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OGH 23.04.1964, 4Ob12/64

OGH 23.04.1964, 4Ob12/64

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schuster als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachofner und Dr. Leidenfrost sowie die Beisitzer Dr. Eisenstädter und Millendorfer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Emma L*****, vertreten durch Dr. Hugo Häusle, Rechtsanwalt in Rankweil, wider die beklagte Partei Franz S*****, wegen Feststellung (Streitwert 20.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom , GZ Cga 14/63-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichts Feldkirch vom , GZ Cr 131/63-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts zu lauten hat: „Gegenüber der beklagten Partei wird festgestellt, dass die Klägerin auf Grund des Arbeitsvertrages vom seit nicht mehr als Heimarbeiterin beim Beklagten anzusehen ist. - Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen bei Exekution die Prozesskosten von 1.277,06 S zu ersetzen“.

Der Beklagte ist ferner schuldig, der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens von 1.710,10 S sowie die Kosten des Revisionsverfahrens von 1.349,44 S binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am einen Arbeitsvertrag nachstehenden Inhaltes vereinbart:

„Unterfertigter Arbeitgeber Franz S***** KG (im weiteren mit Verkürzung AG genannt) und Emma L*****

Arbeitnehmer (im weiteren mit Verkürzung AN genannt), haben das Arbeitsverhältnis laut folgenden Punkten und Einzelheiten festgelegt:

1. Die Steigung des Absatzes und die Ansprüche der Kunden nach immer besserer und einwandfreier Ware, erfordern eine präzise Einteilung und Kontrolle des Arbeitsverhältnisses und bringen die regelmäßige Beschäftigung des AN mit sich.

2. AN hat sich verpflichtet, im Rahmen des Arbeitsverhältnisses alle Werktage, außer Samstag, von 8 bis 12 und von 14 bis 19 Uhr seine Arbeitszeit ununterbrochen im Dienste des AG zu stellen und diese Zeit kann nur mit den gebührenden Jausenzeiten unterbrochen werden. Diese Arbeitszeit muss restlos für die Anfertigung und Fertigstellung der Hosen gewidmet sein.

3. Diese regelmäßige Beschäftigung steht unter der Leitung und Führung von den, vom AG bestimmten, technischen Angestellten. Die Arbeiten werden, um eine Genauigkeit und Präzision zu sichern, nach einem speziellen Bündelsystem durchgeführt und dementsprechend wird der AN eingeschult.

4. Die Nähmaschine, welche das Eigentum des AN ist, wird auf die ganze Zeit an den AG gemietet und das Entgelt für diese Vermietung wird gemeinsam festgelegt. Dem AN ist es untersagt, die Nähmaschine während des Bestandes dieses Arbeitsverhältnisses zu verkaufen und zu belasten (§ 364c ABGB.). Diese Einschränkung des Eigentums dient als Sicherung der Möglichkeit einer regelmäßigen Beschäftigung.

5. Der AN darf die Hosen nur persönlich anfertigen. Er darf die Arbeitsstücke nicht dritten Personen übergeben und so ist sein Arbeitsverhältnis eine höchstpersönliche Dienstpflicht. Mit dieser Festlegung soll die einwandfreie und dauernde Qualität der Hosen gesichert werden.

6. Der AN hat persönlich Anspruch auf dauernde und regelmäßige Beschäftigung und muss zu seiner vollen Auslastung mit Arbeit versehen werden.

7. AN steht in aller Disziplinarpflicht und Treue zum AG. Er hat sich der technischen Führung und Leitung voll und ganz unterzuordnen und ist verpflichtet, dem Betrieb, durch Geheimhaltung der Arbeitsmethode seine volle und ganze Betriebszugehörigkeit zu beweisen. Er darf keine Arbeit, auch nicht von einer anderen Branche, in der Zeit des Arbeitsverhältnisses übernehmen, so dass seine ganze Arbeit und Kraft einzig und allein für den Betrieb verwendet wird. So wird der AN eingebaut in persönlicher und wirtschaftlicher Unterordnung für den Betrieb.

8. AG gibt sein Zugeständnis, dass AN seine hier festgelegte Arbeitsleistung zu Hause in seiner Wohnung leisten kann und mit diesem Zugeständnis wird es dem AN ermöglicht, die zwei Mittagsstunden von 12 bis 14 Uhr ganz der Familie zu widmen.

9. AG verpflichtet sich für eine weitgehende Fürsorge für den AN. Der Lohn wird nach Kollektivvertrag in Stück- oder Stundenlohn festgelegt und welches davon angewendet wird, ist Angelegenheit einer weiteren gemeinsamen Vereinbarung. In diesem Punkte wird man dem AN im Rahmen des Kollektivvertrages weitaus entgegenkommen.

10. Diese schriftliche Abmachung ist eine Festlegung einer wörtlichen Vereinbarung am und unterfertigter AN und AG sind mit dem Inhalt voll und ganz einverstanden.

Rankweil, am

Unterschriften

e.h.“

Die Klägerin wird ab nach den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrags beschäftigt und vollbringt in ihrer Wohnung die Arbeitsleistung. Sie behauptet, dass sie seit nicht mehr Heimarbeiterin, sondern ordentliche Arbeiterin bei der beklagten Partei sei. Als solche sei sie besser gestellt als eine Heimarbeiterin. Sie habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass sie aufgrund des Arbeitsvertrags vom seit ordentliche Arbeiterin (und nicht mehr Heimarbeiterin) bei der beklagten Partei sei.

