OGH vom 29.08.2019, 3Ob124/18h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Erwachsenenvertretungssache des F*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Erwachsenenvertreters D*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 23 R 25/18s-121, mit dem der Rekurs des Erwachsenenvertreters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Schwechat vom , GZ 12 P 101/14p-118, zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Betroffenen unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Beschluss des Erstgerichts vom , ON 118, wurde dem Erwachsenenvertreter nach dem im Akt befindlichen Zustellnachweis am durch Hinterlegung beim Postamt Mödling zugestellt. Nach der vorliegenden Zustellkarte war die Sendung dort schon am abholbereit und wurde am an den Empfänger ausgefolgt.
Das Rekursgericht wies den vom Erwachsenenvertreter am im ERV eingebrachten Rekurs zurück, bewertete den Entscheidungsgegenstand 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Da hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten, habe die Rekursfrist am geendet. Der Rekurs sei daher verspätet.
Dagegen erhob der Erwachsenenvertreter ein (richtig) als außerordentlicher Revisionsrekurs zu wertendes Rechtsmittel, mit dem er die Aufhebung der Rekursentscheidung und die Zurückverweisung an das Rekursgericht zwecks Sachentscheidung anstrebt. Er macht geltend, der Beschluss ON 118 sei ihm nicht durch Hinterlegung zugestellt worden, sondern durch Ausfolgung am , sodass die Rekursfrist erst ab diesem Datum zu laufen begonnen habe und gewahrt worden sei. Zum Nachweis legte er eine „Bestätigung des Postamts Mödling (Sendungsnachforschung) vom “ vor (Beilage ./A). Aus dieser Urkunde und dem weiters in Kopie vorgelegten Kuvert der RSb-Sendung (Beilage ./B) ergebe sich zweifelsfrei, dass die Zustellung an den Sachwalter erst am um 19:23 Uhr vom Verteilerzentrum 1000 an das Verteilerzentrum Wien/Niederösterreich/Burgenland weitergeleitet und der Export „per“ um 10:33 Uhr erfolgt sei. Das Rekursgericht habe die Frage des Beginns der Rekursfrist gegen die dem Erwachsenenvertreter in einem P-Verfahren infolge Zustellung sowohl an ihn als auch an den Kuranden unrichtig gelöst.
Im Hinblick auf das Vorbringen im Revisionsrekurs hat der Oberste Gerichtshof, der in Bezug auf die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels auch „Tatsacheninstanz“ mit Erhebungspflichten sein kann (RISJustiz RS0006965 [T13, T 16]; RS0036430 [T3]), Einsicht in die vorgelegten Urkunden genommen und dem Erstgericht zweckdienliche Erhebungen über die Art und den Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses ON 118 an den Erwachsenenvertreter aufgetragen. Aufgrund des bereits im diesbezüglichen Beschluss vom , 3 Ob 124/18h, dargestellten widersprüchlichen Inhalts der vom Erwachsenenvertreter vorgelegten Urkunden einerseits und der Erhebungsergebnisse bei der Österreichischen Post AG (Mitteilung vom ; Einvernahme eines Mitarbeiters am ) andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass entgegen dem Inhalt der Zustellkarte eine Hinterlegung am nicht stattgefunden hat, sondern der Beschluss ON 118 (ohne vorangehende Hinterlegung) am an den Erwachsenenvertreter ausgefolgt wurde.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die unberechtigte Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (1 Ob 248/15z mwN). Er ist auch berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung hat ein Rechtsmittel bis zur sicheren Widerlegung von Zweifeln die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, ist also sachlich zu erledigen, solange nicht seine Verspätung eindeutig ausgewiesen ist. Die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit im Sinn verbleibender Zweifel an der Verspätung wirkt somit zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (RIS-Justiz RS0006965 [insb T 17]; 7 Ob 165/18t). Es ist daher davon auszugehen, dass der Rekurs des Erwachsenenvertreters tatsächlich rechtzeitig erhoben wurde. Das gilt auch für das vorliegende Rechtsmittel.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben. Das Rekursgericht wird diesen nunmehr meritorisch zu erledigen haben.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00124.18H.0829.000 |
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Fundstelle(n):
JAAAD-36462