OGH vom 15.06.1983, 1Ob636/83
Norm
Kopf
SZ 56/95
Spruch
Die Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen begrundet nicht einen Vergütungsanspruch wie bei einem Arbeitsverhältnis, sondern einen Anspruch aus einem angemessenen Anteil an einem gemeinsam erzielten Gewinn
(LG Innsbruck 2 R 148/81; BG Kitzbühel F 3/79)
Text
Die Parteien sind seit 1970 verheiratet. Der Ehe entstammen die beiden Kinder Ernst, geboren am ; und Albert, geboren am ; die Antragstellerin begehrte als Abgeltung ihrer Mitwirkung im Erwerb des Antragsgegners 277 722.20 S sA. Die Ehegatten hätten mit gemeinsamen Mitteln, in gemeinsamer Arbeit und im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Haus Kirchberg II/469, in dem sich auch die Ehewohnung befinde, erbaut. Das Haus sei Ende 1972 bezugsfertig gewesen. Die Antragstellerin sei bis Mitte 1972 berufstätig gewesen. Ab Weihnachten 1972 bis einschließlich der Wintersaison 1978/79 habe sie neben der Haushaltsführung und der Pflege und Erziehung der Kinder in dem gemeinsamen Haus die Privatzimmervermietung durchgeführt. Sie habe alle anfallenden Arbeiten allein verrichtet. Die Einnahmen seien zur Tilgung der durch den Hausbau entstandenen Schulden verwendet worden. Darüber hinaus habe sie dem Antragsgegner namhafte Barbeträge ausbezahlt.
Der Antragsgegner bestreitet einen Anspruch der Antragstellerin auf Abgeltung ihrer Mitwirkung im Erwerb. Allfällige Ansprüche für die Zeit vor dem Mai 1976 seien verjährt.
Das Erstgericht sprach der Antragstellerin 120 000 S, zahlbar in zwei Teilbeträgen a 60 000 S bis und , zu und wies das Mehrbegehren von 157 722.20 S ab. Das Haus Kirchberg II/ 469 bestehe aus Tiefparterre, Erdgeschoß und zwei Stockwerken und stehe im Eigentum eines Onkels des Antragsgegners. Der Antragsgegner habe mit diesem vereinbart, ihm für zur Verfügung gestelltes Holz und für von diesem geleistete Arbeiten einen bestimmten Betrag zu bezahlen. Da dieser Betrag vom Antragsgegner bisher nicht entrichtet worden sei, sei es zu keiner Verbücherung gekommen. Der Rohbau des Hauses sei im Zeitpunkt der Eheschließung bereits errichtet gewesen. Im Jahre 1972 seien die Ehegatten in das Haus eingezogen. Bis Juni 1972 habe die Antragstellerin außer Haus gearbeitet. Ab 1972 habe sie mit der Zimmervermietung begonnen. Zunächst seien Zimmer nur an eine Schischule und teilweise an Dauermieter vermietet worden. Die Mieter habe der Antragsgegner gebracht. Von Mai 1976 bis April 1979 sei nur mehr selten an Dauermieter vermietet worden. Es seien 20 bis 25 Betten, in der Hauptsaison teilweise auch bis zu 30 Betten, vermietet worden. Im Mai 1976 sei der Antragsgegner ausgezogen. Seither vermiete die Antragstellerin 10 bis 15 Betten. Sie mache die mit der Vermietung zusammenhängenden Arbeiten allein. Die Antragstellerin habe über die Einnahmen und Ausgaben Aufzeichnungen geführt, hiebei jedoch die Privatausgaben von den Ausgaben für die Zimmervermietung nicht getrennt. Es ergebe sich folgende Einnahmen- und Ausgabenrechnung: Für die Wintersaison 1976/77: Einnahmen 79 828 S; an den Antragsgegner seien 19 592.34 S und 60 865 S bezahlt worden. Für die Sommersaison 1977: Einnahmen 44 740 S, Ausgaben 50
