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OGH vom 19.12.2012, 6Ob193/12v

OGH vom 19.12.2012, 6Ob193/12v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** D*****, vertreten durch Dr. Teja Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach Dr. M***** L*****, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin Mag. K***** H*****, diese vertreten durch MMag. Michael Krenn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 7 R 87/12h 9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Anträge auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof und auf Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union werden zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Parteien haben kein Recht zu begehren, dass der Oberste Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit stellt oder den Europäischen Gerichtshof nach Art 267 AEUV anruft (RIS Justiz RS0058452).

Die Revisionswerberin hat Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 480 Abs 1 ZPO, wonach der Berufungssenat eine mündliche Berufungsverhandlung nur noch anzuberaumen hat, wenn er dies im Einzelfall für erforderlich hält. Sie meint ferner, es läge deshalb ein Fall von „Zweifeln an der Auslegung der Grundrechte Charta und von der EMRK widersprechenden Bestimmungen auf Grund des Rechtes auf einen wirksamen Rechtsbehelfs und ein unparteiisches Gericht“ vor.

Dem ist zu erwidern:

Nach der Rechtsprechung des EGMR fordert Art 6 EMRK nicht, dass im Rechtsmittelverfahren in jedem Fall eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt werden muss. Hat das Rechtsmittelgericht volle Kontrollbefugnisse sowohl auf der Tatsachenebene als auch in Rechtsfragen, dann bildet das Unterbleiben der Verhandlung eine Ausnahme vom Grundsatz der Mündlichkeit, die der Rechtfertigung bedarf. Die Rechtfertigung beurteilt der Gerichtshof in einer Gesamtbetrachtung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des betreffenden Verfahrens ( Grabenwarter/Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 5 441 f). Dass der Gesetzgeber nicht generell die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung anordnet, sondern sie von der Beurteilung der Erforderlichkeit im Einzelfall durch das Berufungsgericht abhängig macht, begegnet daher keinen Bedenken.

Die EU Grundrechte Charta gilt gemäß ihrem Art 51 Abs 1 für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung dh im Anwendungsbereich des Unionsrechts (RIS Justiz RS0127506; mwN; vgl Obwexer , Die Rechtsstellung Einzelner in der Union nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, ÖJZ 2010/13, 101; Eilmannsberger , Die Anwendung der EU Grundrechte durch nationale Gerichte [und Behörden], ecolex 2010, 1024; Hatje in Schwarze , EU Kommentar 2 Art 51 GRC Rz 8 f mwN). Einen Bezug ihrer Rechtssache hat die Revisionswerberin weder behauptet noch ist er sonst ersichtlich.