OGH vom 25.10.2002, 1Ob133/02v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Ebner und Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Günther Riess, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 17.796,65 EUR (= 244.887,21 S) sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 37/02a-12, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 12 Cg 79/01z-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.000,98 EUR (darin 166,83 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Notariatsakt vom wurde ein Schenkungsvertrag auf den Todesfall errichtet, mit dem die Geschenkgeberin ihr gesamtes gegenwärtiges und künftiges Vermögen dem Kläger mit Ausnahme einer diesem bereits mit Schenkung unter Lebenden übertragenen Liegenschaft schenkte; die Übergabe und Übernahme sämtlicher Vermögenswerte in das alleinige Eigentum des Klägers sollte erst mit dem Ableben der Geschenkgeberin erfolgen. Diese starb am .
Zu ihrem Vermögen gehörten mehrere Sparbücher, darunter auch das hier streitverfangene Sparbuch mit einem zum Todestag ausgewiesenen Einlagestand von S 243.751,01. Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach der Geschenkgeberin beantragte der Kläger unter anderem, die beklagte Partei anzuweisen, dieses Sparbuch auf ihn "umzuschreiben", weil er "darüber verfügungsberechtigt" sei. Diesen Antrag wies das Verlassenschaftsgericht mit Beschluss vom ab, einem (vom Kläger) dagegen erhobenen Rekurs wurde nicht Folge gegeben; diese Entscheidungen sind rechtskräftig.
Mit Schreiben vom übermittelte der Kläger der beklagten Partei Ablichtungen des notariellen Schenkungsvertrags, des vom Notar aufgenommenen Abhandlungsprotokolls vom sowie des zuvor zitierten Beschlusses des Verlassenschaftsgerichts mit dem Ersuchen, ihm die im Abhandlungsprotokoll angeführten und bei der beklagten Partei befindlichen Vermögenswerte binnen 14 Tagen auszufolgen. Am präsentierte er der beklagten Partei die in seinem Besitz befindlichen Sparbücher und benannte die ihm bekannten Losungswörter. Lediglich für das streitverfangene Sparbuch konnte er das richtige Losungswort nicht nennen, weshalb ihm die beklagte Partei trotz Vorlage des Sparbuchs die Auszahlung des Guthabens verweigerte. Sie hielt ihre Weigerung trotz anwaltlicher Aufforderung, dem Kläger das Sparguthaben ohne Nennung des Losungsworts auszuzahlen, mit der Begründung aufrecht, dass sich seine "Berechtigung am Sparbuch" erst aus der Mitteilung des richtigen Losungsworts ableiten ließe. Auf das zumindest seit 1996 bestehende Sparbuch hatte die Geschenkgeberin regelmäßig Einzahlungen geleistet; das Guthaben wurde laufend erhöht.
Der Kläger begehrte die Zahlung von 17.796,65 EUR (= S 244.887,21) "gegen Vorlage des Sparbuchs ... ohne Angabe des Losungsworts". Das Sparbuch habe zum Vermögen der Geschenkgeberin gehört, und das Eigentum an diesem Sparbuch sei laut notariellem Schenkungsvertrag mit dem Tod der Geschenkgeberin auch ohne formelle Übergabe auf ihn übergegangen.
Die beklagte Partei wendete ein, nur über eine Spareinlage, die von Todes wegen erworben worden sei, könne ohne Angabe des Losungsworts verfügt werden. In diesem Falle werde diese durch einen entsprechenden gerichtlichen Beschluss ersetzt, in dem festgehalten sei, dass der Erbe bzw Vermächtnisnehmer zur Verfügung über die Spareinlage berechtigt sei. Ein Schenkungsvertrag auf den Todesfall sei ein Geschäft unter Lebenden und nicht ein solches von Todes wegen, wofür die Ausnahmebestimmung des § 31 Abs 3 BWG gelten würde. Über das Sparguthaben könne daher nur entweder mittels gerichtlicher Ermächtigung oder mit Zustimmung der gesetzlichen Erben der Geschenkgeberin verfügt werden, weil ein zweifelsfreier Nachweis der materiellen Berechtigung des Klägers mangels dessen Kenntnis des Losungsworts nicht gegeben sei. Das Sparbuch sei zum Todeszeitpunkt noch der Verlassenschaft zugehörig gewesen, sodass das Verlassenschaftsgericht die Berechtigung des Klägers zur Verfügung über die Spareinlage hätte beschlussmäßig feststellen müssen. Der Antrag des Klägers hätte nicht abgewiesen werden dürfen, weil auch ein auf den Todesfall geschenktes Sparbuch zum Nachlass gehöre. Der Kläger könne seine Verfügungsberechtigung nicht in einer jeden Zweifel auschließenden Art und Weise nachweisen, sei er doch zur Verfügung über die Hälfte des Vermögenszuwachses seit Errichtung des notariellen Schenkungsvertrags auf den Todesfall gemäß § 944 ABGB nicht berechtigt.
