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OGH vom 26.09.2012, 7Ob132/12f

OGH vom 26.09.2012, 7Ob132/12f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Wanek und Dr. Helmut Hoberger, Rechtsanwälte in Perchtoldsdorf, gegen die beklagte Partei A*****AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen 9.400 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 4 R 38/12f 27, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 31 Cg 210/10g 23, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin schloss bei der Beklagten für einen PKW, den sie von der Eigentümerin, der E***** GmbH Co KG (im Folgenden: Leasinggeberin), geleast hatte, eine Vollkaskoversicherung ab. Der Versicherungsvertrag wurde zu Gunsten der Leasinggeberin vinkuliert.

Das versicherte Fahrzeug wurde am gestohlen. Es hatte im Zeitpunkt des Diebstahls einen Wiederbeschaffungswert von netto 49.700 EUR und brutto 59.640 EUR.

Gemäß Art 2 Z 21 Punkt 2. der dem Versicherungsvertrag zu Grunde gelegten „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Fahrzeug Vollkasko-versicherung KFB 2007“ hat der Versicherer im Fall des Diebstahls des Fahrzeugs jenen Betrag zu leisten, den der Versicherungsnehmer für ein Fahrzeug gleicher Art und Güte im gleichen Abnutzungszustand zur Zeit des Versicherungsfalls hätte aufwenden müssen (Wiederbeschaffungswert).

Am führte die Leasinggeberin zum Stichtag die Abrechnung des Leasingvertrags durch. Sie zog von der Versicherungsentschädigung von 48.333,33 EUR, die sie von der Beklagten erhielt, den von ihr ermittelten Restwert von 38.207,06 EUR netto ab, zählte zur Differenz von 10.126,27 EUR die von der Klägerin erlegte restliche Kaution von 10.483,37 EUR dazu und brachte schließlich noch ihren Abrechnungsaufwand von 86,86 EUR in Abzug. Das sich daraus ergebende Guthaben von 20.522,78 EUR zahlte sie der Klägerin aus.

Die Leasinggeberin verzichtete auf eine weitere Vinkulierung der Versicherung zu ihren Gunsten und trat die restlichen Schadenersatzansprüche aus dem Diebstahl an die Klägerin ab.

Die Beklagte leistete der Klägerin, die im Gegensatz zur Leasinggeberin zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt ist, im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens den auf den Nettowiederbeschaffungswert des Fahrzeugs noch ausständigen Betrag von 1.366,67 EUR.

Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung von 9.940 EUR. Sie habe als Leasingnehmerin die Gefahr des Diebstahls getragen. Die Beklagte habe nicht nur den Wiederbeschaffungswert von 49.700 EUR netto, sondern auch die der Klägerin für die Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs anfallende Umsatzsteuer von 9.940 EUR zu ersetzen.

Die Beklagte bestritt dies; sie habe nur den Nettowiederbeschaffungswert zu ersetzen, weil die Leasinggeberin hinsichtlich des ihr gehörenden Fahrzeugs vorsteuerabzugsberechtigt sei und den Vorsteuerabzug entweder bereits geltend gemacht habe oder ihn zumindest geltend machen könne. Außerdem habe die Leasinggeberin die Schadensabrechnung auf Basis eines Nettorestwerts vorgenommen.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 2.298,59 EUR sA. Das Mehrbegehren von 7.641,41 EUR sA wies es ab. Die vorsteuerabzugsberechtigte Leasinggeberin habe eine Nettoabrechnung des Fahrzeugs vorgenommen und den Differenzbetrag zwischen dem errechneten Restwert und dem von der Beklagten ausbezahlten Nettowiederbeschaffungswert an die Klägerin überwiesen. Auf Grund dieses Vorgehens wäre die Klägerin bei Heranziehung des Bruttowiederbeschaffungswerts bereichert. Aus dem Differenzbetrag von 11.492,94 EUR stehe der Klägerin aber die Umsatzsteuer von 2.298,59 EUR zu, da sie nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei.

