OGH vom 12.07.2005, 5Ob122/05k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang M*****, vertreten durch Dr. Wetzl & Partner, Rechtsanwälte in Steyr, gegen die beklagte Partei Dr. Josef L*****, wegen Unterlassung und Beseitigung (Gesamtstreitwert EUR 36.000,--), über den Rekurs des Klägers und die ordentliche Revision des Beklagten gegen den Beschluss und das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz vom , GZ 3 R 193/04d-20, womit das Urteil des Landesgerichts Steyr vom , GZ 26 Cg 119/03z-16, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision des Beklagten wird nicht Folge gegeben.
Dem Rekurs des Klägers wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil - einschließlich seiner bestätigten Teile insgesamt - wie folgt lautet:
„1. Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, ab sofort die Benutzung seines Wohnungseigentumsobjektes N/II/LI im Haus *****Straße 2 der EZ ***** als Nachtcafé oder Vereinslokal zu unterlassen, wird abgewiesen.
2. Das Eventualbegehren, der Beklagte sei schuldig, es ab sofort zu unterlassen, dass sein Wohnungseigentumsobjekt N/II/LE im Haus *****Straße 2 der EZ ***** zur Bewirtung und Verabreichung von Getränken und/oder Speisen außerhalb der Offenhaltezeiten gemäß OÖ Öffnungszeitenverordnung 2003 verwendet oder benutzt wird, wird abgewiesen.
3. Der Beklagte ist bei Exekution schuldig, die Beseitigung zweier Heizleitungsrohre zu veranlassen, die im Keller des Hauses *****Straße 2 unmittelbar vor der ursprünglich bestehenden Zuleitung von Heizwärme in das Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten N/II/LI im Haus *****Straße 2 der EZ ***** mit den beiden allgemeinen Heizleitungssträngen des Hauses verbunden sind und mit einer Rohrstärke von 5/4 Zoll über einen Kellergang und einen Kellerraum (beide zu den allgemeinen Teilen des Hauses gehörig) in das genannte Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten führen und den Zustand vor Einschweißen dieser Rohre in die allgemeinen Heizungsstränge und Verlegen dieser Rohre in den allgemeinen Teilen des Hauses wieder herzustellen.
4. Der Beklagte ist bei Exekution schuldig, jede weitere Ableitung von Wärme aus dem allgemeinen Teil des Heizleitungssystems des Hauses *****Straße 2 N/II/LI der EZ ***** durch Einschweißen von Heizleitungsrohren in das allgemeine Heizleitungssystem des Hauses ohne die erforderliche Zustimmung der Wohnungseigentümer zu unterlassen.
5. Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten EUR 10.621,58 (darin EUR 1.205,40 an Umsatzsteuer und EUR 1.048,32 an Barauslagen) an Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen vierzehn Tagen zu ersetzen."
Text
Entscheidungsgründe:
Die Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *****. Die Wohungseigentumsanlage umfasst mehrere Gebäudekomplexe mit ca. 400 Wohneinheiten, für welche ca. 176 gemeinschaftseigene Parkplätze zur Verfügung stehen.
Mit dem Miteigentumsanteil des Beklagten ist das Wohnungseigentum an einem im Erdgeschoß des betreffenden Hauses befindlichen Geschäftslokal verbunden. Dieses Geschäftslokal ist Teil einer Geschäftszeile, in welcher sich weiters ein Friseur, ein Lebensmittelgeschäft, eine Trafik und eine Bäckerei befinden. Der Bäckerei ist ein Buffet angeschlossen, welches von Montag bis Freitag bis 22.00 Uhr und am Samstag bis Mittag geöffnet ist.
Das Objekt des Beklagten ist im Wohnungseigentumsvertrag von 1975 (unspezifiziert) als Geschäftslokal gewidmet, welches im Jahre 1990 als Fleischwarengeschäft vermietet und wovon dann im Jahre 1998 ein Teil von 35 m² als Bäckereigeschäft untervermietet worden war; diese Geschäfte hatten zu normalen Geschäftszeiten offen.
In der Hausordnung der Hausgemeinschaft ist ab 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr volle Nachtruhe vorgesehen.
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Steyr vom erhielt der Beklagte für sein Lokal aufgrund des gewerbebehördlichen Feststellungsverfahrens gemäß § 359b GewO die Betriebsanlagengenehmigung für eine Betriebszeit von 07.00 bis 23.00 Uhr.
