OGH vom 16.05.2000, 5Ob120/00h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Barbara G*****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Schramm, Rechtsanwalt in 1010 Wien, gegen den Antragsgegner Dr. Johannes H*****, vertreten durch Dr. Johannes Hock jun., Rechtsanwalt in 1010 Wien, wegen §§ 16, 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 39 R 782/98h-14, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom , GZ 5 Msch 35/98p-10, bestätigt wurde, folgenden
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist Mieterin einer ca 129 m2 großen, mit Bad und WC ausgestatteten Wohnung im Haus *****, das im Eigentum des Antragsgegners steht. Sie ist 1997 gemäß § 14 MRG in den seit 1943 bestehenden Mietvertrag ihrer Großmutter eingetreten. Der Antragsgegner nahm dies zum Anlass, den Hauptmietzins gemäß § 46 Abs 2 MRG auf S 32,70 pro m2 anzuheben.
Die Antragstellerin meint, ihr dürfe lediglich der für eine Wohnung der Ausstattungskategorie D in unbrauchbarem Zustand zulässige Hauptmietzins vorgeschrieben werden. Sie hat deshalb zunächst bei der zuständigen Schlichtungsstelle der Stadt Wien, dann gemäß § 40 Abs 2 MRG bei Gericht beantragt, auf dieser Basis die Überschreitung des zulässigen Zinsausmaßes festzustellen; in eventu sollte festgestellt werden, dass der Antragsgegner zur Anhebung des Hauptmietzinses anlässlich des Eintritts der Antragstellerin in die Mietrechte ihrer Großmutter nicht berechtigt sei.
Auf die Wiedergabe des beiderseitigen Vorbringens und der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen kann verzichtet werden. Es geht im Revisionsrekursverfahren nur mehr um die Frage, ob die Antragstellerin die aus dem (angeblich) gefährlichen Zustand der Elektroinstallationen resultierende Unbrauchbarkeit der Wohnung im Zeitpunkt ihres Eintritts in den Mietvertrag dem Antragsgegner hätte anzeigen müssen, um ihm Gelegenheit zur Sanierung zu geben statt - wie dies geschehen ist - selbst die Installation durch einen Fachmann erneuern zu lassen. Das Ausmaß der Mietzinserhöhung für den Fall, dass die Antragstellerin mit ihrem Argument der Unbrauchbarkeit der Wohnung nicht durchdringen sollte, ist kein Streitpunkt mehr.
Das Erstgericht wies die beiden Feststellungsbegehren der Antragstellerin mit der Begründung ab, im konkreten Fall eines Mietrechtseintritts wäre dem Antragsgegner die Gefährlichkeit der elektrischen Installationen anzuzeigen gewesen, um ihm die Sanierung zu ermöglichen. Da dies nicht geschehen ist, sei für die Bemessung des zulässigen Mietzinses von der Brauchbarkeit der Wohnung auszugehen. Offen blieb dabei, ob die von der Antragstellerin behauptete Gefahrensituation nicht ohnehin auf Änderungen bzw Ergänzungen der Elektroinstallationen durch ihre Großmutter zurückzuführen war.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:
Gemäß § 3 Abs 2 Z 2 MRG treffe den Vermieter eine Erhaltungspflicht bezüglich der Mietgegenstände dann, wenn es sich um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses handelt oder wenn die Arbeiten erforderlich sind, um einen zu vermietenden Gegenstand in brauchbarem Zustand zu übergeben. Zu den ernsten Schäden einer Wohnung sei wohl auch die auf Grund sicherheitstechnischer Überlegungen gefährlich und unbrauchbar gewordene elektrische Anlage zu zählen.
Entstehen während eines ununterbrochenen Mietverhältnisses - also auch bei Eintritt in ein Mietverhältnis gemäß § 14 MRG - Mängel am Bestandobjekt, die diese Erhaltungspflicht des Vermieters auslösen, so treffe den Mieter die Verpflichtung, dem Vermieter die Mängel anzuzeigen und ihn allenfalls zu deren Behebung aufzufordern. Für den Fall, dass der Vermieter seiner Erhaltungspflicht nicht nachkommt, stehe dem Mieter die Möglichkeit offen, im außerstreitigen Verfahren seinen Anspruch gemäß §§ 3, 6 iVm § 37 Abs 1 Z 12 MRG durchzusetzen.
