OGH vom 31.08.2016, 7Ob130/16t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Prof. Dr. P***** W*****, vertreten durch den Verfahrens und einstweiligen Sachwalter Dr. Christian Fuchshuber, LL.M., Rechtsanwalt in Innsbruck, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen (vertreten durch den ehemaligen Verfahrens und einstweiligen Sachwalter) und des ehemaligen Verfahrens und einstweiligen Sachwalters Univ. Prof. Dr. K***** W*****, vertreten durch Dr. Klaus Rinner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 54 R 44/16s 63, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht hat den zum Verfahrens und einstweiligen Sachwalter bestellten Bruder des Betroffenen Univ. Prof. Dr. K***** W***** seines Amtes enthoben und Dr. Christian Fuchshuber, Rechtsanwalt, zum (neuen) Verfahrens und einstweiligen Sachverwalter mit sofortiger Wirkung bestellt und zwar zur Vertretung des Betroffenen bei dringenden medizinischen Heilbehandlungen, zur Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie zur Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten im In und Ausland.
Den dagegen vom ehemaligen Verfahrens- und einstweiligen Sachwalter im eigenen und im Namen des Betroffenen erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht mangels Rekurslegitimation zurück.
Rechtliche Beurteilung
1. Ein (endgültig bestellter) Sachwalter, dessen Bestellung nicht in seinem Interesse, sondern in dem des Betroffenen erfolgt, hat aus seiner Bestellung keine eigenen Rechte erworben, in die eingegriffen werden könnte (RIS Justiz RS0007280 [T7, T 9]). Es besteht kein gesetzlich verankertes Recht, in der Funktion des Sachwalters zu bleiben (RIS Justiz RS0007280 [T8], RS0006229 [T10]).
Nach der ständigen – jüngeren – Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs darf der bisherige (endgültig bestellte) Sachwalter gegen eine Umbestellung nicht im eigenen Namen Rechtsmittel erheben (vgl RIS Justiz RS0006229 [T23, T 24]; 1 Ob 3/09m und 1 Ob 99/12h ausdrücklich zum Verfahrenssachwalter).
2.1 In der Entscheidung 2 Ob 173/08t nahm der Oberste Gerichtshof – unter ausführlicher Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Lehre – dahin Stellung, dass die Bestellung eines Verfahrenssachwalters nach § 119 AußStrG auch nach dem Inkrafttreten des neuen AußStrG weiterhin bereits mit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses wirksam werde (RIS Justiz RS0124569). Diese Rechtsprechung führte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 3/09m fort: Wird der Beschluss über die Bestellung eines (neuen) Verfahrenssachwalters bereits mit der Zustellung wirksam, ist ab diesem Zeitpunkt der neu bestellte Verfahrenssachwalter befugt und verpflichtet, die Interessen des Betroffenen zu wahren, woraus folgt, dass die Vertretungsmacht des bisherigen Verfahrenssachwalters erloschen ist. Dieser ist ab dem Zeitpunkt, in dem er von seinem Amt enthoben wurde, nicht mehr legitimiert, gegen den „Umstellungsbeschluss“ Rechtsmittel zu erheben. Das Gericht hat nur noch den neu bestellten Verfahrenssachwalter als solchen zu behandeln.
2.2 Die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters erfolgt kraft gesetzlicher Anordnung (§ 120 Abs 1 AußStrG) mit sofortiger Wirkung (vgl RIS Justiz RS0008550). In der Entscheidung 8 Ob 103/06i ging der Oberste Gerichtshof bereits von der Wirksamkeit der Umbestellung eines einstweiligen Sachwalters mit Zustellung des Beschlusses aus.
2.3 Die durch das Rekursgericht erfolgte Verneinung der Vertretungsbefugnis des ehemaligen Verfahrens und einstweiligen Sachwalters, für den Betroffenen Rechtsmittel gegen die Umbestellung zu erheben, hält sich im Rahmen der bereits bestehenden oberstgerichtlichen Judikatur.
3. Bei offenkundig fehlender Einsichtmöglichkeit des Betroffenen in das Wesen der Vollmachtserteilung ist eine wirksame Bevollmächtigung eines gewählten Vertreters durch den Betroffenen nicht möglich (vgl 9 Ob 243/99x, 6 Ob 133/00b, 3 Ob 14/06i; RIS Justiz RS0008539).
Gegen die auf diese Rechtsprechung gegründete Beurteilung des Rekursgerichts, der Betroffene, bei dem ein posttraumatisches Zustandsbild verbunden mit Regression auf das Stadium völliger Hilflosigkeit und Pflegebedürftigkeit ohne Möglichkeit zur verbalen Kontaktaufnahme bestehe, könne für die Erhebung des Rekurses weder seinem Bruder noch einem Rechtsanwalt wirksam Vollmacht erteilen, wendet sich das Rechtsmittel nicht.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00130.16T.0831.000