Der Beklagte hat sein Geschäftslokal an Sedat E***** vermietet, der darin seit April 2003 ein öffentliches Gastlokal führt mit einem ca. 80 m² großen Gastraum, in welchem sich 12 Tische mit etwa 50 bis 60 Verabreichungsplätzen befinden. Der Eingang liegt auf der Seite der Geschäftsfront. Es handelt sich um ein Lokal, welches von Männern hauptsächlich türkischer Herkunft und Mitgliedern des Friedensclubs "I*****" besucht, in dem auch Alkohol ausgeschenkt wird, es keine offiziellen Öffnungszeiten gibt und welches trotz des Bescheids der Gewerbebehörde oft bis in die frühen Morgenstunden geöffnet hat. Aufgrund dieses Gastlokalbetriebs kommt es insbesondere zu einer Lärm- und Geruchsbeeinträchtigung der Wohnungseigentümer sowie zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen und einer erheblichen Parkplatzverknappung. Für diese Lokalnutzung hat der Beklagte weder eine Genehmigung der anderen Miteigentümer noch einen Antrag im Außerstreitverfahren auf Widmungsänderung eingebracht.
Alle Wohnungseigentumseinheiten werden mittels Ölheizung von der Heizzentrale versorgt, die sich im Haus Porschestraße 9 befindet. An dem mit Absperrventilen versehenen Leitungsteil, über welchen das Objekt des Beklagten versorgt wird, sind im Zusammenhang mit dem vom Beklagten beauftragten Einbau einer Abluftanlage für das Lokal an die zu den allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage gehörigen Heizleitungsstränge zusätzlich 2 isolierte Leitungen (5/4 Zoll Durchmesser) angeschweißt worden, die durch eine Wand und zwei Kellerräume in das Objekt des Beklagten führen; eine Zustimmung der anderen Miteigentümer liegt dafür nicht vor.
Der Kläger stellte die im Spruch wiedergegebenen Haupt- und Eventualbegehren mit der wesentlichen Begründung, dass die nunmehrige Nutzung des Objekts des Beklagten als Nacht- und Vereinslokal eine der bisherigen Widmung widersprechende, die Grenzen des Verkehrsüblichen überschreitende und daher im Sinne des § 16 WEG genehmigungsbedürftige Widmungsänderung darstelle, der die Miteigentümer nicht zugestimmt hätten und die auch nicht gerichtlich genehmigt sei. Der Betreiber des Lokals halte sich weder an Sperrstunden noch an nachbarrechtliche Vorschriften oder an die Hausordnung, sodass es zu unzumutbarem Lärm und weiteren Beeinträchtigungen der Wohnungseigentümer komme. Das Einschweißen der beiden zusätzlichen Rohrleitungen sei ebenfalls ohne Zustimmung der Miteigentümer erfolgt und könne zu einer Störung bzw Beschädigung des Heizsystems führen.
Der Beklagte bestritt dieses Vorbringen und beantragte Abweisung der Klagebegehren. Eine bestimmte Widmung sei für sein Objekt nie vereinbart worden. Der Kläger sei von allfälligem Lärm oder sonstigen Störungen aufgrund der Lage seines Objektes nicht betroffen. Durch die zusätzlichen Rohrleitungen komme es zu keiner Beeinträchtigung der übrigen Miteigentümer; vielmehr ergebe sich durch den eingebauten Heizlüfter und die neue Isolierung des Lokals eine Energieersparnis.
Das Erstgericht gab allen (Haupt-)Begehren statt; es erörtete rechtlich, dass die gewerbebehördlich genehmigten und die tatsächlichen Öffnungszeiten weit über normale Geschäftszeiten hinausgingen und ein neuer Kundenkreis angesprochen werde, weshalb eine Widmungsänderung im Sinne des § 16 WEG vorliege, die im Hinblick auf die betriebsbedingte Parkplatzverknappung, das erhöhte Verkehrsaufkommen und die Lärmbelästigungen zu einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Miteigentümer führen könne und daher nicht geduldet werden müsse. Das Anbringen der beiden zusätzlichen Heizrohre sei im Zusammenhang mit dem Lokalbetrieb erfolgt und stelle schon aus diesem Grund ebenfalls eine unzulässige Eigenmacht dar, ohne dass daher die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG hätten geprüft werden müssen.
