OGH 24.09.2008, 7Ob131/08b
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Roswitha H*****, vertreten durch Lambert Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Dipl.-Ing. Hans-Peter S*****, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in Gleisdorf, wegen 24.000 EUR, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom , GZ 5 R 59/08y-27, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
II. Ebenso wenig vermag die Revision wesentliche Mängel des Berufungsverfahrens und -urteils aufzuzeigen:
II.1. Die Klägerin weist in ihrer Revision (erstmals) darauf hin, dass der dem Erstgericht vorgelegte und im Akt befindliche Einbringungsvertrag vom (./2) nicht vollständig ist, weil sowohl von der Klägerin als auch den Unterinstanzen übersehen wurde, dass dessen Seiten 3 und 4 fehlen; dies wird ausdrücklich als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemacht. Ein (allfälliger) verfahrensrechtlicher Verstoß des Erstgerichts blieb in der Berufung ungerügt und kann deshalb in der Revision nicht mehr nachgeholt werden (RIS-Justiz RS0042963 [T30]). Die Wesentlichkeit eines allfälligen Mangels des Berufungsverfahrens vermag die Klägerin nur mit der (neuen) Behauptung darzutun, im (fehlenden) Punkt Fünftens des Einbringungsvertrags sei vereinbart, dass die Gesellschaft alle zum bestehenden Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens übernehme. Da aber beide Parteien in erster Instanz nur mit dem Punkt Viertens des Einbringungsvertrags in ihrem Vorbringen argumentierten und nur diesen für die Auslegung der strittigen Frage heranzogen, stellt die erstmals in der Revision aufgestellte Behauptung zum Inhalt des angeblich relevanten Punktes Fünftens eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung dar (§ 504 Abs 2 ZPO). Die von der Revision ausdrücklich gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist deshalb zu verneinen.
II.2. Zu den gerügten Begründungsmängeln genügt der Hinweis, dass ihnen, sofern sie überhaupt vorliegen, aus unterschiedlichen Gründen keine Wesentlichkeit zukommt, im Übrigen jedoch die Vorwürfe ungerechtfertigt sind.
III. Auch mit der Rechtsrüge werden keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt:
III.1.1. Die (neuerlich) versuchte Darstellung der von der Gesellschaft mit dem Beklagten abgeschlossenen Inkassozession als unzulässige Einlagenrückgewähr im Sinn des § 82 GmbHG setzt sich mit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, eine solche sei - angesichts der Inkassozession - schon mangels Vermögensverschiebung zum Beklagten zu verneinen, mit keinem Wort auseinander. Vielmehr leitet die Klägerin ihre aufrecht erhaltene Rechtsansicht aus (weiteren) unzulässigen Neuerungen ab, da sie in erster Instanz weder ein Umgehungsgeschäft behauptete noch sich auf ein Scheingeschäft ohne jede Gegenleistung berief. Die diesbezügliche Argumentation in der Revision erweist sich deshalb als nicht gesetzmäßig ausgeführt und muss nicht weiter behandelt werden.
III.1.2. Der erstmals in der Revision erhobene Einwand, die Inkassozession verstoße gegen die guten Sitten, stellt eine unbeachtliche Neuerung dar. Einen solchen Verstoß hat die Judikatur bisher dann angenommen, wenn die Abtretung mit dem Zweck vorgenommen wurde, eine Forderung von einem Vermögenslosen nur deshalb einklagen zu lassen, um sich dem Kostenrisiko zu entziehen (RIS-Justiz RS0032586 [T1]). In diese Richtung weisende Umstände hat die Klägerin aber - ungeachtet der sie treffenden Behauptungs- und Beweislast (RIS-Justiz RS0026205 [T3 und T6]) - in erster Instanz nicht behauptet.
III.2. Die Meinung, es fehle an der Aufrechenbarkeit der abgetretenen Forderungen der Gesellschaft mit dem Anspruch der Klägerin auf Bezahlung des Abtretungspreises, übersieht, dass es nicht nötig ist, dass Forderung und Gegenforderung aus demselben Rechtsgrund entstanden sind (Koziol/Welser II13 104).
III.3. Zum in der Revision erneut angesprochenen Verjährungseinwand hat sich die Klägerin in erster Instanz darauf beschränkt, zu den Schadenersatzforderungen der Gesellschaft gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit der Honorarnote der Klagsvertreter, der Honorarnote Dris. S*****, der Honorarnote des Steuerberaters Mag. Johannes U***** und der Rechnungen der Firma T***** „im Übrigen auch Verjährung" einzuwenden, ohne dies durch weiteres (Tatsachen-)Vorbringen zu stützen. Es trifft aber denjenigen, der die Verjährung einwendet, die Behauptungs- und Beweislast für jene Tatsachen, die seine Einrede zunächst einmal schlüssig begründen (RIS-Justiz RS0034326 [T3]), sowie dafür, dass die für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist relevante Kenntnis des Gegners zu einem bestimmten Zeitpunkt schon bestanden hat (RIS-Justiz RS0034456 [T3 und T4]). Der völlig substratlose Verjährungseinwand der Klägerin zu den genannten Gegenforderungen erweist sich daher als unbeachtlich.
