OGH vom 23.04.1964, 4Ob12/64

OGH vom 23.04.1964, 4Ob12/64

Norm

ABGB § 1151;

Heimarbeitsgesetz 1960 § 2 (1) lita;

Kopf

SZ 37/63

Spruch

Abgrenzung der Begriffe "Heimarbeiter" und "Betriebsarbeiter" (Heimarbeitsgesetz 1960).

Entscheidung vom , 4 Ob 12/64. I. Instanz:

Arbeitsgericht Feldkirch; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.

Text

Die Streitteile haben am einen Arbeitsvertrag nachstehenden Inhaltes vereinbart:

"Unterfertigter Arbeitgeber Franz St. KG (im weiteren mit Verkürzung AG genannt) und Emma L., Feldkirch, R.straße 134, Arbeitnehmer (im weiteren mit Verkürzung AN genannt), haben das Arbeitsverhältnis laut folgenden Punkten und Einzelheiten festgelegt:

1. Die Steigerung des Absatzes und die Ansprüche der Kunden nach immer besserer und einwandfreier Ware, erfordern eine präzise Einteilung und Kontrolle des Arbeitsverhältnisses und bringen die regelmäßige Beschäftigung des AN mit sich.

2. AN hat sich verpflichtet, im Rahmen des Arbeitsverhältnisses alle Werktage, außer Samstag, von 8 bis 12 und von 14 bis 19 Uhr seine Arbeitszeit ununterbrochen in den Dienst des AG zu stellen und diese Zeit kann nur mit den gebührenden Jausenzeiten unterbrochen werden. Diese Arbeitszeit muß restlos für die Anfertigung und Fertigstellung der Hosen gewidmet sein.

3. Diese regelmäßige Beschäftigung steht unter der Leitung und Führung von den, vom AG bestimmten, technischen Angestellten. Die Arbeiten werden, um eine Genauigkeit und Präzision zu sichern, nach einem speziellen Bundelsystem durchgeführt und dementsprechend wird der AN eingeschult.

4. Die Nähmaschine, welche das Eigentum des AN ist, wird auf die ganze Zeit an den AG vermietet und das Entgelt für diese Vermietung wird gemeinsam festgelegt. Dem AN ist es untersagt, die Nähmaschine während des Bestandes dieses Arbeitsverhältnisses zu verkaufen und zu belasten (§ 364c) ABGB.). Diese Einschränkung des Eigentums dient als Sicherung der Möglichkeit einer regelmäßigen Beschäftigung.

5. Der AN darf die Hosen nur persönlich anfertigen. Er darf die Arbeitsstücke nicht dritten Personen übergeben und so ist sein Arbeitsverhältnis eine höchstpersönliche Dienstpflicht. Mit dieser Festlegung soll die einwandfreie und dauernde Qualität der Hosen gesichert werden.

6. Der AN hat persönlich Anspruch auf dauernde und regelmäßige Beschäftigung und muß zu seiner vollen Auslastung mit Arbeit versehen werden.

7. AN steht in aller Disziplinarpflicht und Treue zum AG. Er hat sich der technischen Führung und Leitung voll und ganz unterzuordnen und ist verpflichtet, dem Betrieb durch Geheimhaltung der Arbeitsmethode seine volle und ganze Betriebszugehörigkeit zu beweisen. Er darf keine Arbeit, auch nicht von einer anderen Branche, in der Zeit des Arbeitsverhältnisses übernehmen, so daß seine ganze Arbeit und Kraft einzig und allein für den Betrieb verwendet wird. So wird der AN eingebaut in persönlicher und wirtschaftlicher Unterordnung für den Betrieb.

8. AG gibt sein Zugeständnis, daß AN seine hier festgelegte Arbeitsleistung zu Hause in seiner Wohnung leisten kann und mit diesem Zugeständnis wird es dem AN ermöglicht, die zwei Mittagsstunden von 12 bis 14 Uhr ganz der Familie zu widmen.

9. AG verpflichtet sich für eine weitgehende Fürsorge für den AN. Der Lohn wird nach Kollektivvertrag in Stück- oder Stundenlohn festgelegt und welches davon angewendet wird, ist Angelegenheit einer weiteren gemeinsamen Vereinbarung. In diesem Punkte wird man dem AN im Rahmen des Kollektivvertrages weitaus entgegengenommen.

10. Diese schriftliche Abmachung ist eine Festlegung einer wörtlichen Vereinbarung am und erfolgter Auflösung der Ehe nicht mehr zulässig sei.