Der Berufungsgericht bestätigte die Stattgebung der Begehren auf Beseitigung der Heizleitungsrohre und künftige Unterlassung weiterer Ableitungen; im Umfang des ersten Hauptbegehrens betreffend die Unterlassung der Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts des Beklagten als Nachtcafé oder Vereinslokal hob es das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht auf. Auch das Berufungsgericht ging - zusammengefasst - vom Vorliegen einer genehmigungsbedürftigen Änderung der Betriebsform aus, erachtete aber den Beklagten nicht als unmittelbaren Störer, von dem deshalb nicht selbst die Unterlassung des Betriebs, sondern nur ein Einwirkung auf dessen Bestandnehmer verlangt werden könne; diesen bislang unbedachten Umstand habe das Erstgericht mit dem Kläger zu erörtern, um diesem die entsprechende Änderung seines Begehrens zu ermöglichen. Da die Montage der zusätzlichen Heizrohre im Zusammenhang mit der eigenmächtigen Änderung der Betriebsform erfolgt sei, habe das Erstgericht dem darauf gerichteten Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehren zutreffend schon ohne Prüfung der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG stattgegeben. Das Berufungsgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige EUR 20.000 und es sei gegen den Aufhebungsbeschluss der Rekurs sowie gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung die Revision zulässig, weil der Frage nach dem Vorliegen einer unzulässigen Widmungsänderung im Hinblick auf die Art und Größe der Wohnungseigentumsanlage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, insoweit das klagsstattgebende Ersturteil wiederherzustellen, in eventu dem Eventualbegehren stattzugeben. Gegen den bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise stellt der Beklagte einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rechtsmittel sind zulässig, weil die Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Änderung der Widmung eines Geschäftslokals abgewichen sind; beide Rechtsmittel sind aber im Ergebnis nicht berechtigt.
1. Zur Betriebsanlagengenehmigung:
Der Beklagte macht geltend, die Vorinstanzen hätten rechtsirrig die Bindungswirkung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung missachtet. Unstrittig ist die Bindung der Gerichte an rechtsgestaltende Bescheide, also an solche, die selbst eine neue Rechtslage schaffen. Derartige Bescheide binden den Zivilrichter infolge der gegen jedermann wirksamen Änderung der Rechtslage (9 ObA 117/91 = SZ 64/98 = JBl 1992, 664 mwN; 4 Ob 45/95); dies entspricht der "Tatbestandswirkung" des Urteils (4 Ob 209/03v). Diese Tatbestandswirkung besteht in der Tatsache der Verwaltungsentscheidung als Tatbestandsmerkmal. Die hier dem Beklagten erteilte verwaltungsbehördliche Genehmigung bildet aber für die vom Kläger hier geltend gemachten, auf § 523 ABGB beruhenden Begehren kein (anspruchsbegründendes oder -vernichtendes) Tatbestandsmerkmal. Die Vorinstanzen haben auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung nicht etwa selbstständig geprüft, sondern sind vom Vorliegen einer aufrechten Genehmigung ausgegangen. Die Beurteilung auf das Miteigentum gestützter Unterlassungsansprüche fällt dagegen nicht in die Kompetenz der Verwaltungsbehörde.
Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 4 Ob 137/03f = EvBl 2003/185, 895 = JBl 2004, 173 (krit dazu Illedits/Illedits-Lohr, Zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen eine im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO genehmigte Anlage, RdW 2004/6) zur Frage Stellung genommen, ob die Gewährung des Unterlassungsanspruchs trotz Genehmigung der Anlage gegen Art 94 B-VG verstößt. In dieser Entscheidung wird ausgeführt, dass nach Art 94 B-VG die Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt sei und die Gerichte und Verwaltungsbehörden daher nicht zur Entscheidung in derselben Sache berufen sein dürften; dies wäre dann der Fall, wenn die Gewährung des zivilrechtlichen Untersagungsanspruchs dazu führte, dass die im vereinfachten Verfahren erteilte Genehmigung gerichtlich überprüft würde. Dies treffe aber auch dann nicht zu, wenn sowohl im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren als auch im zivilgerichtlichen Verfahren die Unterlassung von Immissionen zum Schutz des Nachbarn angestrebt werde. Im Verwaltungsverfahren richte sich nämlich der Anspruch des Nachbarn gegen die Behörde; sie habe seine Interessen bei der Genehmigung der Anlage entsprechend zu wahren. Anspruchsgegner des zivilgerichtlichen Verfahrens sei hingegen der Anlageninhaber. Ihm gegenüber könne (nur) begehrt werden, dass er Immissionen unterlasse. Wie er einem derartigen Unterlassungsgebot nachkomme, bleibe ihm überlassen; ein - mit der Genehmigung der Anlage unvereinbares - Betriebsverbot dürfe nicht erlassen werden. Allerdings werde bei einer im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO bewirkten Genehmigung einer Anlage mangels Parteistellung des Nachbarn nicht in einem im Sinne des Art 6 EMRK fairen Verfahren über nachbarrechtliche Ansprüche entschieden, weshalb § 364a ABGB verfassungskonform dahin ausgelegt werden müsse, dass eine in einem solchen vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO genehmigte Anlage keine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB sei. Weiter muss diese Frage hier nicht vertieft werden, weil der Kläger mit seinen Begehren - worauf noch zurückzukommen sein wird - ohnehin keine Immissionen (Emissionen) bekämpft und auch kein (generelles) Betriebsverbot anstrebt.
Der vom Beklagten behauptete Vorfragen- bzw Bindungskonflikt liegt demnach nicht vor.
2. Zur Änderung der Betriebsform:
2.1. Mit einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB kann jeder einzelne Teilhaber einen eigenmächtigen Eingriff eines Mit- bzw Wohnungseigentümers in das gemeinsame Eigentum im streitigen Rechtsweg abwehren (5 Ob 86/03p = immolex 2003, 295 = JBl 2004, 238 mzN); ein solcher Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch kann auch aus einer eigenmächtigen und insofern rechtswidrigen Widmungsänderung resultieren (5 Ob 227/04z = EWr W/16/10 = RdW 2005/187; 5 Ob 99/99s = MietSlg 51.522). Eine solche Widmungsänderung kann im Sinne des § 16 Abs 2 WEG 2002 (§ 13 Abs 2 WEG 1975) in der Änderung des Gegenstands und der Betriebsform des im Wohnungseigentumsobjekt geführten Unternehmens bestehen (5 Ob 207/01d = wobl 2004/40 = MietSlg 53.509 = EWr II/13/154; 5 Ob 99/99s = MietSlg 51.522; 5 Ob 402/97x = RdW 1998, 545), weil dadurch Rechte und rechtlich geschützte Interessen sowohl der Gemeinschaft als auch jedes einzelnen Wohnungseigentümers berührt werden können (5 Ob 227/04z = EWr W/16/10 = RdW 2005/187; MietSlg 40/16; 5 Ob 1028/92 = MietSlg 44.620 = WoBl 1993/49, 61 [Call]; RIS-Justiz RS0083132).
2.2. Die Genehmigungsbedürftigkeit einer Widmungsänderung - also die Frage, ob sie überhaupt dem § 16 Abs 2 WEG 2002 zu unterstellen ist - hat der Prozessrichter als Vorfrage einer Entscheidung über die Berechtigung eines darauf gestützten Unterlassungsbegehrens im Sinne des § 523 ABGB selbst zu beurteilen ist (5 Ob 227/04z = EWr W/16/10 = RdW 2005/187; 5 Ob 380/97m = MietSlg 49.498; RIS-Justiz RS0082156); dagegen ist die Genehmigungsfähigkeit vom Streitrichter - auch als Vorfrage - nicht zu prüfen (5 Ob 227/04z = EWr W/16/10 = RdW 2005/187; 5 Ob 207/01d = wobl 2004/40 = MietSlg 53.509 = EWr II/13/154; 5 Ob 380/97m = MietSlg 49.498).
