OGH vom 15.07.1987, 1Ob636/87
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Helmut Z***, Pensionist, Graz, Grabenstraße 9, vertreten durch Dr. Gerald Kleinschuster und Dr. Hans Günther Medwed, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Wilma V***, Lehrerin, Graz, Grabenstraße 9, vertreten durch Dr. Wilfried Haidacher, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 6.711,83 s.A. und Feststellung (Streitwert: S 295.800,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 26/87-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 6 C 55/86-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.766,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 978,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Vertrag vom vermietete der Kläger der Beklagten die in der Mansarde des Hauses Graz, Grabenstraße 9, eingerichtete, als "bisherige Hauseigentümerwohnung" bezeichnete, aus einem Vorzimmer, einer Küche, vier Zimmern, Bad und WC bestehende Wohnung. Vereinbart war ab - neben einer Mietzinsvorauszahlung von insgesamt S 140.000,-- - ein am 1. eines jeden Monats im vorhinein fälliger Hauptmietzins von S 500,-- wertgesichert zuzüglich anteiliger Betriebskosten und öffentlichen Abgaben. Infolge de Wertsicherung betrug der monatliche Hauptmietzins am S 1.355,77 und zuzüglich der Betriebskosten von S 3.036,30 und der Umsatzsteuer von S 439,21 insgesamt S 4.831,28. Diesen Mietzins hat die Beklagte auch nach dem Februar 1986 laufend entrichtet. Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von zuletzt S 6.711,83 s.A. an rückständigem Mietzins und ferner die Feststellung, daß die Beklagte für die von ihr gemietete Wohnung bis auf weiteres einen am 1. eines jeden Monats im vorhinein fälligen Hauptmietzins von S 2.465,-- wertgesichert nach § 16 Abs 4 MRG zuzüglich anteiliger Betriebskosten, öffentlicher Abgaben und jeweiliger Umsatzsteuer zu bezahlen habe. Die genannte Wohnung sei als Hauseigentümerwohnung gemäß § 1 Abs 2 Z 7 MG von der Anwendung des Mietengesetzes ausgenommen und auch den Bestimmungen des Zinsstoppgesetzes nicht unterworfen gewesen. Gemäß § 11 des Mietvertrages vom habe die Beklagte ab den gesetzlichen Mietzins für gleichartige Räume, gleicher Lage und Beschaffenheit zu bezahlen, sollte dieser den seinerzeit vereinbarten Hauptmietzins wertgesichert zuzüglich Betriebskosten und öffentlicher Abgaben übersteigen. Mietzinsobergrenze sei der gemäß § 16 Abs 1 MRG angemessene Betrag, weil es sich um ein Haus mit vier Mietobjekten handle, die Nutzfläche der Wohnung 90 m2 übersteige und die Wohnung in die Ausstattungskategorie A einzustufen sei. Die Mietzinsvorauszahlung sei in Raten zu entrichten gewesen, so daß in Wahrheit eine stufenweise, gesetzlich zulässige Anhebung des Mietzinses vereinbart worden sei. Die Beklagte wendete vor allem ein, daß zwischen den Streitteilen eine Vereinbarung wie § 11 des Mietvertrages nicht zustande gekommen sei und eine solche überdies gemäß § 16 a MRG rechtsunwirksam wäre.
Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Es stellte fest, die Beklagte habe am nach Besichtigung der Wohnung in der Kanzlei des mit der Vermietung vom Kläger beauftragten Rechtsanwaltes Dr. Hans Weitzer eine von diesem verfaßte Offerte auf Abschluß eines Mietvertrages, in welcher noch keine Zinsanpassungsklausel enthalten gewesen sei, unterfertigt. Danach habe die Beklagte eine Mietzinsvorauszahlung von insgesamt S 140.000,-- zu entrichten gehabt. Ein Teilbetrag von S 80.000,-- sei noch vor Abschluß des Vertrages bei Dr. Hans Weitzer treuhändig zu erlegen gewesen. Nach dessen Erlag sei der Vertrag am in der Kanzlei des genannten Rechtsanwaltes mündlich abgeschlossen worden. Schon vorher habe dieser über den Vertragsinhalt eine Beweisurkunde (Beilage A) angefertigt, auf der zwei Angestellte des Rechtsanwalts die Übereinstimmung mit dem Inhalt des mündlichen Vertrags bestätigt hätten. Anhand dieser Urkunde habe Dr. Hans Weitzer mit der Beklagten den gesamten Vertragsinhalt erörtert, darunter auch die Bestimmung des § 11, die wie folgt lautet:
"Sollte nach Ablauf von 20 Jahren, somit ab , der gesetzliche Mietzins für gleichartige Räume, gleicher Lage und Beschaffenheit - wenn ein solcher Bestandgegenstand den nach diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen des heutigen Mietengesetzes unterliegen würde - den im § 3 b) dieses Mietvertrages frei vereinbarten Mietzins von monatlich S 500,-- wertgesichert zuzüglich der anteilsmäßigen Betriebskosten, Steuern und öffentlichen Abgaben jedweder Art übersteigen, so hat sodann dieser allfällige höhere gesetzliche Mietzins ab diesem Termin trotz der derzeitigen Freiheit des Mietgegenstandes von allen diesbezüglichen Mietzinsbeschränkungen vertragsmäßig zu gelten."
