OGH 30.10.2015, 5Ob120/15f
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Marktgemeinde J*****, vertreten durch Stenitzer & Stenitzer Rechtsanwälte OG in Feldbach, (Einschreiter Vermessungsamt F*****), wegen Eintragungen nach den §§ 15 ff LiegTeilG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , AZ 4 R 308/14i, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldbach vom , NGB 682/2014-2, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Anmeldungsbogen vom - eingebracht durch das Vermessungsamt F***** - wurden gemäß den §§ 15 ff LiegTeilG im Grundbuch der Katastralgemeinde ***** Grundstücks-veränderungen laut der Trennstücktabelle zu GZ ***** begehrt. Als Antragstellerin wurde die Marktgemeinde J***** genannt. Das Vermessungsamt bestätigte auf dem Anmeldungsbogen gemäß § 16 LiegTeilG nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse, dass eine Weganlage (1555/5) errichtet wurde.
Das Erstgericht wies das Grundbuchsgesuch ab, weil hinsichtlich des Trennstücks 2 des Grundstücks 1550/22 (Zuschreibung zum Grundstück .134 verbunden mit Eigentümerwechsel) die Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG nicht vorlägen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Marktgemeinde J***** nicht Folge. Das vereinfachte Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG sei nach § 15 Z 2 auch auf Grundstücksreste, die durch eine in Z 1 umschriebene Anlage (hier Weganlage) von den Stammgrundstücken abgeschnitten worden seien, und zwar auch bei Übertragung des Eigentumsrechts, anzuwenden. Das Grundbuchsgericht habe zwar die vorgelegten Urkunden nicht inhaltlich zu prüfen, weshalb die vom Vermessungsamt bestätigte Tatsache der Errichtung einer Anlage iSd § 15 LiegTeilG nicht mehr überprüft werden dürfe. Die Bestätigung der Vermessungsbehörde habe aber nur den Gesamtcharakter der Anlage zum Gegenstand. Das Grundbuchsgericht habe mit dem Anmeldungsbogen zu prüfen, ob die darin enthaltenen Grundstücke unter § 15 LiegTeilG zu subsumieren seien. Im Rahmen dieser eröffneten Prüfungsmöglichkeit sei dem Erstgericht beizupflichten, dass es sich beim Trennstück 2 um keinen „Grundstücksrest“ iSd § 15 Z 2 LiegTeilG handle.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil - soweit überblickbar - der Oberste Gerichtshof mit der Auslegung des Begriffs Grundstücksrest iSd § 15 Z 2 LiegTeilG idF der Grundbuch-Novelle 2008 noch nicht befasst gewesen sei.
Der Revisionsrekurs der Marktgemeinde J***** ist entgegen diesem nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. § 16 LiegTeilG idF der Grundbuch (GB)-Novelle 2008, BGBl I 2008/100, lautet - soweit relevant:
„Die Vermessungsbehörde kann den Antrag auf lastenfreie Ab- und Zuschreibung der in § 15 angeführten Grundstücke beurkunden; wenn der Antragsteller gegenüber der Vermessungsbehörde erklärt, dass bestimmte Dienstbarkeiten, die auf diesen Grundstücken lasten, aufrecht bleiben sollen, ist der Antrag auf Mitübertragung dieser Dienstbarkeiten zu beurkunden. Überdies hat die Vermessungsbehörde in der Beurkundung nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse zu bestätigen, dass eine der in § 15 angeführten Anlagen errichtet bzw aufgelassen wurde. ...“
2. Die Revisionsrekurswerberin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass die Grundbuchsgerichte die Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren nach den §§ 15 LiegTeilG nicht prüfen dürften. Nach der Neufassung des § 16 LiegTeilG beurkunde das Vermessungsamt nämlich nicht nur das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des §§ 15 ff LiegTeilG, sondern - nach dem Vorbild des § 13 - auch den Antrag auf bücherliche Durchführung. Diese Änderung solle nach der Absicht des Gesetzgebers zu einer beträchtlichen Beschleunigung der Erledigung von Anmeldungsbögen führen.