587.90 S, davon eindeutig 5605.30 S Privatausgaben. Für die Wintersaison 1977/78: Einnahmen 87 950 S, Ausgaben 17 937.11 S, davon 1010 S Privatausgaben. Es seien 50 649.58 S für die Rückzahlung von Darlehen verwendet worden. Der Einnahmenüberschuß betrage 20 373.31 S. Für die Sommersaison 1978: Einnahmen 49 875 S, Ausgaben 57 641.61 S, davon 19 535.10 S Privatausgaben. 10 000 S seien von der Antragstellerin auf das Privatkonto des Antragsgegners überwiesen worden. Für die Wintersaison 1978/79: Einnahmen 87 188 S, Ausgaben 39 203.82 S. Von diesen Einnahmen habe die Antragstellerin keine Zahlungen mehr an den Antragsgegner geleistet. Sie habe den Überschuß mit ihren Unterhaltsforderungen kompensiert. 16 000 S habe sie auf ein Konto gelegt, um damit Unterhaltsrückstände abdecken zu können. Die Gesamteinnahmen aus Nächtigungen von 1976 bis 1979 hätten 422 393 S betragen. Im Jahre 1976 habe der Antragsgegner der Antragstellerin keinen Unterhalt geleistet. Von Juni bis Oktober 1977 habe er ihr je 2000 S monatlich an Unterhalt bezahlt, für November 1977 1000 S. Im Jahre 1978 habe er ihr durch 11 Monate 1000 S bezahlt. Im Jahre 1979 habe er keinen Unterhalt mehr geleistet. Das Nettoeinkommen des Antragsgegners habe im Jahre 1976 57 942.81 S, im Jahre 1977 114 239.61 S, im Jahre 1978 122 281.32 S und von Jänner bis April 1979 29 069.34 S betragen. Die Antragstellerin hätte auf dem freien Arbeitsmarkt für die Tätigkeit, die sie im Zusammenhang mit der Zimmervermietung verrichtet habe, 277 722.20 S netto verdient.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die Antragstellerin durch die Haushaltsführung ihren Beitrag zur Deckung der gemeinsamen Bedürfnisse iS des § 94 Abs. 1 ABGB geleistet habe. Da sie darüber hinaus in der Fremdenbeherbergung mitgewirkt habe, stehe ihr ein Anspruch auf angemessene Abgeltung dieser Mitwirkung zu. Bei der Berechnung dieses Anpruchs sei davon auszugehen, wieviel dem mitwirkenden Ehegatten unter Berücksichtigung der Intensität und Qualität der Mitwirkung sowie der Ertragslage des Betriebes zukommen müßte. Hätte sich bei Erhalt dieses Betrages sein Unterhaltsanspruch vermindert, sei der Betrag, den er als Unterhaltsmehrleistung erhalten habe, vom Abgeltungsbetrag in Abzug zu bringen. Es seien jedoch auch die Lebensverhältnisse der Ehegatten mitzuberücksichtigen. Im vorliegenden Fall hätten die Ehegatten äußerst sparsam gelebt. Gehe man davon aus und berücksichtige man die Einkommenslage des Antragsgegners und das Einkommen der Antragstellerin, so ergebe sich unter Zugrundelegung der für die Berechnung des Abgeltungsanspruches maßgeblichen Kriterien, daß mit einem Betrag von 120 000 S die Leistungen der Antragstellerin angemessen berücksichtigt seien.
Der abweisende Teil dieser Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Das Rekursgericht gab dem gegen den stattgebenden Teil erhobenen Rekurs des Antragsgegners teilweise Folge und setzte den Abgeltungsbetrag mit 100 000 S, zahlbar binnen 14 Tagen, fest. Das Mehrbegehren wies es ab. Es erklärte den Rekurs an den OGH für zulässig.