Dem hielt der Kläger entgegen, die Geschenkgeberin habe wirksam auch zukünftiges Vermögen ohne die Beschränkung des § 944 ABGB verschenken können; der Einwand dieser Beschränkung stehe lediglich den gesetzlichen Erben zu.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - ausgenommen ein unangefochten abgewiesenes Zinsenmehrbegehren - statt. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus fest, auch das streitvergangene Sparbuch habe zum Vermögen der Geschenkgeberin gehört.
Rechtlich meinte es, durch die Vorlage des Schenkungsvertrags, des notariellen Protokolls und des Beschlusses des Verlassenschaftsgerichts vom habe der Kläger sein Verfügungsrecht über die Spareinlage im Sinne des § 31 Abs 3 BWG - auch ohne Nennung des Losungsworts - nachgewiesen. Demnach sei die beklagte Partei verpflichtet, dieses Guthaben - nach Vorlage der Sparurkunde - auszuzahlen. Die Voraussetzungen für die Gültigkeit der Schenkung seien erfüllt, Zweifel am Schenkungswillen der Geschenkgeberin bestünden nicht. Es sei unwesentlich, ob die Entscheidungen des Verlassenschaftsgerichts über den Ausfolgungsantrag des Klägers rechtlich richtig seien.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Schenkung des gesamten gegenwärtigen und künftigen Vermögens - allenfalls mit der Beschränkung nach § 944 zweiter Satz ABGB - könne Gegenstand eines Schenkungsvertrags auf den Todesfall sein. Diese entfalte ihre "eigentliche" Wirkung erst beim Ableben des Geschenkgebers und sei daher ein Geschäft "von Todes wegen". Der Kläger habe das Sparbuch von Todes wegen erworben, was zur Folge habe, dass er zur Realisierung der Spareinlage zwar die Sparurkunde habe vorlegen, aber kein Losungswort habe angeben müssen. Den Erwerb von Todes wegen habe er durch die der beklagten Partei vorgelegten Unterlagen ausreichend nachgewiesen. Ein sogenannter "Rotsiegelbeschluss" sei nicht Voraussetzung dafür, dass über die von Todes wegen erworbenen Spareinlagen verfügt werden könne. Eine Schenkung des gesamten Vermögens auf den Todesfall sei, soweit es um das danach erworbene Vermögen gehe, gemäß § 944 zweiter Satz ABGB nur im Ausmaß des halben Vermögens wirksam, sodass dem oder den Erben die Hälfte des nach der Schenkung erworbenen Vermögens vorbehalten bleibe. Dieser Teil falle in den Nachlass und insoweit sei eine Verlassenschaftsabhandlung durchzuführen. Es stehe allerdings nur den Erben das Recht zu, die Einleitung einer solchen Abhandlung zu verlangen. Ein solcher Antrag sei nicht gestellt worden, obwohl das Verlassenschaftsgericht ausgesprochen habe, dass mangels abhandlungspflichtigen Nachlassvermögens eine Verlassenschaftsabhandlung nicht stattfinde, weil der gesamte Nachlass durch den Schenkungsvertrag auf den Todesfall erschöpft sei und dass die geschenkte Sache zwar zum Nachlassvermögen gehöre, diesem jedoch durch Sonderrechtsnachfolge entzogen worden sei und damit nicht in die Erbschaft falle. Das Verlassenschaftsgericht habe auch den Antrag des Klägers, die beklagte Partei anzuweisen, unter anderem das streitverfangene Sparbuch auf ihn "umzuschreiben", abgewiesen, weil es den Kläger ohnehin als darüber verfügungsberechtigt