z. 8 des Statuts allein auf die Lieferung verfälschter Milch abstellen, denn der vorherrschende Strafcharakter mit präventiver Zielrichtung dürfe nicht übersehen werden. Das Erstgericht habe hiezu ausgeführt, der Kläger sei vom Strafgericht rechtskräftig freigesprochen worden, weil ihm offensichtlich kein Verschulden nachzuweisen gewesen sei. Demgegenüber sei jedoch darauf hinzuweisen, daß zum einen das Zivilgericht an ein freisprechendes Erkenntnis des Strafgerichtes nicht gebunden sei, und zum andern hier die Vorschrift des § 1298 ABGB Platz greife. Daß der Kläger am stark verwässerte Milch an die Beklagte lieferte, stehe nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens eindeutig und unangefochten fest. Er behaupte, daran treffe ihn kein Verschulden. Er mache also geltend, daß er an der Erfüllung seiner durch das Genossenschaftsstatut festgelegten Pflicht, unverfälschte Milch an die Beklagte zu liefern, ohne seine Schuld gehindert worden sei. Bei Verletzung einer derartigen rechtsgeschäftlichen Pflicht trete im Sinne der angeführten Gesetzesstelle eine Beweislastumkehr ein. Die Beklagte habe nachgewiesen, daß der Kläger statutenwidrig verfälschte Milch lieferte, weshalb der Kläger zu beweisen habe, daß ihn daran kein Verschulden treffe. In diesem Punkte sei das Verfahren erster Instanz unter Bedachtnahme auf die Beweislastumkehr im Sinne des § 1298 ABGB noch ergänzungsbedürftig.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellen wollte, daß die zwischen den Streitteilen bestehende Meinungsverschiedenheit über die Berechtigung der Geldbußenforderung der Beklagten eine Streitigkeit im Sinne des § 55 des Statuts sei und daß die rechtzeitige Erhebung der als Einrede der heilbaren sachlichen Unzuständigkeit zu wertenden Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit die Bedachtnahme der ordentlichen Gerichte auf den auf diese Geldbußenforderung gestützten Schuldtilgungseinwand der Beklagten ausschließe (zur Unterscheidung zwischen Schuldtilgungseinwand und prozessualer Aufrechnungseinrede vgl. Fasching III, 574 f. sowie EvBl. 1972/187, EvBl. 1978/66 und 171 u.a.; zur prozessualen Zulässigkeit der Aufrechnungseinrede vgl. Fasching III, 577), wäre für ihn nichts gewonnen, da seiner Auffassung, er habe die Unzuständigkeit des Erstgerichtes zur Entscheidung über die Gegenforderung der Beklagten rechtzeitig geltend gemacht, nicht gefolgt werden kann. Die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit ist als Einrede der (heilbaren sachlichen) Unzuständigkeit zumindest so deutlich auszuführen, daß das Gericht in die Lage versetzt wird, darüber zu entscheiden; dazu gehört die Behauptung aller Tatsachen in knapper und gedrängter Form, aus denen sich die Unzuständigkeit des Gerichtes ableitet (Fasching III, 167). Diesen Anforderungen wird das nach der Erhebung des Schuldtilgungseinwandes durch die Beklagte erstattete erstinstanzliche Vorbringen des Klägers in keiner Weise gerecht. Es läßt sich weder dem Zwischenantrag des Klägers auf Feststellung, daß der Beschluß der Beklagten, mit welchem über ihn eine Geldstrafe von 20 000 S verhängt wurde, rechtswidrig und rechtsunwirksam sei, und der Begründung dieses Antrages noch dem Vorbringen des Klägers, er habe gegen diesen Beschluß eine Berufung erhoben, über die bisher nicht ordnungsgemäß entschieden worden sei, und der Berufungsschrift selbst entnehmen, daß das Gericht im Hinblick auf § 55 des Statuts zur Entscheidung über das Zurechtbestehen der Geldbußenforderung der Beklagten unzuständig sei. Von Amts wegen konnte das Erstgericht seine heilbare sachliche Unzuständigkeit schon deswegen nicht mehr wahrnehmen, weil es sich bereits in die sachliche Verhandlung über die Gegenforderung der Beklagten eingelassen hatte.
