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OGH vom 21.10.1987, 1Ob643/87

OGH vom 21.10.1987, 1Ob643/87

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** I***, vertreten durch Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Peter P***, Kaufmann, Innsbruck, Hofgasse 4, vertreten durch Dr. Andreas Herdina, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Herausgabe (Streitwert S 310.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom , GZ. 3 R 73/87-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ. 11 Cg 470/84-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.766,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 978,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte erwarb durch Zuschlag im Versteigerungsverfahren E 200/82 des Bezirksgerichtes Innsbruck Eigentum an der Liegenschaft Innsbruck, Hofgasse 12. In einer Nische in der Straßenfront des Hauses befindet sich eine Statue, die den Burgriesen Niklas Haidl darstellt. Im Gutachten des für die Schätzung beigezogenen Sachverständigen wurde darauf hingewiesen, daß die von Niklas T*** gearbeitete Statue des Riesen an der Fassade, die 1893 von der Stadt erworben und 1904 restauriert wurde, jedenfalls vom Grabe des Riesen stammt. Sie war im Auftrag Erzherzog Siegmunds ausgeführt worden. Die Statue dürfte sich bereits seit der Auflösung des St. Jakobs-Friedhofes 1510 an der Fassade befinden, wofür auch die Gestaltung der Nische spricht. Bei der Schätzung wurde der Wert der Statue nicht einbezogen. Seit dem Jahre 1910 ist bei der Nische eine Tafel angebracht, in der auf das Eigentumsrecht der Stadt Innsbruck und den Rechtsgrund des Erwerbes hingewiesen wird. Die (aus zwei Blöcken gefertigte) Figur ist durch einen Dübel und eine Lagerfuge mit dem Standsockel verbunden. Auf der Rückseite der Figur befindet sich ein mit Blei eingegossenes Vierkanteisen mit einem Querschnitt von 1,2 cm, das waagrecht verläuft und eine Verbindung zwischen dem Rücken der Figur und der Rückwand der Wandnische darstellt. Die Lösung und Abnahme der Figur durch einen sorgfältig arbeitenden Fachmann ist möglich, ohne daß dabei die Nische oder die Figur nennenswert beschädigt wird. Infolge verschiedener altersbedingter Schäden an der Figur wären aber eine Reihe von flankierenden Maßnahmen notwendig.

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Herausgabe der Statue. Diese sei im Jahre 1893 der klagenden Partei von der damaligen Eigentümerin der Liegenschaft geschenkt worden. Die Schenkung sei mit Beschluß der klagenden Partei vom 14. März 1893 angenommen worden. Durch die Anbringung des Schildes habe die klagende Partei die Statue in ihr unwiderrufliches Eigentum übernommen. Im Versteigerungsverfahren sei im Schätzungsgutachten ausdrücklich festgehalten worden, daß die Statue nicht Gegenstand der Versteigerung sei, weil sie im Eigentum der klagenden Partei stehe. Die Statue sei sonderrechtsfähig, sie könne ohne Substanzverlust aus der Nische entfernt werden. Die klagende Partei sei bereit, anstelle des Originals eine Kopie aufzustellen. Der Beklagte wendete ein, die Statue sei mit dem Haus fest verbunden, sie sei ein unselbständiger Bestandteil des Hauses. Die klagende Partei habe auch ihr Eigentumsrecht in der Zwangsversteigerung nicht geltend gemacht, es sei Präklusion eingetreten. Der Beklagte habe jedenfalls gutgläubig Eigentum erworben. Die Äußerungen des Sachverständigen im Versteigerungsverfahren seien rechtlich ohne Bedeutung, das Gutachten sei dem Beklagten nicht zur Kenntnis gebracht worden. Das Schild sei kaum lesbar. Eine Übergabe gemäß § 427 ABGB an die klagende Partei sei nicht erfolgt. Das Schild sei erst im Jahre 1904, also zehn Jahre nach dem behaupteten, vom Beklagten aber bestrittenen Rechtserwerb angebracht worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, im Jahre 1893 sei Frau von M*** Eigentümerin des Hauses und der Statue gewesen. Diese habe damals erklärt, sie wolle die Statue ohne Entschädigung der klagenden Partei abtreten, allerdings mit der Auflage, daß die klagende Partei den Armen 300 Gulden widme. In der Sitzung vom 14. März 1893 habe der Gemeinderat der Stadt Innsbruck dieses Anbot dankend angenommen. Die Überweisung des Betrages von 300 Gulden an die Armen sei veranlaßt worden. Eine körperliche Übergabe habe damals nicht stattgefunden. Die Figur sei zunächst unverändert an ihrem Platz in der Nische geblieben. Im Jahre 1904 sei die Figur im Rahmen einer Renovierung der Fassade gereinigt worden. Spätestens seit dem Jahre 1910 befinde sich die Tafel mit der Inschrift "Eigentum der Stadt Innsbruck zufolge Kauf vom 21. 