2.3. Die Zulässigkeit einer Widmungsänderung kann nur beurteilt werden, wenn man die gültige Widmung des betreffenden Objekts der beabsichtigten Verwendung - gemessen an den typischen Auswirkungen einer solchen Änderung - gegenüberstellt. Ansatzpunkt der Überlegung muss daher sein, welche Widmung derzeit für ein Objekt besteht. Das erfordert den Rückgriff auf die vertragliche Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer. Allein dieser Widmungsakt gibt Auskunft über die bestehende Rechtslage (RIS-Justiz RS0101800). Während bei einer Verwendung eines Wohnungseigentumsobjekts als Geschäftslokal eine Änderung des Gegenstands und der Betriebsform bereits dann als Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG 2002 zu werten ist, wenn eine spezifizierte Verwendung im Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag festgelegt wurde (vgl Würth in Rummel³ § 13 WEG Rz 6a; Markl in Schwimann² § 13 WEG 1975 Rz 28), ist dann, wenn die Mit- und Wohnungseigentümer nichts festgelegt haben, die Umwandlung des Gegenstands und der Betriebsform des im Wohnungseigentumsobjekt geführten Unternehmens erst dann eine genehmigungsbedürftige Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG 2002, wenn dabei die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden (5 Ob 227/04z = EWr W/16/10 = RdW 2005/187 mwN). Nach der Judikatur liegt also, wenn kein bestimmter Geschäftsbetrieb im Wohnungseigentumsobjekt Vertragsgrundlage des Wohnungseigentumsvertrags war, also keine spezifische Geschäftsraumwidmung besteht, eine unzulässige Widmungsänderung - entgegen der Ansicht des Klägers und der Vorinstanzen - nicht schon dann vor, wenn durch eine Änderung der Geschäftstätigkeit schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer verletzt werden könnten. Liegt keine spezielle Geschäftsraumwidmung und damit keine Einengung der Möglichkeiten der Widmungsänderung vor, dann haben sich die Mit- und Wohnungseigentümer schon bei der Begründung des Wohnungseigentums mit jeglicher Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt und sind deshalb zur Abwehr "eigenmächtiger" Änderungen nur dort berechtigt, wo die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden (5 Ob 227/04z = EWr W/16/10 = RdW 2005/187 mwN; Illedits, Das Wohnungseigentum² Rz 327).
2.4. Unter dem (unspezifizierten) Begriff „Geschäftslokal" ist ganz allgemein ein der gewerblichen Nutzung dienendes Objekt zu verstehen; die vom Kläger in seinem Rekurs - zur Verdeutlichung der von ihm nicht gewünschten Änderung - angestellte Differenzierung in „Geschäftslokal" und (den unüblichen Begriff) „Gastronomielokal" ist nicht vorzunehmen. Schon zu 5 Ob 227/04z = EWr W/16/10 = RdW 2005/187 hat der Oberste Gerichtshof mit dem Begriff „Geschäftslokal" auch das Gastgewerbe in der Betriebsart einer Imbissstube (zur Verabreichung von Speisen jeder Art, Verkauf von warmen und kalten Speisen, Ausschank von alkoholischen Getränken) für (grundsätzlich) vereinbar gehalten.
2.5. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen (S. 8 in ON 16) war das Objekt des Beklagten im Wohnungseigentumsvertrag aus 1975 - unspezifisch - als Geschäftslokal gewidmet worden. Der Kläger hat zwar behauptet, diese Widmung sei noch zusätzlich entsprechend der schon seinerzeitigen Nutzung und der Bezeichnung in einem einen integrierenden Bestandteil des Wohnungseigentumsvertrags bildenden Plan mit dem Betriebsgegenstand "Fleischhauerei" festgelegt worden (S. 2 in ON 1; S. 2 in ON 4); das Erstgericht hat dies aber nicht als erwiesen angenommen, führt es doch in seiner Beweiswürdigung verdeutlichend aus, es fehlten Hinweise, dass der Bestandplan Blg ./D Bestandteil des Wohnungseigentumsvertrags geworden sei (S. 10 in ON 16). Es ist daher von einer - unspezifischen - Widmung als Geschäftslokal auszugehen.
2.6. Liegt keine spezielle Geschäftsraumwidmung vor, dann kann der Betrieb eines Gastlokals nicht schon per se eine genehmigungsbedürftige Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG 2002 darstellen. Die Unterlassung dieser Betriebsform an sich wird mit den erhobenen Klagebegehren auch gar nicht begehrt. Mit seinem ersten Hauptbegehren wendet sich der Kläger (nur) gegen den Betrieb „als Nachtcafé oder Vereinslokal" und mit dem dazu erhobenen Eventualbegehren (nur) gegen die Bewirtung und Verabreichung von Getränken und/oder Speisen „außerhalb der Offenhaltezeiten gemäß OÖ Öffnungszeitenverordnung".