erachtet und die Ansicht vertreten habe, dass der auf den Todesfall Beschenkte ab dem Todeszeitpunkt des Geschenkgebers unabhängig vom Gang des Nachlassverfahrens Eigentum erwerben könne. Sofern das Verlassenschaftsgericht Vermögen - hier das Sparbuch - aus dem Nachlassvermögen ausgeschieden habe, sei es nicht Aufgabe des Prozessgerichts zu prüfen, ob von dem auf den Todesfall geschenkten Vermögen auch "zukünftiges" Vermögen umfasst sei, worüber die Geschenkgeberin nicht habe wirksam verfügen können und worauf die Erben Anspruch hätten. Derartiges könnten nur die Erben, nicht aber die beklagte Partei geltend machen. Es sei irrelevant, ob das Sparbuch als Rektapapier zu qualifizieren sei, denn der Kläger könne über die von Todes wegen erworbene Spareinlage jedenfalls ohne Angabe des Losungsworts verfügen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin bezweifelt nicht, dass ein unbeschränkter Eigentümer grundsätzlich sein ganzes gegenwärtiges Vermögen verschenken kann: Das ist übrigens im ersten Satz des § 944 ABGB ausdrücklich verankert. Es begegnet aber auch keinerlei Bedenken, dass ein unbeschränkter Eigentümer unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften auch sein künftiges Vermögen verschenken kann. Da ein Vermögen als Gesamtsache im Sinne des § 302 ABGB Gegenstand der Schenkung sein kann, muss dies auch für künftiges Vermögen gelten, wenngleich gesetzliche Beschränkungen - hier der zweite Satz des § 944 ABGB - zu beachten sind. Die Schenkung künftigen Vermögens könnte nur insoweit rechtsunwirksam sein, als sie dem gesetzlichen Gebot des § 944 Satz 2 ABGB widerspräche. Der hier zu beurteilende Schenkungsvertrag auf den Todesfall ist an sich somit rechtswirksam. Gerade die von der Revisionswerberin angeführten Beispiele ("freies Viertel" bei Erbverträgen, zweiter Satz des § 944 ABGB) zeigen, dass gegenwärtiges und künftiges Vermögen verschenkt werden kann, sofern dabei die einschränkenden und übereilten Bindungen vorbeugenden gesetzlichen Bestimmungen Beachtung finden.
Das Berufungsgericht hat den Schenkungsvertrag auf den Todesfall zu Recht als ein Geschäft "von Todes wegen" beurteilt. Gewiss sind Schenkungen auf den Todesfall im Sinne des zweiten Falls des § 956 ABGB "unter Lebenden gemacht", und das auf den Todesfall Geschenkte bleibt bis zum Todeszeitpunkt Vermögen des Geschenkgebers; die Schenkung entfaltet ihre eigentliche Wirkung erst bei dessen Ableben (6 Ob 37/02p; NZ 2001, 308; SZ 72/143; SZ 69/108; Schubert in Rummel ABGB3 Rz 1 zu § 956; Koziol-Welser II12 501).
Der Umstand, dass die Schenkung unter Lebenden gemacht wurde, besagt keineswegs, dass das geschenkte Gut (im Sinne des § 31 Abs 3 BWG) nicht "von Todes wegen erworben " worden wäre. Das hier streitverfangene Sparbuch wurde somit zwar "unter Lebenden" geschenkt, diese Schenkung ist aber erst mit dem Tod der Geschenkgeberin wirksam geworden, und deshalb ist auch der Erwerb dieses Vermögensteils "von Todes wegen" erfolgt. Daher schadet es auch nicht, dass die Schenkung auf den Todesfall aus grundverkehrsrechtlicher Sicht - zu Recht - als Rechtsgeschäft unter Lebenden zu gelten hat (NZ 2000, 317).