IV. Konsequenzen:
IV.1.1. Wie schon das Berufungsgericht - von der Revision inhaltlich unkritisiert - ausgeführt hat, ist die Zessionsvereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Beklagten, wonach sämtliche Ansprüche der Gesellschaft gegen die Klägerin „aufgrund von ihr nicht geschuldeter Zahlungen" zediert werden, als Abtretung der Rückforderungsansprüche der Gesellschaft gegen die Klägerin aufgrund von Zahlungen, die die Klägerin unberechtigt zu Lasten der Gesellschaft tätigte, zu verstehen und ausreichend bestimmt. Ihre von der Klägerin angenommene Nichtigkeit liegt nicht vor. Der Zeitpunkt ihrer Vereinbarung steht mit Februar oder März 2007 fest. Von der Inkassozession sind inhaltlich zweifellos - unter dem Titel des Schadenersatzes - die Rückforderungen wegen der ungerechtfertigten Auszahlungen an die Klagsvertreter und der Abfertigung erfasst. Ebenso erfasst ist auch die darin ausdrücklich erwähnte Forderung auf Ausgleich des Negativsaldos auf dem Verrechnungskonto der Klägerin bei der Gesellschaft.
IV.1.2. Aus folgenden Gründen ist von der Berechtigung der genannten Gegenforderungen im Gesamtumfang von 28.784,34 EUR auszugehen:
Schon in der Berufung blieb die Rechtsansicht des Erstgerichts unbekämpft, die Forderungen der Gesellschaft wegen der Abfertigung der Klägerin und aus dem Verrechnungskonto seien berechtigt, sodass diese rechtliche Beurteilung des Ersturteils auch vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden darf (RIS-Justiz RS0043605 [T1]; 7 Ob 510/87). Die allseitige Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Berufungsurteils durch den Obersten Gerichtshof ist nämlich auf jene Umstände beschränkt, die Gegenstand des Berufungsverfahrens waren (RIS-Justiz RS0043573 [T41]).
Die Feststellungen des Erstgerichts zum Gegenstand des von den Klagevertretern verrechneten Honorars sind zusammenfassend dahin zu verstehen, dass zumindest die Hälfte in keinem Zusammenhang mit Leistungen für die Unternehmenseinbringung standen, im Übrigen jedoch keine positive Feststellung getroffen werden kann. Daher ist davon auszugehen, dass das Honorar der Klagsvertreter zu jedenfalls 50 % für private Zwecke der Klägerin und/oder ihres (früheren) Ehegatten anfiel. Eine Vereinbarung im Einbringungsvertrag, die übernehmende Gesellschaft habe auch private Schulden der Klägerin und/oder ihres (früheren) Ehegatten zu tragen, hat die Klägerin in erster Instanz gar nicht behauptet, sondern nur die Verpflichtung der Gesellschaft zur Übernahme bestehender Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens. Das soll auch dem Inhalt des bisher unbeachtet gebliebenen Punktes Fünftens des Einbringungsvertrags entsprechen. Die Auszahlung des Hälftebetrags von 11.290,20 EUR durch die Klägerin an die Klagsvertreter erfolgte daher zu Unrecht und stellt deshalb eine berechtigte Forderung der Gesellschaft auf Rückersatz durch die Klägerin dar.
IV.2. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Aufrechnung im Prozess mit Schuldtilgungseinwand, der sich auf eine vor oder auch während des Prozesses vollzogene (außergerichtliche) Aufrechnung stützt, oder durch prozessuale Aufrechnungseinrede gemäß § 391 Abs 3 ZPO geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0040879). Der Beklagte hat sich in seinem Vorbringen primär auf den Schuldtilgungseinwand gestützt, bei dem die außergerichtliche Kompensation unbedingt erklärt wird und der die Anerkennung der Hauptforderung - die hier ausdrücklich erfolgte - voraussetzt. Ein erfolgreicher Schuldtilgungseinwand führt zur Klagsabweisung.
Die Wirkung der Aufrechnung wird auf den Zeitpunkt zurückbezogen, in welchem sich die Forderungen zuerst aufrechenbar gegenüberstanden (RIS-Justiz RS0033904). Dieser Zeitpunkt war im vorliegenden Fall nicht bereits die Fälligkeit des Abtretungspreises am , sondern erst das Wirksamwerden der Zession im Februar oder März 2007, weil es davor an der Voraussetzung der Gegenseitigkeit der Forderungen fehlte. Mit Erklärung der außergerichtlichen Aufrechnung durch das Schreiben vom bestand diese Gegenseitigkeit, sodass im Umfang der Berechtigung der Forderungen, mit denen aufgerechnet wurde, insoweit die Klagsforderung auf Zahlung des Abtretungspreises erloschen ist (§ 1438 ABGB). Dies trifft auf alle drei oben erörterten Gegenforderungen von zusammen 28.784,34 EUR zu, weshalb vom Erlöschen der Klagsforderung auszugehen ist. In der Klagsabweisung ist daher ein vom Obersten Gerichtshof aufzugreifender Rechtsirrtum der Vorinstanzen nicht zu erkennen.
V. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in ecolex 2009/50 S 146 - ecolex 2009,146 XPUBLEND |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2008:0070OB00131.08B.0924.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAD-36523