3. Das durch die Neufassung des § 16 LiegTeilG verfolgte Ziel des Gesetzgebers der GB-Nov 2008, BGBl 2008/100, Anmeldungsbögen beschleunigt zu erledigen, bezieht sich aber auf den Inhalt des bewilligenden Beschlusses, der durch einen formgerecht beurkundeten Antrag im Anmeldungsbogen bereits vorgegeben ist. Das Gericht muss nicht mehr selbst erarbeiten, durch welche Grundbuchseintragungen die durch eine Anlage verursachten, aus dem Anmeldungsbogen und dessen Beilagen ersichtlichen Änderungen (so § 18 Abs 1 in der geltenden Fassung) umgesetzt werden (ErläutRV 542 BlgNR 23. GP 16 f; 5 Ob 223/11x; 5 Ob 23/14i; vgl Rassi Grundbuchsrecht² Rz 529).
4. Diese Beschleunigung hielt der Gesetzgeber aus folgenden Erwägungen für notwendig: Die Verbücherung hat nach der geltenden Rechtslage aufgrund des Anmeldungsbogens von Amts wegen zu geschehen (§ 18 Abs 1). Die Vermessungsbehörde beurkundet nach dem neu gefassten § 16 im Anmeldungsbogen (auch) den Antrag auf bücherliche Durchführung, wobei in aller Regel der zukünftige Eigentümer der Anlage oder - bei aufgelassenen Anlagen - der bisherige Eigentümer als Antragsteller auftreten wird. Durch diese Neuregelung wird der Anmeldungsbogen zum Grundbuchsstück iSd § 448 Geo, er ist daher in das Tagebuch einzutragen und entsprechend rasch zu erledigen (ErläutRV aaO). Seit der GB-Nov 2008 hat das Grundbuchsgericht im Sonderverfahren aufgrund eines Antrags zu entscheiden.
5. Die Bestimmungen der §§ 15 ff LiegTeilG sind nach der Judikatur restriktiv auszulegen, um ihre Verfassungskonformität - insbesondere im Hinblick auf den Eigentumsschutz - zu wahren. Ist eine der Voraussetzungen in den §§ 15 ff LiegTeilG nicht erfüllt, kann die Verbücherung der Rechtsänderung nur nach den strikten Vorgaben des GBG erfolgen (RIS-Justiz RS0118785; RS0118786). Nach der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0066243) ist das Vorliegen der Voraussetzungen für die grundbücherliche Teilung, Ab- und Zuschreibung von Grundstücken nach dem LiegTeilG von den Grundbuchsgerichten zu beurteilen, was auch für das Sonderverfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG gilt. Die im Revisionsrekurs gewünschte Bindung des Gerichts an eine Beurkundung des Antrags nach § 16 Satz 1 LiegTeilG im Sinn des Ausschlusses jeglicher Überprüfbarkeit widerspricht diesen Grundsätzen.
6. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu §§ 15, 16 LiegTeilG idF vor der GB-Nov 2008 hat das Grundbuchsgericht die Übereinstimmung der auf dem Anmeldebogen der Vermessungsbehörde enthaltenen Bestätigung mit den tatsächlichen Verhältnissen (nunmehr: § 16 Satz 2 LiegTeilG) nicht zu überprüfen (RIS-Justiz RS0060682). Diese Bestätigung der Vermessungsbehörde hat jedoch nur den Gesamtcharakter der Anlage zum Gegenstand und schließt daher die selbständige Prüfung durch das Gericht nicht aus, ob die Voraussetzungen des § 15 LiegTeilG hinsichtlich der im Anmeldungsbogen genannten Grundstücke vorliegen (RIS-Justiz RS0110053; Mahrer in Kodek, Grundbuchsrecht 1.01 § 15 LiegTeilG Rz 8; Rassi aaO). Die Vorinstanzen waren daher an die Bestätigung der Vermessungsbehörde (iSd § 16 Satz 2 LiegTeilG) gebunden, dass eine der in § 15 Z 1 LiegTeilG genannten Anlagen (Wegeanlage) tatsächlich errichtet wurde (RIS-Justiz RS0066286).