Über Berufung der Klägerin gegen den klagsabweisenden Teil des Urteils bestätigte das Berufungsgericht die Entscheidung. Sei die versicherte Sache völlig zerstört oder verloren (abhanden gekommen) und liege damit ein Totalschaden vor, sei bei der Beantwortung der Frage, ob es für die Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer auf die Vorsteuerabzugsberechtigung des Versicherungsnehmers (Leasingnehmers) oder auf die des Versicherten (Leasinggebers) ankomme, regelmäßig auf die Verhältnisse des Leasinggebers abzustellen, weil der Leasingvertrag üblicher Weise beendet werde und damit das Interesse des Versicherungsnehmers an der Leasingsache erlösche. Auch im vorliegenden Fall habe der Diebstahl des Fahrzeugs zur Beendigung des Leasingvertrags und infolge dessen zu seiner „endgültigen“ Abrechnung durch die Leasinggeberin geführt. Für die Beurteilung maßgeblich sei daher nur das Wiederherstellungsinteresse der Leasinggeberin. Da diese vorsteuerabzugsberechtigt sei und ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug unter Geltendmachung des Vorsteuerabzugs und daher im Ergebnis um einen Nettokaufpreis wiederbeschaffen könne, bestehe ihr im Rahmen der Kaskoversicherung versichertes Schadenersatzinteresse nur in Höhe des Nettowiederherstellungswerts. Hinzu komme, dass der Versicherer gemäß § 55 VersVG nicht verpflichtet sei, dem Versicherungsnehmer mehr als den Betrag des Schadens zu ersetzen. Die Leasinggeberin habe bei der Leasingvertragsabrechnung der Klägerin gegenüber keine Umsatzsteuer verrechnet. Der Klägerin sei daher ein Schaden in Höhe der begehrten Umsatzsteuer nicht entstanden, sodass deren Zuspruch gegen das Bereicherungsverbot des § 55 VersVG verstoßen würde.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vorliege, ob es im Fall eines Totalschadens eines kaskoversicherten Leasingfahrzeugs bei Ersatz des Wiederherstellungswerts für die Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer durch den Kaskoversicherer auf die Vorsteuerabzugsberechtigung des Versicherungsnehmers (Leasingnehmers) oder auf die des (mit )versicherten Leasinggebers ankomme.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung als Revisionsgrund geltend macht und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Nach Art XII Z 3 EG UStG berührt die Berechtigung eines Unternehmers zum Abzug von Vorsteuer die Bemessung des Ersatzes nicht. Schließt der Ersatzbetrag Umsatzsteuer ein, so hat der Ersatzpflichtige gegen den Ersatzberechtigten einen Rückersatzanspruch in der Höhe des Umsatzsteuerbetrags, sobald und soweit ihn der Ersatzberechtigte als Vorsteuer abziehen könnte. Dient der Ersatzbetrag dazu, die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung einer Sache oder Leistung zu ermöglichen, so ist als Zeitpunkt, in dem der Ersatzberechtigte den Vorsteuerabzug geltend machen könnte, der Zeitpunkt anzusehen, in dem er dies unter Annahme einer unverzüglichen Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung tun könnte. Diese Bestimmung gewährt dem Ersatzpflichtigen, der zunächst einmal auf Verlangen des Geschädigten Schadenersatz ohne Rücksicht auf eine allfällige Vorsteuerabzugsmöglichkeit des Berechtigten zu leisten hat, einen besonderen, nicht auf allgemeinen zivilrechtlichen Rückforderungstatbeständen beruhenden Rückersatzanspruch in Höhe des Umsatzsteuerbetrags (1 Ob 60/09v mwN; vgl auch Huber , Anm zu 1 Ob 60/09v in ZVR 2010, 380). Durch die genannte Bestimmung soll gewährleistet werden, dass die Auswirkungen der Vorsteuerabzugsmöglichkeit auf die Schadenshöhe zwecks Vermeidung von Erschwerungen und Verzögerungen im Schadenersatzprozess zunächst ausgeklammert bleiben (vgl 7 Ob 147/00v mwN) und einem allfälligen Regressprozess vorbehalten werden, dessen Kostenrisiko der Geschädigte zu tragen hat, wenn er ungeachtet der ihm offenstehenden Möglichkeit des Vorsteuerabzugs mehr an Schadenersatz verlangt hat, als er bei ordnungsgemäßer und unverzüglicher Schadensbehebung hätte aufwenden müssen (1 Ob 760/77).

Hier ist unstrittig, dass die Leasinggeberin als Unternehmerin vorsteuerabzugsberechtigt ist, nicht jedoch die Klägerin als Leasingnehmerin.

Im Sinne der obigen Ausführungen geht die Klägerin in ihrer Revision selbst davon aus, dass die Ansprüche der Leasinggeberin bereits mit dem Ersatz des Nettowiederbeschaffungswerts durch die Beklagte befriedigt wurden. Nicht befriedigt worden seien aber ihre eigenen vertraglichen Ansprüche, da sie als nicht vorsteuerabzugsberechtigt Umsatzsteuer für die Wiederbeschaffung eines PKW aufwenden habe müssen, wofür die Beklagte auf Grund der auch bestehenden Eigenversicherung der Klägerin Ersatz zu leisten habe.

Die Klägerin macht demnach keine Ansprüche der bereits befriedigten Leasinggeberin geltend. Da sie nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, stellt sich die zuvor aufgezeigte Frage, ob der Ersatzbetrag im Schadenersatzprozess brutto oder netto zu ermitteln ist, nicht. Vielmehr ist zu klären, ob ein Anspruch eines nicht vorsteuerabzugsberechtigten Leasingnehmers auf Ersatz der von ihm aufgewendeten Umsatzsteuer für die Wiederbeschaffung ein von der Kaskoversicherung umfasstes Risiko darstellt.