Die beklagte Partei begehrt Klagsabweisung, weil die Klägerin auch dann als Heimarbeiterin anzusehen sei, wenn sie zu einer Arbeitszeiteinhaltung verpflichtet sei, von Organen der beklagten Partei kontrolliert werde, mit ihren Betriebsmitteln arbeite und zu Disziplin und Treue verpflichtet sei.

Das Arbeitsgericht wies das Klagebegehren ab. Es begründete dies wie folgt:

Gemäß § 2 des Heimarbeitsgesetzes sei Heimarbeiter, wer, ohne Gewerbetreibender nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung zu sein, in eigener Wohnung oder selbstgewählter Arbeitsstätte im Auftrage und für Rechnung von Personen, die Heimarbeit vergeben, mit der Herstellung, Bearbeitung oder Verpackung von Waren beschäftigt sei. Diese Voraussetzungen träfen auf die Klägerin nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags vom zu. Das entscheidende Merkmal, wodurch Heimarbeiter von anderen Arbeitern abgegrenzt werden, sei, dass der Heimarbeiter seine Tätigkeit in eigener Wohnung oder selbstgewählter Arbeitsstätte verrichte. Auch der Heimarbeiter habe im Auftrage und nach den Richtlinien und Anweisungen des Auftraggebers zu arbeiten. Nach dem vorliegenden Vertrag sei die Klägerin verpflichtet, bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten, sie werde von Organen der beklagten Partei kontrolliert, müsse regelmäßig und persönlich arbeiten und habe Anspruch auf dauernde und regelmäßige Beschäftigung. All dies sei durchaus mit der Heimarbeit zu vereinbaren und stelle Sondervereinbarungen dar, die im Rahmen eines Heimarbeitsvertrags geschlossen werden können. Die Klägerin sei also auch unter Berücksichtigung des Vertrags vom weiterhin als Heimarbeiterin anzusehen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin erfolglos berufen. Das Berufungsgericht teilte die rechtliche Beurteilung des Arbeitsgerichts und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 10.000 S übersteige.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Rechtssache mit den Anträgen, die Urteile der Unterinstanzen in dem Sinne abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde, oder sie aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eines der Untergerichte zurückzuverweisen.

Eine Revisionsbeantwortung ist nicht erstattet worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt Berechtigung zu.

Gemäß dem § 1 Heimarbeitsgesetz 1960 (BGBl Nr 105/1961) gilt dieses Bundesgesetz für Heimarbeit jeder Art, ausgenommen die Heimarbeit im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Produktion. Gemäß § 2 Abs 1 lit a leg cit ist Heimarbeiter, wer, ohne Gewerbetreibender nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung zu sein, in eigener Wohnung oder selbstgewählter Arbeitsstätte im Auftrage und für Rechnung von Personen, die Heimarbeit vergeben, mit der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Waren beschäftigt ist. Das Gesetz nimmt somit von seinem Anwendungsbereich den selbständigen Gewerbetreibenden aus und charakterisiert das zwischen dem Unternehmer und dem Beschäftigten bestehende Verpflichtungsverhältnis insbesondere dadurch, dass dessen Arbeitsleistung in eigener Wohnung oder selbstgewählter Arbeitsstätte zu erbringen ist. Der Inhalt dieses Verpflichtungsverhältnisses kann zwischen einem bloßen Werkvertrag und dem Dienstverhältnis eines gewerblichen Hilfsarbeiters variieren (vgl Klang2 Bd V S 170/171). Dies ist auch die Auffassung des Betriebsrätegesetzes (BGBl Nr 97/1947), das im § 2 Abs 3 lit b bestimmt, dass als Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes nicht gelten Heimarbeiter, soweit sie nicht als gewerbliche Hilfsarbeiter gelten. Es kann also auch ein Heimarbeiter gewerblicher Hilfsarbeiter sein.

Im vorliegenden Falle enthält jedoch der Arbeitsvertrag derart weitgehende Bindungen des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber, insbesondere die Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Arbeitsstunden, deren Kontrolle durch Organe des Arbeitgebers, die volle Eingliederung in die Betriebsverhältnisse die völlige Unselbständigkeit, sowie die Vermietung der der Klägerin gehörigen Nähmaschine an den Arbeitgeber, dass die in der eigenen Wohnung zu leistende Arbeit nicht mehr den Charakter von Heimarbeit hat. Sie ist vielmehr einer im Betriebe des Arbeitgebers selbst geleisteten Arbeit gleichzusetzen. Die Wohnung der Klägerin ist praktisch eine dislozierte Betriebsstätte des Arbeitgebers mit einer ihm zur Verfügung stehenden Maschine geworden, wenn auch die Wohnung ihm nicht förmlich in Bestand gegeben wurde. Die Klägerin ist aufgrund des in Frage stehenden Arbeitsvertrags nicht mehr Heimarbeiterin beim Beklagten.

Die Urteile der Untergerichte waren somit im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Die Klage ist allerdings sinngemäß als negative Feststellungsklage aufzufassen. Dementsprechend war das Klagebegehren neu zu formulieren.

Der unterlegene Beklagte hat der Klägerin gemäß § 41 ZPO die Prozesskosten erster Instanz und gemäß §§ 41, 50 ZPO auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:1964:0040OB00012.640.0423.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAD-36699