7. Das vereinfachte Verbücherungsverfahren ist gemäß § 15 Z 1 LiegTeilG idF der GB-Nov 2008 nicht mehr nur auf Grundstücke anzuwenden, die (ua) zur Herstellung oder Umlegung von Straßen-, Wege- oder Eisenbahn- oder Wasserbauanlagen verwendet worden sind. Auch Anlagen zur Abwehr von Lawinen oder dergleichen sind nunmehr ausdrücklich erfasst (ErläutRV aaO 16).
8. Diese Erweiterung ist hier nicht relevant, weil eine bereits unter § 15 Z 1 LiegTeilG aF fallende Wegeanlage errichtet wurde. Die Anwendung des Sonderverfahrens setzt nach dem klaren Wortlaut der insoweit unverändert gebliebenen Bestimmung nach wie vor die tatsächliche Verwendung der betroffenen Grundstücke für die (ua) Herstellung einer Anlage voraus. Die Eigentumsveränderung müsste demnach durch die Errichtung der Anlage selbst herbeigeführt worden sein (vgl RIS-Justiz RS0066271; 5 Ob 52/92; 5 Ob 104/95). Das vereinfachte Verfahren findet nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs ohne Zusammenhang mit der Errichtung eines Wegs nicht statt (RIS-Justiz RS0066272; RS0066265 [T1]; RS0066387 [T3]).
9. Nach § 15 Z 2 LiegTeilG ist seit der GB-Nov 2008 das vereinfachte Sonderverfahren bei Grundstücksresten, die durch eine solche Anlage von den Stammgrundstücken abgeschnitten worden sind, zulässig und zwar auch bei Übertragung des Eigentumsrechts. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 15 Z 3 LiegTeilG aF („abgeschnittene Grundstücksreste“) boten die Sonderbestimmungen der §§ 15 ff LiegTeilG hingegen keine Rechtsgrundlage für die Zuschreibung eines Grundstücksrests zur Liegenschaft eines anderen Eigentümers (RIS-Justiz RS0118784; ErläutRV 542 BlgNR 23. GP 13).
10. Die Änderung der Rechtslage durch die GB-Nov 2008 besteht in diesem Zusammenhang also nur darin, dass seither die Zuschreibung eines abgeschnittenen Grundstücksrests im Sonderverfahren auch unter Eigentumswechsel zulässig ist. Zum Begriff „Grundstücksrest“ kann daher auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 15 Z 3 LiegTeilG idF vor der GB-Nov 2008 zurückgegriffen werden. Danach nehmen solche Grundstücksreste bei der Verbücherung von Straßen-, Wege- und Wasserbauanlagen nach den §§ 15 ff LiegTeilG eine Sonderstellung ein, weil sie nicht für die Anlage (etwa einen Weg oder Wasserlauf) verwendet worden, sondern von ihr nur mittelbar (durch die Abschneidung vom jeweiligen Stammgrundstück) betroffen waren (5 Ob 9/04s). Die vom Rekursgericht gestellte Frage kann anhand der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beantwortet werden.
11. Die Voraussetzungen für das Sonderverfahren nach § 15 Z 1 oder 2 LiegTeilG lassen sich aus den bereits im Rekurs erhobenen und in dritter Instanz wiederholten Behauptungen der Antragstellerin nicht ableiten: Es soll das Grundstück .134 vor der Verlegung der Straße einen direkten Anschluss an das öffentliche Gut gehabt haben, der auch danach gewährleistet sein müsse. Daher sei es erforderlich, das Trennstück 2 dem erwähnten Grundstück zuzuschreiben. Die Beseitigung des Zugangs zum öffentlichen Gut mag Folge der Verlegung der Straße sein, sie muss aber nicht die Verwendung des genannten Trennstücks für die Schaffung der neuen Trasse oder seine Trennung von der Stammliegenschaft bedeuten.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00120.15F.1030.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAD-36498