Da der Kläger die Spareinlage von Todes wegen erworben hat, kann er gemäß § 31 Abs 3 BWG über diese ohne Angabe des Losungsworts verfügen. Die Geschenkgeberin hat dem Kläger unbestrittenermaßen ihr gesamtes gegenwärtiges und künftiges Vermögen - mit Ausnahme einer bereits zu Lebzeiten übertragenen Liegenschaft - auf den Todesfall geschenkt. Das - also den Erwerb von Todes wegen - hat der Kläger der beklagten Partei auch eindeutig nachgewiesen, hat er ihr doch den Notariatsakt vom und insbesondere den Beschluss des Abhandlungsgerichts vom , aus dem hervorgeht, dass der Kläger vom Verlassenschaftsgericht als über das gesamte geschenkte Vermögen verfügungsberechtigt angesehen wurde, vorgelegt. Die Tatsache, dass der Kläger auch die streitverfangene Spareinlage von Todes wegen erworben hatte, war somit auch für die beklagte Partei nicht zweifelhaft.
Daran ändert auch nichts, dass gegebenenfalls ein Abhandlungsverfahren durchzuführen gewesen wäre (vgl 7 Ob 56/00m; SZ 69/108; SZ 59/9; NZ 1969, 75; Schubert aaO Rz 3 zu § 956). Maßgeblich ist nämlich nur, ob der Kläger in diesem Rechtsstreit den Beweis seines Verfügungsrechts über das Sparbuch erbrachte; das ist nach den vorinstanzlichen Verfahrensergebnissen zu bejahen. Die Vorgangsweise des Abhandlungsgerichts und dessen - abweislichen - Beschluss über den Antrag des Klägers sind für die im Rechtsstreit zur Lösung anstehende Frage, ob dem Kläger kraft der Schenkung auf den Todesfall das Recht zur Verfügung über das Sparbuch zukommt, sodass die beklagte Bank seiner Verfügung nachzukommen hat, ohne jede Bedeutung. Ebenso bedeutungslos ist daher, ob der im Verlassenschaftsverfahren gefasste, die Verfügungsberechtigung des Klägers (lediglich in der Begründung) bejahende Beschluss mit einem besonderen Gerichtssiegel im Sinne der §§ 68 Abs 2 und 149 Abs 4 Geo hätte versehen werden müssen. Die beklagte Partei kann dem Kläger, der im Zivilrechtsstreit den Erwerb von Todes wegen nachgewiesen hat, nicht mit Erfolg entgegenhalten, das Verlassenschaftsgericht sei fehlerhaft vorgegangen. Die im Verlassenschaftsverfahren gefassten Beschlüsse entfalten auch nur für den Bereich dieses Verfahrens rechtliche Wirkung.
Es steht fest, dass der Kläger von Todes wegen die Spareinlage erworben hat; dann kann er aber gemäß § 31 Abs 3 BWG ohne Angabe des Losungsworts über diese Spareinlage verfügen. Ist der Erwerb des Sparbuchs von Todes wegen - wie hier - erwiesen, so bleibt es der beklagten Partei verwehrt, sich auf § 944 Satz 2 ABGB zu berufen. Diese Bestimmung dient dem Schutz des Geschenkgebers "vor sich selbst" und naher Angehöriger (Binder in Schwimann ABGB2 Rz 1 zu § 944 mwN), gewiss aber nicht dem Schutz eines Geldinstituts, bei dem eine Spareinlage verwahrt ist. Ein Verstoß gegen den zweiten Satz des § 944 ABGB macht den Schenkungsvertrag nicht absolut nichtig; es liegt vielmehr ein insofern relativ nichtiges Geschäft vor, als dessen Anfechtung nur den vom Schutzzweck des § 944 zweiter Satz ABGB umfassten Personen gestattet ist (vgl SZ 52/156).
Zumal der Kläger über das von Todes wegen erworbene Sparbuch ohne Angabe des Losungsworts verfügen darf, ist es auch bedeutungslos, ob dieses als Rektapapier oder als (vinkuliertes) Inhaberpapier anzusehen ist.
Der Revision der beklagten Partei ist ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.