3. 1894" in einer Höhe von 4,1 m angebracht. Die Aufschrift sei von der Straße aus mit freiem Auge ohne weiteres sichtbar und lesbar. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Statue ein selbständiger Bestandteil des Hauses sei. Sie sei daher sonderrechtsfähig und teile nicht notwendig das Schicksal der Hauptsache. Die klagende Partei habe durch Erklärung Eigentum erworben. Der Beklagte habe mangels Gutgläubigkeit im Versteigerungsverfahren Eigentum nicht erworben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 300.000,-- übersteige. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen. Für die Unterscheidung zwischen selbständigem und unselbständigem Bestandteil sei nicht allein die physische Möglichkeit der Abtrennung entscheidend, es komme vorwiegend auf die wirtschaftliche Tunlichkeit der Absonderung und auf die Möglichkeit der Wiederherstellung einer selbständigen Sache an. Würde durch die Absonderung das Wesen der Hauptsache oder des Bestandteils derart verändert werden, daß nach der Absonderung Hauptsache oder Bestandteil wirtschaftlich etwas ganz anderes seien als vor der Absonderung, handle es sich um einen unselbständigen Bestandteil. Selbständige Bestandteile seien sonderrechtsfähig und könnten daher trotz ihrer Verbindung Gegenstand einer selbständigen Berechtigung sein. Der selbständige Bestandteil werde vom rechtlichen Schicksal der Sache, deren Teil er sei, nur dann erfaßt, falls an ihm kein Sonderrechtsverhältnis bestehe. Die Statue sei als selbständiger Bestandteil des Hauses des Beklagten anzusehen, da sie mit vertretbarem Aufwand und ohne Verletzung der Substanz vom Haus getrennt und als selbständige Sache in Verwendung genommen werden könne. Diese Statue würde ebenso wie das Gebäude im Falle der Absonderung ihr Wesen nicht verändern. Es habe daher auch während ihrer Verbindung mit der Hauptsache gesondertes Eigentum an ihr erworben werden können. Eine körperliche Übergabe der Statue sei mit Rücksicht auf ihr Gewicht, ihre Verankerung mit dem Gebäude und der Absicht der klagenden Partei, sie beim angestammten Haus zu belassen, unzweckmäßig gewesen. Eine sogenannte symbolische Tradition nach § 427 ABGB könne durchaus auch durch eine Tafel mit dem Hinweis auf das Eigentumsrecht der klagenden Partei stattfinden. Ein solches Zeichen brauche nicht für jedermann, sondern nur für den Interessenten erkennbar sein. Die von der klagenden Partei angebrachte Tafel habe diesen Erfordernissen genügt. Übertragungs- und Aneignungshandlung könnten zeitlich auseinanderfallen. Es genüge, daß der Traditionswille noch im Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe fortwirke. Die Statue sei im Versteigerungsverfahren nicht als Liegenschaftszubehör beschrieben worden. Sie sei in den Versteigerungsbedingungen und im Versteigerungsedikt nicht als Gegenstand der Versteigerung bezeichnet worden. Der Beklagte sei auch nicht gutgläubig gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Als Bestandteile bezeichnet man die Teile einer zusammengesetzten Sache; ist die Verbindung von Teilen mit der Hauptsache so eng, daß sie von dieser tatsächlich nicht oder nur durch eine unwirtschaftliche Vorgangsweise abgesondert werden könnten, spricht man von unselbständigen Bestandteilen, die sonderrechtsunfähig sind; lassen sich die Bestandteile hingegen tatsächlich und wirtschaftlich von der Restsache trennen, nennt man sie selbständige Bestandteile; diese sind sonderrechtsfähig, müssen also nicht notwendigerweise das sachenrechtliche Schicksal der Hauptsache teilen (JBl 1986, 724; SZ 57/166; SZ 55/105; HS 8355; Koziol-Welser7 II 11; Klang2 II 