zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 14.05.1996, 4Ob2087/96g

OGH vom 14.05.1996, 4Ob2087/96g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Griß und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****verband ***** vertreten durch Dr.Marcella Prunbauer und Dr.Andreas Peyrer-Heimstätt, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei W*****GesellschaftmbH, ***** vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 2 R 133/94-26, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 144 Abs 3 GewO (1994) muß bei der Ausübung der Rechte gemäß Abs 1 und 2 der Charakter des Betriebes als Gastgewerbebetrieb gewahrt bleiben und es dürfen keine zusätzlichen Hilfskräfte und keine zusätzlichen Räumlichkeiten verwendet werden. Nach den Feststellungen vermittelt der Kassenbereich der Tankstelle den Charakter eines Supermarkts und nicht den eines Gastgewerbebetriebes oder einer Tankstelle. Die Beurteilung der Vorinstanzen, daß der Beklagten die Rechte nach § 144 Abs 1 und 2 GewO nicht zustehen, folgt daher schon aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, so daß trotz Fehlens einer Rechtsprechung zu § 144 Abs 3 GewO keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt.

Nach den Feststellungen betreibt die Beklagte zwar ein Buffet; dieses ist jedoch in einem Supermarkt untergebracht, dessen Verkaufsregale und Verkaufsständer den Charakter des Raumes bestimmen. Auch wenn daher Tankstellenbuffets nur für einen kurzen Aufenthalt während der Bedienung des Kraftwagens gedacht und entsprechend bescheiden ausgestattet sind, ändert dies nichts daran, daß die Beklagte nach dem vom Erstgericht festgestellten Charakter ihres Betriebes eine Tankstelle und einen Supermarkt mit (kleinem) Buffet betreibt und nicht in einem Tankstellenbuffet auch Waren verkauft.

Gemäß § 55 Abs 3 EO kann das Gericht die ihm nötig erscheinenden Aufklärungen auch ohne Vermittlung der Parteien oder sonstigen Beteiligten einholen und zu diesem Zwecke von Amts wegen alle hiezu geeigneten Erhebungen pflegen und nach Maßgabe der Vorschriften der Zivilprozeßordnung die erforderlichen Bescheinigungen oder Beweisaufnahmen anordnen. Diese Befugnis wird zur Verpflichtung, wenn nach der Lage des Falls eine verläßliche Klärung die Stellungnahme des Antragsgegners erfordert, insbesondere dem letzteren ein erheblicher Nachteil entstehen kann. In solchen Fällen kann die Unterlassung der Einvernehmung des Gegners einen Verfahrensmangel bilden (Heller/Berger/Stix, Kommentar zur Exekutionsordnung4, 626).

Die Beklagte hat im Rekurs nicht gerügt, daß sie dem Lokalaugenschein nicht beigezogen wurde. Der behauptete Mangel kann daher im Revisionsrekursverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (s Kodek in Rechberger, ZPO § 503 Rz 3).

Gemäß § 55 Abs 2 EO hat der Antragsteller alle für eine beantragte richterliche Entscheidung oder Verfügung wesentlichen Umstände zu beweisen. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen fallen jedenfalls in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes, so daß überschießende Feststellungen gar nicht vorliegen (s Rechberger in Rechberger, ZPO vor § 266 Rz 32 mwN). Mit ihren Ausführungen zu diesem Rechtsmittelgrund bekämpft die Beklagte in Wahrheit die Beweiswürdigung des Erstgerichtes; dies ist im Revisionsrekursverfahren unzulässig.

Die Erwerbsfreiheit kann durch Gesetz beschränkt werden, wenn die Einschränkung im öffentlichen Interesse geboten ist; die beschränkende Maßnahme muß zur Verwirklichung dieses öffentlichen Interesses geeignet und adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sein (Mayer, B-VG Kurzkommentar 385; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7 Rz 1386; Öhlinger, Verfassungsrecht**2, 308, jeweils mwN). Bei Beschränkungen der Erwerbsausübung steht dem Gesetzgeber ein größerer Gestaltungsspielraum (als bei der Regelung des Antritts einer Erwerbsbeteiligung) offen; eine derartige Beschränkung ist nur dann verfassungswidrig, wenn das verfolgte Ziel "keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend" anzusehen ist (VfSlg 11.558; Mayer aaO 386f).

Die von der Beklagten als verfassungswidrig bekämpften Bestimmungen regeln die Erwerbsausübung. Daß der Gesetzgeber mit der Festlegung der Nebenrechte von Gastgewerbetreibenden und Tankstellenbetreibern und der Regelung der Öffnungszeiten von Tankstellen den ihm offenstehenden weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum (Mayer aaO) überschritten hätte, ist nicht zu erkennen.