2.7. Die für die vorzunehmende Beurteilung nunmehr maßgebliche Betriebsform ist der bewilligte Betrieb eines Gastlokals bis zur verwaltungsbehördlich genehmigten Zeit bis 23.00 Uhr. Es sind nämlich nicht die gerade vom derzeitigen Lokalbetreiber in letzter Zeit allenfalls zu vertretenden Überschreitungen der verwaltungsbehördlichen Bewilligung, sondern die mit der vorgenommenen (Widmungs-)Änderung erfahrungsgemäß und typischerweise verbundenen Beeinträchtigungen maßgeblich (5 Ob 114/85 = MietSlg 38.626). Die (generelle genehmigungsfreie) Zulässigkeit einer Betriebsformänderung darf nicht an - vom Eigentümer des Objekts nicht als zulässig in Anspruch genommenen - Unzukömmlichkeiten mit dem aktuellen Betriebsinhaber scheitern, sondern hat sich an den mit einer durchschnittlichen Betriebsführung verbundenen Auswirkungen zu orientieren. Betrieblichen Exzessen im Einzelfall ist - worauf später zu 2.9. zurückzukommen ist - anders zu begegnen.
2.8. Der Betrieb eines Gastlokals bis zur hier verwaltungsbehördlich genehmigten Zeit bis 23.00 Uhr kann im vorliegenden Fall nicht als verkehrsunüblich angesehen werden. Es wird zwar ein in der Betriebsanlagengenehmigung festgelegter zeitlicher Rahmen nicht jedenfalls und immer auch dessen Verkehrsüblichkeit dokumentieren; in der Regel und ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte wird aber wohl nicht unterstellt werden können, die zuständige Verwaltungsbehörde werde verkehrsunübliche Betriebsbedingungen genehmigen. Im speziellen Fall kann dies unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse auch deshalb nicht angenommen werden, weil das Objekt des Beklagten in einer mehrere Gebäudekomplexe mit ca. 400 Wohneinheiten umfassenden Wohungseigentumsanlage liegt und in derartigen Siedlungen Cafés, Imbisslokale und ähnliche Gastronomiebetriebe mit Öffnungszeiten auch bis 23.00 Uhr geradezu zum üblichen Erscheinungsbild gehören, kann doch daraus allenfalls resultierenden Beeinträchtigungen der Anrainer durch entsprechende verwaltungsbehördliche Auflagen begegnet werden. Das Objekt des Beklagten ist überdies Teil einer Geschäftszeile, in welcher sich weiters ein Friseur, ein Lebensmittelgeschäft, eine Trafik sowie eine Bäckerei befinden, und der Bäckerei ist überdies ein Buffet angeschlossen, welches von Montag bis Freitag bis immerhin 22.00 Uhr geöffnet ist. Ein Geschäftslokal eingeschränkt auf kleine Imbisse, in der Betriebsart Café, mit einem ca. 80 m² großen Gastraum, mit 12 Tischen, etwa 50 bis 60 Verabreichungsplätzen und einer genehmigten Öffnungszeit bis 23.00 Uhr, sprengt unter diesen Umständen den Rahmen des Verkehrsüblichen nicht. Die solcherart geänderte Betriebsform stellt daher schon an sich keine dem § 16 Abs 2 WEG 2002 zu unterstellende Widmungsänderung dar. Auf diesen geänderten Betrieb kann der Kläger sein Unterlassungsbegehren daher nicht erfolgreich stützen.
2.9. Der Kläger hat weiters geltend gemacht, der Lokalbetreiber und Bestandnehmer des Beklagten halte sich weder an Sperrstunden noch an nachbarrechtliche Vorschriften oder an die Hausordnung, sodass es zu unzumutbaren Lärmbelästigungen und weiteren Beeinträchtigungen der Wohnungseigentümer, insbesondere durch die Parkplatzverknappung komme. Solchen Beeinträchtigungen eines Wohnungseigentümers kann gegebenenfalls unter den von der Judikatur dazu entwickelten Grundsätzen im Wege von (Unterlassungs-)Klagen nach §§ 339, 364 Abs 2 und 523 ABGB begegnet werden (vgl Illedits, Das Wohnungseigentum² Rz 389 ff; Rz 406 ff und Rz 414 ff mwN; zur Hausordnung vgl 5 Ob 261/03y = WoBl 2004/85); dem muss hier aber nicht weiter nachgegangen werden, weil solche Beeinträchtigungen nicht Gegenstand der Klagebegehren sind.
