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OGH vom 08.07.2008, 4Ob120/08p

OGH vom 08.07.2008, 4Ob120/08p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** A/S, *****, vertreten durch Dr. Hans Georg Zeiner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei X***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und andere Rechtsanwälte in Wels, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Auskunft, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Streitwert im Sicherungsverfahren 30.000 EUR), über den ordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom , GZ 6 R 84/08b-15, mit welchem der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 5 Cg 26/08k-6, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin behauptet, über die Werknutzungsrechte für ein bestimmtes Design zu verfügen. Die Beklagte vertreibt in ihren Einrichtungshäusern ähnlich gestaltete Möbel.

Zur Sicherung ihres mit Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten die Vervielfältigung und/oder Nachahmung und/oder Verbreitung des Designs sowie verwechselbar ähnlicher Designs auf Einrichtungsgegenständen zu untersagen. Zur Begründung stützt sie sich einerseits auf den Werkcharakter des Designs und die dadurch bedingte Urheberrechtsverletzung, andererseits auf unlauteres Handeln der Beklagten durch vermeidbare Herkunftstäuschung (Z 13 des Anhangs zum UWG) und sittenwidrige Leistungsübernahme.

Die Beklagte wendet ein, das von ihr verwendete Design sei ein allgemein übliches geometrisches Muster, das nicht von der Klägerin geschaffen worden sei; es unterscheide sich von jenem Design, das der Klage zugrunde liege. Dieses sei im Übrigen kein „Kunstwerk" im Sinn des Urheberrechts, sondern eine einfache Ornamentik und damit Allgemeingut. Weiters gehe aus den von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungsmitteln nicht hervor, dass sie über die Verwertungsrechte verfüge. Jedenfalls dürfe eine einstweilige Verfügung nur gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 100.000 EUR erlassen werden.

Das Erstgericht untersagte der Beklagten die Verbreitung des strittigen sowie verwechselbar ähnlicher Designs und wies das Mehrbegehren auf Verbot der Vervielfältigung und Verbreitung ab.

Punkt 2 seines Beschlusses lautete: „Diese einstweilige Verfügung bleibt nur wirksam, wenn die klagende bzw. gefährdete Partei eine Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 25.000,-- binnen 14 Tagen erlegt." Zur Begründung dieses Ausspruchs führte das Erstgericht aus, das Gericht könne nach § 390 Abs 2 EO die „Bewilligung der einstweiligen Verfügung auch bei ausreichender Bescheinigung des Anspruchs von einer Sicherheitsleistung abhängig machen", wenn Bedenken wegen tiefgreifender Eingriffe in die Interessen des Gegners der gefährdeten Partei bestünden. Das treffe hier aus näher dargestellten Gründen zu.

Die einstweilige Verfügung wurde der Beklagten noch vor dem Erlag der Sicherheit am zu eigenen Handen zugestellt. Am erhob die Beklagte einen Kostenrekurs. Darin führte sie aus, dass der Rekurs gegen das Unterlassungsgebot noch nicht zulässig sei, weil noch nicht abgesehen werden könne, ob die Klägerin die Sicherheitsleistung erlegen werde. Nur in diesem Fall würde die Verfügung überhaupt wirksam. Der Kostenrekurs werde erhoben, um eine Teilrechtskraft der möglicherweise bereits mit der Zustellung wirksam gewordenen Kostenentscheidung zu vermeiden.

Am langte beim Erstgericht ein Schreiben der Klägerin ein, wonach sie die Sicherheitsleistung am eingezahlt habe. Ebenfalls am berichtete der Rechnungsführer des Erstgerichts über den Erlag der Sicherheitsleistung. Daraufhin bestätigte die Erstrichterin mit „AV" vom die Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung.

Am erhob die Beklagte einen Rekurs in der Sache. Das Erstgericht habe ihr am telefonisch mitgeteilt, dass die Klägerin die Sicherheitsleistung erlegt habe. Erst damit habe die Rekursfrist zu laufen begonnen.