Das Rekursgericht billigte die Auffassung des Erstgerichtes, daß der Antragstellerin ein Anspruch nach § 98 ABGB zustehe. Unter Berücksichtigung der in der Einnahmen- und Ausgabenberechnung enthaltenen Ausgaben für den gemeinsamen Haushalt und der Privatentnahmen sei der Berechnung ein erwirtschafteter Betrag von 230 000 S bis 250 000 S zugrunde zu legen. Der überwiegende Teil davon gebühre der Antragstellerin, da sie die gesamte mit der Zimmervermietung verbundene Arbeit geleistet habe. Zu berücksichtigen seien jedoch jene Beträge, die ihr aus den Mieteinnahmen bereits zugekommen seien, das seien rund 70 000 S. Die Antragstellerin habe daher noch Anspruch auf 100 000 S. Mit einem Betrag von 170 000 S sei ihre Mitwirkung angemessen abgegolten. Hiebei seien auch die gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten, der Zinsenverlust und die Geldwertminderung während der Dauer des Verfahrens berücksichtigt. Die Heranziehung des potentiellen Verdienstes der Antragstellerin als Abgeltungsgrundlage sei abzulehnen, weil sich der Abgeltungsbetrag für die Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten nach dem tatsächlichen Ertrag des gemeinsamen Unternehmens zu richten habe.
Über den Revisionsrekurs des Antragsgegners hob der Oberste Gerichtshof die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Bestimmung des § 98 ABGB räumt demjenigen Ehegatten, der im Erwerb des anderen mitwirkt, einen Anspruch auf angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung ein. Sie berührt jedoch gemäß § 100 ABGB nicht vertragliche Ansprüche des Ehegatten gegen den anderen aus einem Mit- oder Zusammenwirken im Erwerb. Solche Ansprüche schließen einen Anspruch nach § 98 ABGB aus. Haben die Ehegatten somit die Mitwirkung des einen von ihnen im Erwerb des anderen vertraglich geregelt, ist für die Ansprüche des Mitwirkenden ausschließlich der Vertrag maßgebend. In Betracht kommen insbesondere Verträge, durch die ein Dienst- oder Gesellschaftsverhältnis zwischen den Ehegatten begrundet wurde. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein solcher Vertrag ausdrücklich oder schlüssig iS des § 863 ABGB abgeschlossen wurde. Wird demnach zwischen den Ehegatten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes begrundet, so kann der daran mitwirkende Ehegatte nicht eine Abgeltung seiner Mitwirkung nach § 98 ABGB verlangen, weil dies etwa für ihn günstiger ist. Für die Ansprüche des mitwirkenden Ehegatten sind in einem solchen Fall ausschließlich die vertraglichen Bestimmungen bzw. die Regeln über die Gesellschaft bürgerlichen Rechtes maßgebend (§ 916 BlgNR 14. GP 5).
Die Antragstellerin vertrat in ihrem Antrag den Standpunkt, daß eine (zumindest) beschränkte Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht vorliege. Sie ist anscheinend der unrichtigen Auffassung, daß aus derselben Tätigkeit Ansprüche auf Abgeltung für die Mitwirkung im Erwerb nach § 98 ABGB und Ansprüche aus einem Gesellschaftsverhältnis nebeneinander geltend gemacht werden können. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren zunächst klarzustellen sein, inwieweit nach dem Standpunkt der Parteien eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes besteht oder bestand. Bei Errichtung eines mehrstöckigen Hauses mit zahlreichen Fremdenzimmern durch Ehegatten wäre - ohne gegenteilige ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung - in der Regel nicht anzunehmen, daß eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes zwar für die Errichtung des Hauses, nicht aber auch für den Betrieb der Fremdenbeherbergung begrundet werden sollte.
Anspruchsvoraussetzung für eine Abgeltung nach § 98 ABGB ist die Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen. Eine solche Mitwirkung liegt regelmäßig nur bei Verrichtungen vor, die den allein erwerbstätigen Ehegatten bei seinen Bemühungen, den Familienunterhalt zu verdienen, unterstützen, wie etwa bei der Erbringung von Arbeiten in seinem Unternehmen (Fenyves in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/78, 146), und umsomehr dann, wenn der eine Ehegatte das dem anderen gehörige Unternehmen führt. Entscheidend ist die Stellung des anderen als Unternehmer. Es wird im fortgesetzten Verfahren, sofern nicht schon wegen vertraglicher Beziehungen der Antrag abzuweisen ist, klarzustellen sein, welchem der beiden Ehegatten die Stellung des Unternehmers des Fremdenbeherbergungsbetriebes zukam. Daß die Antragstellerin Ertragsüberschüsse an den Antragsgegner überwies, deutet zwar auf dessen Unternehmerstellung hin; eine solche Schlußfolgerung ist aber nicht zwingend. Auch wenn der Antragsgegner an dem Haus allein berechtigt sein sollte, könnte er immer noch diese Sachwerte der Antragstellerin zur selbständigen Führung eines Beherbergungsbetriebes im eigenen Namen überlassen haben.