2.10. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen betreibt der Bestandnehmer des Beklagten ein „öffentliches" Gastlokal, ohne dass eine Zugangsbeschränkung auf Mitglieder eines bestimmten Vereins feststünde und Sperrstundenüberschreitungen im vom Erstgericht nicht näher festgestelltem Umfang machen aus einem von 07.00 bis 23.00 Uhr genehmigten Lokalbetrieb noch kein „Nachtlokal". Gegenteiliges folgt auch nicht aus der Entscheidung 5 Ob 1028/92 = MietSlg 44.620 = WoBl 1993/49, 61 (Call), weil dort eine im Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag konkret festgelegte Sperrstundenregelung zu beurteilen war.
2.11. Zusammengefasst ergibt sich, dass insgesamt keine eigenmächtige Änderung der Betriebsform vorliegt, womit sich das erste Haupt- sowie das damit verbundene Eventualbegehren - wenngleich nicht im Sinne des von Kläger angestrebten Ergebnisses - als bereits spruchreif erweisen. Da im Rekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts der Grundsatz der Unzulässigkeit der reformatio in peius nicht gilt (Kodek in Rechberger² § 519 ZPO Rz 5; RIS-Justiz RS0043939), ist im Sinne der Anordnung des § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO in der Sache selbst zu entscheiden und mit der Abweisung des ersten Haupt- sowie das damit verbundenen Eventualbegehrens vorzugehen.
3. Zu den zusätzlichen Heizleitungsrohren:
Alle Wohnungseigentumseinheiten der Anlage werden zentral beheizt. An dem mit Absperrventilen versehenen Leitungsteil, über welchen das Objekt des Beklagten versorgt wird, sind im Zusammenhang mit dem vom Beklagten beauftragten Einbau einer Abluftanlage für das Lokal an die zu den allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage gehörigen Heizleitungsstränge zusätzlich zwei Leitungen angeschweißt worden, die durch eine Wand und zwei Kellerräume in das Objekt des Beklagten führen. Diese Maßnahme stellt eine Änderung im Sinne des § 16 WEG 2002 dar, die (auch) allgemeine Teile des Hauses betrifft. Von einer Änderung, die ob ihres Bagatellcharakters „genehmigungsfrei" sein könnte (vgl dazu RIS-Justiz RS0109247), kann hier keine Rede sein, wenn dabei in die zentrale Heizungsanlage des Hauses eingegriffen wird. Die beschriebene Maßnahme bedarf - (auch) völlig unabhängig von der Zulässigkeit des Lokalbetriebs - der Zustimmung aller Wohnungseigentümer oder deren Ersetzung durch den Außerstreitrichter; bis dahin kann der ändernde Wohnungseigentümer im Rechtsweg auf Beseitigung und Unterlassung künftiger Störungen in Anspruch genommen werden (Würth in Schwimann² § 16 WEG Rz 6; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht, § 16 WEG Rz 58f). Die Genehmigungsfähigkeit ist dabei vom Streitrichter - wie schon oben zu 2.2. dargestellt - nicht zu prüfen. Da zur Anbringung der zusätzlichen Heizleitungsrohre weder die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer noch die Genehmigung durch den Außerstreitrichter vorliegt, haben die Vorinstanzen den auf Beseitigung dieser Leitungen sowie Unterlassung künftiger Eingriffe dieser Art gerichteten Begehren im Ergebnis zutreffend stattgegeben, wobei nur der Spruch insoweit zu korrigieren war, als die Zustimmung zur Änderung den Wohnungseigentümern und nicht der Wohnungseigentümergemeinschaft obliegt. Die Revision des Beklagten ist demnach unberechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 (bis zur Klagsausdehnung in ON 4), 43 Abs 1 und 50 ZPO.
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ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2005:0050OB00122.05K.0712.000 |