Das Rekursgericht gab zwar dem Kostenrekurs Folge, wies aber den in der Sache erhobenen Rekurs als verspätet zurück. Insofern sprach es zunächst aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Aus dem Spruch der angefochtenen Entscheidung ergebe sich, dass das Erstgericht nicht die Bewilligung oder den Vollzug, sondern das Fortbestehen der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht habe. Die einstweilige Verfügung sei daher schon mit ihrer Zustellung wirksam geworden. Aus diesem Grund habe auch die Rekursfrist schon mit der Zustellung zu laufen begonnen, weswegen der mehr als zwei Wochen danach eingelangte Rekurs als verspätet zurückzuweisen sei. Ob die Vorgangsweise des Erstgerichts zulässig gewesen sei, sei nicht zu prüfen. Eine solche Prüfung setze ein zulässiges Rechtsmittel voraus. Gegen diesen Beschluss erhob die Beklagte einen mit einem Antrag nach §§ 528 Abs 2a, 508 ZPO verbundenen ordentlichen Revisionsrekurs. Das Rekursgericht änderte daraufhin seinen Zulassungsausspruch dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Fall fehle. Weiters stellte es der Klägerin die Beantwortung des Revisionsrekurses frei. Die Klägerin erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt. Die Revisionsrekursbeantwortung ist unzulässig.

1. Hat das Gericht die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht, so darf nach § 390 Abs 3 EO mit dem Vollzug der Verfügung nicht vor Nachweis des gerichtlichen Erlags der zu leistenden Sicherheit begonnen werden. Eine in einem Verbot bestehende einstweilige Verfügung wird daher erst wirksam, wenn die Sicherheitsleistung erlegt ist (3 Ob 159/58 = EvBl 1958/260; RIS-Justiz RS0005834). Aus diesem Grund ist der Gegner der gefährdeten Partei vor Erlag der Sicherheit durch die einstweilige Verfügung nicht beschwert; und zwar auch dann nicht, wenn sie ihm vor

ihrem Wirksamwerden - und damit verfrüht (5 Ob 257/66 = EvBl 1967/37;

2 Ob 549/78) - zugestellt wurde (4 Ob 177/01k = RdW 2002, 287 mwN;

RIS-Justiz RS0115713; zuletzt 2 Ob 151/06d; E. Kodek in Angst2 § 390 Rz 14; G. Kodek in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 120 Rz 132;

Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung § 390 EO Rz 1; vgl auch König, Einstweilige Verfügung3 [2007] Rz 5/19). Er könnte allenfalls den vor Erlag der Sicherheitsleistung unzulässigen Vollzugsakt - also die verfrühte Zustellung - bekämpfen (vgl 8 Ob 392/97y = ecolex 1998, 766).

Hätte sich das Erstgericht im Spruch seiner Entscheidung an den Wortlaut des Gesetzes gehalten, bestünde nach dieser Rechtslage kein Zweifel, dass die einstweilige Verfügung erst mit Erlag der Sicherheitsleistung wirksam geworden wäre, die Rekursfrist daher frühestens zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen hätte und der Rekurs damit rechtzeitig gewesen wäre (vgl zum Fristbeginn die unterschiedlichen Auffassungen von E. Kodek aaO § 390 Rz 14, G. Kodek aaO § 390 Rz 113 und König aaO Rz 5/19).

2. Das Erstgericht hat allerdings ausgesprochen, dass die einstweilige Verfügung nur wirksam „bleibe", wenn die Klägerin „binnen 14 Tagen" eine Sicherheitsleistung von 25.000 EUR erlege. Dieser Wortlaut lässt nur die Deutung zu, dass die einstweilige Verfügung sofort wirksam werden sollte; die Wirksamkeit war mit dem Nichterlag der Sicherheitsleistung innerhalb der gesetzten Frist auflösend bedingt.

2.1. Es trifft zwar zu, dass die Entscheidungsgründe zur Auslegung des Spruchs heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0000300). Diesen Gründen ist nicht zu entnehmen, warum das Erstgericht eine derart ungewöhnliche Vorgangsweise wählte. Vielmehr beschränkte es sich auf die Wiedergabe von § 390 Abs 2 EO, wonach die „Bewilligung" der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden könne. Daraus könnte allenfalls abgeleitet werden, dass das Erstgericht ohnehin nur eine dem Gesetz entsprechende Entscheidung treffen wollte. Dem steht aber die eindeutige Formulierung des Spruchs entgegen. Das Erstgericht hat nicht nur ausgesprochen, dass die einstweilige Verfügung nur bei Erlag einer Sicherheitsleistung aufrecht „bleibe", was zwingend deren sofort eintretende Wirksamkeit voraussetzt. Es hat auch - folgerichtig - eine Frist für den Erlag der Sicherheit gesetzt, die ansonsten nicht notwendig gewesen wäre (E. Kodek aaO § 390 Rz 13; G. Kodek aaO § 390 Rz 124; König aaO Rz 5/16; Zechner aaO § 390 Rz 1; RIS-Justiz RS0005561). Weiters hat es die sofortige Zustellung zu eigenen Handen des Beklagtenvertreters verfügt, was mit der Annahme einer zunächst noch unwirksamen Verfügung unvereinbar wäre.