Die Höhe des Anspruchs richtet sich gemäß § 98 zweiter Satz ABGB nach der Art und Dauer der Leistungen unter angemessener Berücksichtigung der gesamten Lebensverhältnisse, insbesondere auch gewährter Unterhaltsleistungen. Durch diese Formulierung wird der sich aus dem Wesen der Ehe als umfassender Lebens-, aber auch Risikogemeinschaft ergebende familienrechtliche Charakter des Abgeltungsanspruchs betont. Die Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen begrundet daher nicht einen Vergütungsanspruch wie bei einem Arbeitsverhältnis, sondern einen Gewinnbeteiligungsanspruch ähnlich dem Anspruch aus einem Gesellschaftsverhältnis. Dem mitwirkenden Ehegatten steht nur ein angemessener Anteil an einem gemeinsam erzielten Gewinn zu (vgl. Schwind, Eherecht[2] 82; Fenyves in Ostheim aaO 147; Bydlinski, Zur Neuregelung des Ehegüterrechtes, Schwind-FS 34). Haben die Bemühungen beider Ehegatten zu keinem Gewinn geführt, kommt auch ein Anspruch auf Abgeltung der Mitwirkung nicht in Betracht. Es ist daher unerheblich, was die Antragstellerin bei Ausübung einer vergleichbaren Tätigkeit außerhalb ihrer Mitwirkung auf dem Arbeitsmarkt erzielen hätte können. Es sind daher bei der Ermittlung des Gewinnes aus der Zimmervermietung vom Bruttoerlös nicht nur die Ausgaben für die Führung des Betriebes, sondern auch alle Aufwendungen zur Tilgung eines etwa aufgenommenen Kapitals und die Aufwendungen für die Erhaltung oder Erneuerung des Hauses als der Quelle des Erwerbes, aber auch alle öffentlichen Abgaben abzuziehen. Nur wenn dann noch ein Gewinn verblieben ist und die Antragstellerin nicht einen ihrem Beitrag entsprechenden Anteil erhalten hat, hat sie einen Abgeltungsanspruch. Dem Antragsgegner ist zwar darin beizupflichten, daß bei dessen Bemessung sein Kapitaleinsatz zu berücksichtigen ist, bei einem arbeitsintensiven Betrieb wie dem der Fremdenbeherbergung bestehen aber, außer bei sehr hohem Kapitaleinsatz, keine Bedenken dagegen, daß der Arbeitseinsatz höher bewertet und keine gleichteilige Aufteilung des Gewinnes vorgenommen wird. Da präzise Feststellungen über den Gewinn des Unternehmens fehlen, werden diese in einer Form nachzuholen sein, die trotz aller Mängel der Aufzeichnungen der Antragstellerin von einer einer Bilanz zumindest angenäherten Grundlage ausgehen. Die Beweislast für ihre Ansprüche trifft die Antragstellerin, die das Unternehmen führte.
Da es sich bei dem Anspruch nach § 98 ABGB um einen Anspruch auf einen angemessenen Anteil am gemeinsam erzielten Gewinn handelt, kommt der Berücksichtigung eines Zinsverlustes und einer Minderung der Kaufkraft nicht in Betracht.
Nach der Anordnung des § 98 ABGB sind auch die Unterhaltsleistungen an den Anspruchsberechtigten angemessen zu berücksichtigen. Es wird dann auch zu klären sein, inwieweit die Antragstellerin für die festgestellten Unterhaltszahlungen des Antragsgegners in Geld hinaus im Rahmen der Führung des Beherbergungsbetriebes und aus dessen Erträgnissen ihren Unterhalt in Form von Naturalunterhalt oder Geldentnahmen bestritten hat. Ein der Antragstellerin allenfalls zugekommener Naturalunterhalt wird zu bewerten und bei der Bemessung des Abgeltungsanspruches zu berücksichtigen sein (vgl. Schwind aaO 84).