OGH vom 15.12.1992, 1Ob632/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Dorothea S*****, infolge Revisionsrekurses der Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 44 R 664/92-44, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Mödling vom , GZ 1 SW 7/91-21, und vom , 1 SW 7/91-42, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Am übersandte die Exekutionsabteilung des Erstgerichtes der für Sachwalterschaftsverfahren zuständigen Abteilung den Exekutionsakt E 30.043/90 mit der Bitte um Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters bei der Verpflichteten Dorothea S*****, österreichische Staatsbürgerin, wohnhaft in *****, vorlägen. Das Erstgericht ersuchte daraufhin das Obergericht *****, die Betroffene über den Grund und Zweck des Verfahrens zu unterrichten und hiezu zu hören sowie den persönlichen Eindruck von der Betroffenen festzuhalten. Das Rechtshilfeersuchen blieb unerledigt, weil die Betroffene zur persönlichen Einvernahme nicht erschien. Das ***** Zivilprozeßrecht sehe für solche Fälle keine Zwangsvorführung der Partei vor.
Das Erstgericht bestellte einen Sachverständigen und ersuchte ihn, ein Gutachten darüber zu erstatten, ob aufgrund der Eingaben der Betroffenen auf eine psychische Krankheit oder geistige Behinderung geschlossen werden könne. Nach dem Gutachten des Sachverständigen bestünden bei der Betroffenen eindeutig paranoid gefärbte Gedankengänge, es habe sich im Rahmen einer fixen Idee ein paranoides Syndrom gebildet. Die Betroffene sei nicht in der Lage, sich selbst vor Gericht, Ämtern und Behörden zu vertreten, sie sei auch nicht prozeßfähig. Sie könne größere wirtschaftliche Entscheidungen, etwa die Frage der Kreditrückzahlungen, einer Zwangsversteigerung usw. nicht selbst entscheiden, ohne sich im Rahmen ihres Wahnsystems durch irrationale Entscheidungen schweren wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.
Aufgrund dieses Gutachtens bestellte das Erstgericht mit Beschluß ON 21 einen einstweiligen Sachwalter zur Vertretung im Sachwalterverfahren sowie zur Vertretung im Verfahren E 30.043/90 des Erstgerichtes. Mit Beschluß ON 42 wurde der Wirkungsbereich des einstweiligen Sachwalters unter anderem um die Vertretung der Betroffenen in allen vor österreichischen Gerichten und Behörden anhängigen Verfahren und zur Wahrnehmung ihrer Rechte für ihr in Österreich gelegenes Vermögen erweitert.
Das Rekursgericht gab den gegen die Beschlüsse ON 21 und 42 erhobenen Rekursen der Betroffenen nicht Folge. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Eine Erstanhörung der Betroffenen sei zwar nicht gelungen, dies könne aber nicht dazu führen, daß ein Sachwalterschaftsverfahren überhaupt nicht durchgeführt werden dürfe, weil dies dem Verfahrensziel entgegengesetzt wäre. Da dem Erstgericht wegen des Unterbleibens der Erstanhörung kein Verfahrensmangel vorzuwerfen sei und das Vorliegen einer psychischen Erkrankung auch durch die Einholung eines Aktengutachtens objektiviert worden sei, habe das Erstgericht das Verfahren gemäß § 238 AußStrG zu Recht fortgesetzt. Die Betroffene sei nach dem Ergebnis des Gutachtens aber auch bereits nach den für einen medizinischen Laien erkennbaren Inhalt ihrer Eingaben nicht in der Lage, ihre Interessen in gegen sie anhängigen Verfahren oder überhaupt gegenüber Behörden zielführend zu vertreten. Es sei ihr sowohl ein Verfahrenssachwalter zu bestellen als auch ein einstweiliger Sachwalter zur Besorgung ihrer dringenden Angelegenheiten. Da betreffend die Konsequenzen einer vom Betroffenen vereitelten Erstanhörung keine veröffentlichte Judikatur vorliege, diese Frage aber bedeutsam erscheine, sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Betroffenen ist nicht berechtigt. Die Rekurswerberin ist der Aktenlage nach österreichische Staatsbürgerin, die Voraussetzungen für die Bestellung eines vorläufigen Beistandes nach § 238 Abs 2 AußStrG sind dann aber nach ihrem österreichischen Personalstatut zu beurteilen (§ 15 IPRG;Schwimann in Rummel2 , Rz 2 zu § 15 IPRG). Die inländische Gerichtsbarkeit nach § 110 JN ist gegeben, weil nach der Mitteilung der Vormundschaftsbehörde der Stadt Z***** vom , ihr Beschluß vom angefochten wurde, sodaß der ernannte Beistand noch nicht tätig werden kann.
Die Frage, was vorzukehren sei, wenn sich der Betroffene der Ladung und Vorführung entzieht, ist im Gesetz nicht geregelt (6 Ob 581, 582/85; Gamerith in NZ 1988, 68). Während Gitschthaler, NZ 1990, 268 die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters zur Besorgung dringender Angelegenheiten für die Dauer des Verfahrens gemäß § 238 Abs 2 AußStrG ohne Anhörung des Betroffenen gemäß § 237 AußStrG deshalb für nichtig hält, weil massiv in die Rechtsstellung des Betroffenen eingegriffen werde, vertritt Gamerith aaO die Ansicht, es läge eine Nichtigkeit jedenfalls dann nicht vor, wenn sich der Betroffene - wie hier - am Verfahren habe beteiligen können.
Durch die WGN 1989 wurde das Revisionsrekursrecht im Verfahren außer Streitsachen an das Revisionsrecht der ZPO angepaßt. Nun ist zwar auch im Zivilverfahren anerkannt, daß die Nichtigkeitsgründe im § 477 ZPO nicht taxativ aufgezählt sind (vgl Fasching, LB2 Rz 1757 mwH), in der Unterlassung der Einvernahme einer Partei wird aber regelmäßig - wurde damit nicht gleichzeitig das rechtliche Gehör verletzt - kein solcher Verfahrensfehler erblickt, der in seiner Tragweite dem im § 477 ZPO normierten gleichkäme (7 Ob 611/85). Konnte die Betroffene, die sich dem im Gesetz vorgesehenen Gespräch mit dem erkennenden Richter erfolgreich entzogen hat, ihren Standpunkt ausführlich schriftlich darlegen, so liegt auch keine Nichtigkeit der angefochtenen Beschlüsse vor.
Inhaltlich erschöpft sich das Rechtsmittel der Betroffenen in den unzutreffenden Behauptungen, die Sachwalterschaft beruhe auf gefälschte Amtsakte, die Motive dafür seien in der Kriminalität öffentlicher Stellen und der Politik zu erblicken und ihr werde entgegen den Feststellungen der Vorinstanzen das Vorliegen einer Geisteskrankheit unterstellt.
Dem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.