2.2. Damit besteht aber, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, kein Zweifel am Aussagegehalt des Spruchs. Die Bedachtnahme auf die Entscheidungsgründe kann nicht dazu führen, dass die Entscheidung einen Inhalt bekommt, der mit der Formulierung des Spruchs geradezu im Widerspruch steht (9 Ob 59/03x = RIS-Justiz RS0000300 [T18]; vgl auch RIS-Justiz RS0000300 [T3, T 6, T 15]). Der Wille des konkreten Entscheidungsorgans, der hier möglicherweise aus dem erst nach Erlag der Sicherheit gesetzten Vermerk über die Vollstreckbarkeit erschlossen werden könnte, in diesem Fall aber im Spruch keine Deckung fände, ist für die Auslegung unerheblich (RIS-Justiz RS0000234).

2.3. Eine bewusst gesetzwidrige Vorgangsweise wird dem Erstgericht mit dieser Auslegung seiner Entscheidung - anders als im Revisionsrekurs behauptet - nicht unterstellt. Denn das Gericht kann eine Sicherheitsleistung auch erst nachträglich - in diesem Fall unter Setzung einer Frist (G. Kodek aaO § 390 Rz 125 mwN) - auferlegen (5 Ob 347/65 = SZ 39/32; RIS-Justiz RS0005720). Dafür ist zwar in der Regel eine Änderung der Verhältnisse erforderlich. Ungeachtet dessen ist es aber nicht von vornherein ausgeschlossen, aus der Zulässigkeit einer nachträglich auferlegten Sicherheit auch die Befugnis abzuleiten, in besonders dringlichen Fällen eine einstweilige Verfügung zunächst ohne eine den Vollzug hemmende Sicherheit zu erlassen, jedoch zugleich anzuordnen, dass diese unwirksam werde, wenn die Sicherheit nicht innerhalb einer bestimmten Frist erlegt werde. Dagegen spricht zwar das Fehlen einer diesbezüglichen Regelung im Gesetz und die ohnehin bestehende Möglichkeit der gefährdeten Partei, eine nach § 390 Abs 2 EO angeordnete Sicherheitsleistung unverzüglich beizubringen. Völlig unvertretbar ist diese Auslegungsalternative aber nicht.

3. Die einstweilige Verfügung wurde daher schon mit der Zustellung an die Beklagte wirksam. Auf dieser Grundlage erweist sich der Rekurs der Beklagten als verspätet. Denn sie war schon ab der Zustellung beschwert; daher begann auch die Frist für den aus diesem Grund sofort zulässigen Rekurs mit der Zustellung zu laufen. Für die Annahme einer zweiten Rekursfrist ab Erlag der Sicherheit gibt es keine Grundlage. Der Revisionsrekurs muss daher scheitern.

4. Der (Revisions-)Rekurs gegen die Zurückweisung eines Rechtsmittels ist in § 521a ZPO nicht genannt. Daraus leitet die Rechtsprechung ab, dass eine Rechtsmittelbeantwortung unzulässig sei (RIS-Justiz RS0118695, zuletzt 6 Ob 19/06x, zur Zurückweisung eines Rekurses; RIS-Justiz RS0098745, RS0043760, zuletzt 2 Ob 57/08h, zur Zurückweisung einer Berufung). Zuletzt hielt der Oberste Gerichtshof daran zumindest für jene Fälle fest, in denen die Entscheidung über das Rechtsmittel nicht von der Verwertung eines durch eine Partei beigebrachten Beweises, sondern von der Wahrnehmung einer bereits aktenkundigen Tatsache abhängt (RIS-Justiz RS0043760 [T11], RS0098745 [T10]; zuletzt etwa 6 Ob 265/06y und 4 Ob 157/07b). Das trifft hier zu. Die Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

5. Die Entscheidung über die Selbsttragung der Revisionsrekurskosten gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 41, 50 Abs 1 ZPO.