14; Pimmer in Schwimann, ABGB, Rz 7 zu § 294). Würde durch die Absonderung das Wesen der Hauptsache oder des Bestandteiles so verändert, daß die nach der Absonderung verbliebene Hauptsache oder der abgelöste Bestandteil wirtschaftlich als etwas anderes anzusehen wäre als vor der Absonderung, dann liegt ein unselbständiger Bestandteil vor (HS 8355; SZ 40/32). Dies ist hier nicht der Fall. Die Entfernung der Statue aus der Nische ist mit wirtschaftlichen Mitteln technisch möglich. Die Identität des Hauses und der Statue bleiben gewahrt. Auch der Hinweis auf die Verkehrsauffassung, der hauptsächlich für die Abgrenzung von Bestandteil und Zubehör maßgeblich ist (SZ 40/104; Klang aaO 14), spricht nicht für einen unselbständigen Bestandteil: Es kommt, sei es aus Gründen der Sicherung vor Diebstählen oder des Schutzes von schädlichen Umwelteinflüssen, immer wieder vor, daß wertvolle Originalstatuen und Plastiken, die an der Fassade von Häusern angebracht oder aufgestellt sind, entfernt und durch eine Kopie ersetzt werden, um in einem Museum aufgestellt werden zu können. Zur Herstellung einer Kopie hat sich aber die klagende Partei ausdrücklich bereit erklärt. Die sonderrechtsfähige Statue mußte daher nicht notwendig das rechtliche Schicksal des Ganzen teilen. Der Beklagte erwarb auch nicht im Exekutionsweg Eigentum an der Statue. Selbständiger Bestandteil und Zubehör stehen einander rechtlich gleich (HS 8355; JBl 1967, 85; Ehrenzweig2 I/2, 39; Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 294; Heller-Berger-Stix 458). Am Zubehör erwirbt der (gutgläubige) Ersteher nur dann Eigentum, wenn es im Schätzungsprotokoll, in den Versteigerungsbedingungen und im Versteigerungsedikt als solches angeführt ist (SZ 57/166; SZ 57/192 mwN). Würde nun bei einem selbständigen Bestandteil wie bei einer in einer Mauernische einer Fassade angebrachten Statue in dem der Schätzung zugrundeliegenden Gutachten ausdrücklich auf das Eigentumsrecht der klagenden Partei hingewiesen und daher der Wert der Statue in den Schätzwert der Liegenschaft nicht einbezogen, dann bildete dieser sonderrechtsfähige Bestandteil keinen Gegenstand der Versteigerung. Schon aus diesem Grund konnte der Beklagte Eigentum an der Statue nicht erwerben. War die Statue aber nicht Gegenstand der Liegenschaftsexekution, erübrigt sich ein Eingehen darauf, ob und welche Rechtsfolgen an die Unterlassung der Anmeldung des Eigentumsrechtes der klagenden Partei gemäß § 170 Z 5 EO zu knüpfen wären.

Auch die Ansicht des Beklagten, die klagende Partei sei nicht Eigentümerin der Statue geworden, kann nicht geteilt werden. Soweit er in diesem Zusammenhang rügt, die Vorinstanzen hätten Beweislastregeln unrichtig angewendet, bekämpft er in Wahrheit deren irrevisible Beweiswürdigung. Eine Übergabe beweglicher Sachen durch Zeichen nach § 427 ABGB ist immer dann zulässig, wenn eine körperliche Übergabe zufolge der Beschaffenheit, Lage oder Verbindung der Sache wirtschaftlich untunlich ist (HS 7252/38; Spielbüchler aaO Rz 3 zu § 427; Klang aaO 318; Koziol-Welser aaO 24). Bei einer 500 kg schweren Statue wurden vom Obersten Gerichtshof die Voraussetzungen des § 452 ABGB, der auf § 427 ABGB verweist, als gegeben angenommen (SZ 9/199). Nichts anderes hat hier zu gelten. Das Gewicht der Statue wurde zwar nicht festgestellt, die Statue ist aber aus zwei Blöcken gefertigt; ihre Lösung und Abnahme stellt einen komplexen Vorgang dar, der besonderer Maßnahmen bedarf. Eine körperliche Übergabe erschien daher untunlich. Die Anbringung einer Tafel mit dem Namen des Erwerbers und dem Hinweis auf seinen Rechtsgrund ist ein im Sinn des § 427 ABGB geeignetes Zeichen (EvBl 1967/357; SZ 38/190; Spielbüchler aaO Rz 6 zu § 427). Nicht nur Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft, auch sachenrechtlich bedeutsame Übergabe und Übernahmshandlung können zeitlich auseinanderfallen (SZ 47/27; Spielbüchler aaO Rz 2 zu § 426; Pimmer aaO Rz 4 zu § 426). Das zugrundeliegende entgeltliche Verpflichtungsgeschäft bildete aber einen hinreichenden Titel zur Eigentumsübertragung.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.