Es ist daher der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes beizupflichten, daß auf die Frage einzugehen ist, ob die von der Beklagten geltend gemachte Gegenforderung zu Recht besteht. Zu dieser Frage führt der Kläger aus: Die im § 14 Z. 8 des Statuts vorgesehene Geldbuße, die nicht als Konventionalstrafe im Sinne des § 1336 ABGB, sondern als Strafe zu werten sei, stehe mit den Bestimmungen des österreichischen Genossenschaftsrechts nicht im Einklang. Wenn sich die Beklagte aber schon auf Grund des Inhalts und der Form der Statuten auf dem Gebiet der Gesetzgebung bzw. der Exekutivgewalt eine Autorität anmaße, habe sie dem von der Verhängung der Strafe Betroffenen ein Verschulden nachzuweisen; § 1298 ABGB sei hier unanwendbar. Ein Verschulden des Klägers sei jedoch bereits vom Strafgericht verneint worden.
Diesen Ausführungen kommt zum Teil Berechtigung zu. Die Satzungen einer Genossenschaft sind aus sich heraus nach objektiven, für die Allgemeinheit voll übersehbaren Gesichtspunkten auszulegen. Maßgebend ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Vertragstext entnehmen kann, nicht aber, was der Normgeber darüber hinaus seinerzeit gewollt hat. Unklare oder eine mehrfache Deutung zulassende Satzungsbestimmungen sind nach ihrem billigen und vernünftigen Sinn so auszulegen, daß bei ihrer Anwendung im konkreten Fall brauchbare Ergebnisse erzielt werden (SZ 47/78 mit weiteren Nachweisen).
Der OGH ist gleich den Vorinstanzen und dem Kläger der Auffassung, daß die im § 14 Z. 8 des Statuts der Beklagten vorgesehene Geldbuße, die der Vorstand der Beklagten über ein Genossenschaftsmitglied "für die Lieferung nachgewiesener verfälschter Kuhmilch" nach Ermessen bis zu einer Höhe von 25 000 S in jedem einzelnen Fall der Übertretung verhängen kann, nicht eine Vertragsstrafe im Sinne des § 1336 ABGB, sondern eine als Disziplinarstrafe anzusehende Geldstrafe ist, die man - analog zur Vereinsstrafe, wie es das Berufungsgericht tat - als Genossenschaftsstrafe bezeichnen könnte. Während die Konventionalstrafe, die typischerweise für einen bestimmten Fall in bestimmter Höhe vereinbart wird und mit dem Eintritt dieses Falles ohne weiteres verwirkt ist, zwei Funktionen hat, nämlich die Ausübung eines indirekten Erfüllungszwanges und die Pauschalierung des Schadenersatzes, kommt der Vereins- bzw. Genossenschaftsstrafe, die für ein bestimmtes Verhalten bis zu einer bestimmten Höhe angedroht und bei Beobachtung dieses Verhaltens nach umfassender Würdigung aller in Betracht zu ziehenden Umstände von einem Vereins- bzw. Genossenschaftsorgan in innerhalb des Strafrahmens bestimmter Höhe verhängt wird, nur die erstgenannte Funktion zu. Die Vereins- bzw. Genossenschaftsstrafe bringt typischerweise eine Mißbilligung zum Ausdruck; sie ist die Reaktion einer sozialen Gruppe auf das Verhalten eines ihrer Mitglieder, das mit den Gruppenanforderungen im Widerspruch steht (Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts[4], 145; derselbe, Zur Rechtmäßigkeit einer Vereinsstrafe, Dietz-GS, 52; vgl. auch Haslinger, Probleme bei der Verhängung betrieblicher Disziplinarmaßnahmen, ZAS 1967, 97 ff.; Spielbüchler, Grundlagen eines betrieblichen Disziplinarstrafrechtes, RdA 1970, 7 ff., insbesondere 9). Hier soll durch die im § 14 Z. 8 des Statuts vorgesehene Verhängung von Geldbußen - worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat - erreicht werden, daß die Genossenschaftsmitglieder einwandfreie, nicht verwässerte Milch liefern, was im eminenten Interesse der beklagten Genossenschaft und aller Genossenschaftsmitglieder liegt (s. § 3 Abs. 1 lit. e,§ 6 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 MarktordnungsG 1967).