Wenn eine Kaskoversicherung vom Leasingnehmer zu Gunsten des Leasinggebers „vinkuliert“ wird, handelt es sich insofern um eine Fremdversicherung im Sinne der §§ 74 ff VersVG, als von der Versicherungsnehmerin auf deren Rechnung zunächst das Interesse des Leasinggebers als Eigentümer des PKW versichert wurde (7 Ob 123/09b). Der Zweck der Vinkulierung liegt in der Sicherstellung der gegen den Versicherungsnehmer gerichteten Forderungen des Dritten (7 Ob 42/84). Die Forderung aus der Versicherung steht sachlich der Leasinggeberin zu, während das formelle Verfügungsrecht darüber der Versicherungsnehmerin zukommt (RIS Justiz RS0080863, RS0080792). Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Vesicherungsnehmer und dem versicherten Leasinggeber sind im Hinblick auf diese Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers als eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis anzusehen (RIS-Justiz RS0080862). Weil aber nicht nur das Sacherhaltungsinteresse des Leasinggebers, sondern auch das Sachersatzinteresse des Versicherungsnehmers als Leasingnehmer versichert ist, liegt nicht nur eine Fremdversicherung, sondern auch eine das Risiko des Versicherungsnehmers deckende Eigenversicherung vor (7 Ob 123/09b mwN, Prölls/Klimke in Prölss/Martin Versicherungsvertragsgesetz 28 § 43 Rz 45, Hübsch in Honsell Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 80 Rz 21).

Nach der im Schrifttum gebilligten deutschen Rechtsprechung hat die Versicherung des Sacherhaltungsinteresses des Leasinggebers zur Folge, dass sich die Berechnung der Entschädigung im Regelfall nach den Verhältnissen des Leasinggebers richtet (OLG Karlsruhe VersR 1990, 1222, BGH VersR 1993, 1223, 1224, OLG Köln VersR 1997, 870, Hübsch aaO § 80 Rz 49). Dies deshalb, weil der Leasinggeber im Regelfall das Fahrzeug wiederbeschafft und daher der Neupreis danach zu berechnen ist, was der Leasinggeber für ein neues Fahrzeug in der versicherten Ausführung zu entrichten hat (BGH VersR 1989, 95). Ist die versicherte Sache demnach Gegenstand eines Leasingvertrags, dann kommt es im Zusammenhang mit der Frage der Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer bei einem Totalschaden oder Verlust allein auf die Verhältnisse des Leasinggebers an, weil der Leasingvertrag üblicher Weise beendet wird und damit das Interesse des Versicherungsnehmers an der Leasingsache erlischt (vgl Armbrüster in Prölls/Martin Versicherungsvertragsgesetz 28 § 74 Rz 104, Hübsch aaO § 80 Rz 49). Aus der Versicherung des Sacherhaltungsinteresses der befriedigten Leasinggeberin lässt sich daher kein Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer ableiten.

Das in der Kaskoversicherung mitversicherte Sachersatzinteresse des Leasingnehmers besteht darin, dass er nach dem Leasingvertrag üblicher Weise für Untergang, Verlust und Beschädigung des Fahrzeugs haftet, er also dem Leasinggeber gegebenenfalls Schadenersatz schuldet (BGH VersR 1993, 1223, Hübsch aaO § 80 Rz 13). Das heißt, das Sachersatzinteresse erschöpft sich darin, dass der Leasingnehmer nicht mit Schadenersatzverpflichtungen belastet wird (vgl Hübsch aaO § 67 Rz 52).

Diesen auch hier anzuwendenden Grundsätzen folgend scheidet daher ein Anspruch der Klägerin, die ihr behauptetermaßen angefallene Umsatzsteuer zu ersetzen, schon deshalb aus, weil ein derartiger Anspruch nicht vom versicherten Sachersatzinteresse im aufgezeigten Sinn umfasst ist. Das Sacherhaltungsinteresse der Leasinggeberin wurde bereits durch die Zahlung des Nettowiederbeschaffungswerts befriedigt, die Abrechnung erfolgte auch der Klägerin gegenüber netto, sodass ihre weitere Inanspruchnahme nicht in Betracht kommt. Das mitversicherte Sachersatzinteresse der Klägerin ist damit gleichfalls befriedigt. Ein Schaden in Höhe der geltend gemachten Umsatzsteuer ist der Klägerin nicht entstanden, sodass worauf bereits das Berufungsgericht verwies ein Zuspruch gegen das Bereicherungsverbot des § 55 VersVG verstoßen würde.

Das zutreffende Urteil des Berufungsgerichts ist daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2012:0070OB00132.12F.0926.000