Der Oberste Gerichtshof hob über Revisionsrekurs der Frau die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Ehe begrundet für die Ehegatten ua. grundsätzlich (vgl. § 92 ABGB) die Rechtspflicht zum gemeinsamen Wohnen (§ 90 ABGB). In Ansehung der in Abstimmung auf die Interessen zur umfassenden Lebensgemeinschaft gewählten Stätte des Lebensmittelpunktes wird einem qualifiziert wohnbedürftigen Ehegatten gegenüber störenden Maßnahmen des anderen auch ein besonderer Schutzanspruch zuteil (§ 97 ABGB). Dieser gesetzliche Schutz steigert sich im Fall eines unmittelbar bevorstehenden oder bereits anhängigen Verfahrens zur Auflösung der Ehe durch gerichtliche Entscheidung unter den Voraussetzungen des § 382 Z 8 lit. b EO zu einem - von der rechtlichen Ausgestaltung der Wohnungsnutzung unabhängigen - Anspruch auf Unterlassung der Mitbenützung durch den das Zusammenleben qualifiziert störenden anderen Ehegatten. Nach dem durch das Bundesgesetz vom über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, BGBl. 412, neu formulierten Sicherungsmittel nach § 382 Z 8 lit. b EO ist ein materiellrechtlicher Anspruch auf ungestörte Weiterbenützung der in Erfüllung der oben erwähnten eherechtlichen Verpflichtung gewählten Wohnung zu unterstellen, die Durchsetzung dieses Anspruches ist aber - offensichtlich seines grundsätzlich bloß vorübergehenden Charakters wegen - durch positiv-rechtliche Anordnung in das Sicherungsverfahren gewiesen. Dabei liegt allerdings, wie im Fall des § 382 Z 8 lit. a letzter Halbsatz EO, der durch die Verfügung zu sichernde Anspruch nicht in dem in der Hauptsache verfolgten Statusbegehren, sondern in dem zu unterstellenden besonderen Anspruch auf Schutz der Persönlichkeit gegenüber dem Ehepartner. Die Auflösung der Ehe durch gerichtliche Entscheidung beendet zwar grundsätzlich die auf dem Eheband beruhenden wechselseitigen Verpflichtungen; die nach den Grundsätzen des § 90 ABGB eingegangene Partnerschaft verbindet aber noch zu einer Lösung der während der Ehe zur umfassenden gemeinsamen Lebensführung vereinigten Lebensbereiche in einer der Partnerschaft gemäßen fairen und billigen Weise. Dieser Grundsatz hat durch die Regelung über die nacheheliche Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den durch das Bundesgesetz vom über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechts, BGBl. 280, formulierten Bestimmungen der §§ 81 ff. EheG seine positiv-rechtliche Ausformung gefunden. Nach diesen Bestimmungen hat - wie schon nach der 6. DurchführungsV zum Ehegesetz - die Ehewohnung eine besonders hervorgehobene, der eingangs skizzierten Bedeutung als Stätte der gemeinsamen Lebensführung angepaßte Regelung gefunden. Gerade in Ansehung der Ehewohnung ist der Ausspruch zwar vermögenswerter, aber nicht rein vermögensrechtlicher Natur. Im sachlichen Zusammenhang mit dem nachehelichen Aufteilungsverfahren wurde durch das BG vom über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechts, BGBl. 280, in die Z 8 des § 382 EO die Bestimmung lit. c neu eingefügt. Zweck und Inhalt der neu geschaffenen Bestimmung sind einerseits die einstweilige Regelung der Benützung und andererseits die einstweilige Sicherung der in die konkrete Aufteilungsmasse fallenden Vermögenswerte (vgl. ausdrücklich den Ausschußbericht 916 Blg.NR XIV. GP, 12 zu Art. II Z 12 im allgemeinen). Diese beiden unterschiedlichen Inhalte des § 382 Z 8 lit. c EO wurden bereits in der Entscheidung des OGH SZ 57/89, nach Regelungsaufgabe und Voraussetzungen klar einander gegenübergestellt.

Was die einstweilige Regelung der Benützung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, in erster Linie aber dabei von Ehewohnung und Hausrat, anlangt, darf nicht übersehen werden, daß schon die 6. DurchführungsV zum Ehegesetz in ihrem § 19 die einstweilige Regelung der Benützung von Ehewohnung und Hausrat durch den Prozeßrichter vorgesehen hat, wobei die richterliche Anordnung im Falle einer Scheidung der Ehe bis zu einer anderweitigen Regelung nach den Vorschriften der 6. DurchführungsV zum Ehegesetz wirksam bleiben sollte. Die einstweilige Regelung der Benützung sichert den zu unterstellenden Anspruch auf wechselseitige Wahrung persönlichkeitsbezogener Int gehörigen Nähmaschine an den Arbeitgeber, daß die in der eigenen Wohnung zu leistende Arbeit nicht mehr den Charakter von Heimarbeit hat. Sie ist vielmehr einer im Betriebe des Arbeitgebers selbst geleisteten Arbeit gleichzusetzen. Die Wohnung der Klägerin ist praktisch eine dislozierte Betriebsstätte des Arbeitgebers mit einer ihm zur Verfügung stehenden Maschine geworden, wenn auch die Wohnung ihm nicht förmlich in Bestand gegeben wurde. Die Klägerin ist auf Grund des in Frage stehenden Arbeitsvertrages nicht mehr Heimarbeiterin beim Beklagten.