Dagegen, daß das Statut der Beklagten in seinem § 14 Z. 8 die Möglichkeit der Verhängung von Geldbußen durch den Vorstand über Genossenschaftsmitglieder vorsieht, die verwässerte Milch liefern, bestehen ungeachtet dessen, daß dies im österreichischen Genossenschaftsrecht nicht ausdrücklich gestattet ist, keine Bedenken (vgl. hiezu außer der schon vom Berufungsgericht zitierten Lehre und Rechtsprechung noch Müller, Kommentar zum deutschen Genossenschaftsgesetz, 225 RN 25 und 234 RN 49). Die Verhängung von Genossenschaftsstrafen durch den Vorstand der Genossenschaft geschieht nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse, sondern im Rahmen des durch Genossenschaftsstatut und Beitrittserklärung begrundeten Privatrechtsverhältnisses zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern (vgl. Larenz, Allgemeiner Teil, 145; derselbe,
Zur Rechtmäßigkeit einer Vereinsstrafe, 55; EvBl. 1979/85). Wenn - wie hier - ein weiterer Rechtszug im Statut nicht vorgesehen ist und über die Frage der Rechtmäßigkeit der Geldbuße auch noch nicht ein Schiedsgericht im Sinne der Zivilprozeßordnung (s. § 55 des Statuts) entschieden hat, unterliegt der Vorstandsbeschluß über die Verhängung der Geldbuße der vollen Überprüfung durch die ordentlichen Zivilgerichte sowohl in tatsächlicher als auch in verfahrens- und materiellrechtlicher Beziehung (vgl. Larenz, Allgemeiner Teil, 146; derselbe, Zur Rechtmäßigkeit einer Vereinsstrafe, 55, 57 f.; EvBl. 1979/85; ebenso jüngst im Anschluß an Spielbüchler, Grundlagen des betrieblichen Disziplinarstrafrechtes, RdA 1970, 77 ff.; und Floretta - Spielbüchler - Strasser, Arbeitsrecht I, 109, die Entscheidung 4 Ob 67/79 betreffend die gerichtliche Überprüfung der Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Arbeitnehmer durch die Disziplinarkommission des Arbeitgebers).
Geht man von den bisherigen Darlegungen zur Auslegung von Genossenschaftsstatuten und zur Beurteilung der im § 14 Z. 8 des Statuts der Beklagten vorgesehenen Geldbuße als Disziplinarstrafe aus, dann ist auch der Meinung der Vorinstanzen und des Klägers beizutreten, daß die Verhängung dieser Geldbuße ein Verschulden des Genossenschaftsmitgliedes voraussetzt (s. Müller a.a.O., 226 RN 25 und 234 RN 49; Larenz, Zur Rechtmäßigkeit einer Vereinsstrafe, 52, 56 f.). Auf die Frage, ob der Kläger seine Schuldlosigkeit an der Lieferung der verwässerten Milch oder die Beklagte dessen Verschulden daran nachzuweisen hat, ist allerdings - wie dem Kläger einzuräumen ist - § 1298 ABGB schon deswegen nicht anwendbar, weil diese Bestimmung über die Beweislastumkehr dem Schadenersatzrecht angehört. Dem Wortlaut des § 14 Z. 8 des Statuts, wonach die Geldbuße "für die Lieferung nachgewiesener verfälschter Kuhmilch" zu zahlen ist, ist eine klare Regelung der das Verschulden des Genossenschaftsmitgliedes betreffenden Beweislastfrage nicht zu entnehmen. Schon deshalb ist - ganz abgesehen von allen anderen grundsätzlichen Erwägungen - im Zweifel nach dem Grundsatz, daß demjenigen, über den eine Strafe verhängt werden soll, das Verschulden nachzuweisen ist, zugunsten des Klägers davon auszugehen, daß die Beklagte das Verschulden des Klägers an der Lieferung der verwässerten Milch zu beweisen hat.
Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren den Sachverhalt, soweit es zur Beurteilung dieser Verschuldensfrage erforderlich ist, mit den Parteien zu erörtern und sodann, nach Aufnahme der in Betracht kommenden Beweise, festzustellen haben, ohne daß es der Freispruch des Klägers durch das Strafgericht - wie dem Berufungsgericht zuzustimmen ist - daran hindern würde, ein Verschulden des Klägers anzunehmen. Erst dann, wenn ein Verschulden des Klägers nicht feststellbar sein sollte, schlüge dies zum Nachteil der Beklagten aus.