Diese Form des Vertragsabschlusses sei von Dr. Hans Weitzer aus Gebührenzwecken gewählt worden.
In rechtlicher Hinsicht schloß das Erstgericht, daß zwar auch die Bestimmung des § 11 der Beweisurkunde Vertragsinhalt geworden sei, die Zinsanpassungsklausel jedoch gemäß § 16 a MRG rechtsunwirksam sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes insgesamt S 300.000,-- übersteige. Es ließ dahingestellt sein, ob das Mietverhältnis bei Vertragsabschluß den zinsrechtlichen Bestimmungen des Mietengesetzes oder wenigstens dem Zinsstoppgesetz unterworfen gewesen sei, und teilte im übrigen die Auffassung des Erstgerichtes.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Nach wie vor vertritt er den Standpunkt, daß § 11 der Beweisurkunde bloß eine Vereinbarung über eine nach den damals in Geltung gestandenen zinsrechtlichen Vorschriften zulässige Vereinbarung über den der Höhe nach zeitlich gestaffelten Mietzins enthalte, so daß § 16 a MRG darauf nicht anwendbar sei. Dieser Auffassung hat das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, daß die Vertragsklausel keineswegs eine Befristung, sondern eine aufschiebende Bedingung beinhalte; die Anhebung des vereinbarten wertgesicherten Zinses auf den zufolge der am für gleichartige Räume gleicher Art und Beschaffenheit geltenden zinsrechtlichen Vorschriften zulässigen ("gesetzlichen") Mietzins war nach dem Inhalt der Klausel davon abhängig, daß dieser gesetzliche Mietzins den damals vereinbarten Zins (zuzüglich der Wertsicherungsbeträge) übersteigen sollte, und hing somit vom Eintritt eines in der Zukunft liegenden ungewissen Ereignisses (Welser und Rummel in Rummel. ABGB, Rz 1ff zu § 696 und Rz 1 und 13 zu § 897) ab, so daß von einer bloßen Befristung der vereinbarten Zinshöhe keine Rede sein kann.
Gemäß § 16 a Abs 1 erster Satz MRG sind Vereinbarungen in einem vor dem geschlossenen Vertrag, die eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses vorsehen, rechtsunwirksam. Zutreffend hat das Gericht zweiter Instanz ausgeführt, daß diese Bestimmung schon ihrem Wortlaut nach zwischen Mietobjekten, die vor dem zinsrechtlichen Vorschriften unterworfen waren, und solchen, die von solchen Bindungen nicht betroffen waren, nicht unterscheidet. Maßgeblich ist allein, ob die Klausel eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Fall vorsieht, daß die zinsrechtlichen Vorschriften geändert werden und nach den neuen Bestimmungen ein höherer Zins zulässig ist. Gerade diese Bedingung ist aber Inhalt des § 11 der Beweisurkunde: Sollte der gesetzliche Zins nach den am geltenden zinsrechtlichen Bestimmungen den frei vereinbarten, wertgesicherten Zins übersteigen, so habe jener vertragsmäßig zu gelten. Der Kläger stützt auch sein Begehren auf die Änderung der zinsrechtlichen Vorschriften (nunmehr § 16 MRG) und darauf, daß der nun für die vermietete Wohnung gesetzlich zulässige Hauptmietzins den (frei) vereinbarten Zins einschließlich der Wertsicherungsbeträge übersteige.
Die Regelung des § 16 a MRG umfaßt alle auf Änderungen der Gesetzeslage abstellenden Zinsanpassungsklauseln, gleichgültig ob danach eine Verpflichtung zum Abschluß eines angepaßten Vertrages vorgesehen ist oder die Mietzinsänderung ohne Vereinbarung eintreten soll; nur Zinsanpassungen infolge tatsächlicher Änderungen (zB. der Nutzfläche) werden davon nicht berührt (Würth-Zingher, MRG '86, 39). Motiv dieser Bestimmung ist nicht nur der Schutz der Mieter vor nicht voraussehbaren Härten und Belastungen, sondern auch die von solchen Klauseln ausgehende Rechtsunsicherheit, "weil der einzelne nicht abschätzen kann, welche rechtliche Bedeutung eine solche Klausel aufgrund der diffizilen Rechtsprechung in seinem Mietvertrag haben könnte" (Initiativantrag I - auszugsweise abgedruckt bei Würth-Zingher aaO 40f). Es bedarf keiner ausführlichen Eröterungen, daß dies auf die mit der Beklagten - noch dazu im Hinblick auf die gewählte Formulierung - vereinbarten Klausel zutrifft. Ist die im § 11 der Beweisurkunde festgelegte Vereinbarung gemäß § 16 a Abs 1 MRG aber rechtsunwirksam, so ist dem Klagebegehren der Boden entzogen; das Gericht zweiter Instanz hat daher zu den Ausführungen in der Berufungsbeantwortung, mit welchen die Beklagte die Feststellung des Erstgerichtes, daß auch § 11 Vertragsinhalt geworden sei, bekämpft, zu Recht nicht weiter Stellung genommen. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.