Im gegenständlichen Fall seien dem Vermieter die Mängel der elektrischen Anlage weder von der Antragstellerin noch von ihrer Rechtsvorgängerin angezeigt worden; es sei an ihn auch keine Aufforderung zur Instandsetzung ergangen. Der Vermieter habe während des ununterbrochen andauernden Mietverhältnisses keine Möglichkeit gehabt, von der schadhaft bzw unbrauchbar gewordenen elektrischen Anlage der Wohnung Kenntnis zu erlangen. Er sei daher berechtigt, den Mietzins für den für unbrauchbare Wohnungen geltenden Kategorie-D-Zins hinaus zu erhöhen. Der Antragstellerin bleibe das Recht, dem Antragsgegner die Mängel der elektrischen Anlage anzuzeigen. Bis dahin dürfe ihr jedoch der Antragsgegner den erhöhten Mietzins vorschreiben.
Diese Entscheidung enthält in der nunmehr gemäß § 528 Abs 2a ZPO iVm § 37 Abs 1 Z 16 MRG revidierten Fassung den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies mit dem Fehlen höchstgerichtlicher Judikatur zum angesprochenen Problem einer den Mieter bei aufrechtem Mietverhältnis treffenden Obliegenheit zur Anzeige gefährlich gewordener Elektroinstallationen.
In ihrem Revisionsrekurs vertritt die Antragstellerin - mit allen Konsequenzen, die sich daraus für eine verlangte Berichtigung bzw Vervollständigung der erstrichterlichen Feststellungen ergeben - den Standpunkt, dass für den Mieter keine Verpflichtung bestehe, dem Vermieter die sich aus dem mangelhaften Zustand der elektrischen Installationen ergebende Unbrauchbarkeit des Mietobjektes anzuzeigen. Was diesbezüglich für die Bemessung des zulässigen Hauptmietzinses bei Abschluss eines Mietvertrages judiziert werde, habe auch für den hier vorliegenden Fall eines Eintritts in einen bestehenden Mietvertrag zu gelten. Der Umstand, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner die Mängel nicht anzeigte, könne daher nicht dazu führen, die Brauchbarkeit der Wohnung zu fingieren. Der Revisionsrekurs zielt primär auf eine Abänderung des zweitinstanzlichen Beschlusses im Sinne einer Stattgebung des Mietzinsüberprüfungsbegehrens; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Vom Antragsgegner liegt eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, das Rechtsmittel der Antragstellerin zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof die jetzt in § 15a Abs 1 Z 4 MRG (vor dem 3. WÄG in § 16 Abs 2 Z 4 MRG) normierte Obliegenheit des Mieters, dem Vermieter die Unbrauchbarkeit einer die Wohnungskategorie bestimmenden Ausstattung anzuzeigen, um diesem die Möglichkeit einer den höheren Mietzins rechtfertigenden Sanierung zu geben, nicht auf die (gänzliche) Unbrauchbarkeit der gemieteten Wohnung bezogen und die nur mit erheblichem Aufwand zu beseitigende Gefährlichkeit der Elektroinstallationen einer solchen (gänzlichen) Unbrauchbarkeit des Mietobjekts gleich gesetzt hat (Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 8 und 14 zu § 15a MRG). Dementsprechend verneint die Judikatur eine aus § 15a Abs 1 Z 4 MRG ableitbare Obliegenheit des Mieters, dem Vermieter die beim Abschluss des Mietvertrages bzw beim Bezug des Mietobjektes bestehenden, die Unbrauchbarkeit der Wohnung bedingenden Mängel der Elektroinstallationen anzuzeigen (zuletzt 5 Ob 255/98f = EWr I/16/253). Ob diese vor allem von Dirnbacher kritisierte Rechtsprechung (vgl dessen Anmerkungen zu WoBl 1999, 315/147 und EWr I/16/253) angesichts der aus sicherheitstechnischen Gründen immer strenger gehandhabten Pflicht zur Sanierung veralteter Elektroinstallationen (etwa bei höherer Auslastung oder Verwendung neuer Geräte) aufrecht erhalten werden kann, ist hier nicht zu entscheiden. Im konkreten Fall geht es nämlich nicht um die den Mieter bei Abschluss des Mietvertrages bzw der Mietzinsvereinbarung treffende Obliegenheiten; es ist zu prüfen, ob sich der kraft Gesetzes in ein bestehendes Mietverhältnis Eintretende auf die Unbrauchbarkeit der Wohnung berufen und damit dem Vermieter das in § 46 Abs 2 MRG normierte Recht zur Anhebung des Mietzinses streitig machen kann, ohne dem Vermieter durch eine Anzeige der Mängel die Gelegenheit zur Brauchbarmachung des Mietobjektes gegeben zu haben.
Diesbezüglich teilt der erkennende Senat die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass den gemäß § 14 MRG in die Rechtsstellung des Mieters Eintretenden die Obliegenheit trifft, dem Vermieter die Mängel anzuzeigen, die im Lauf des Mietverhältnisses zur Unbrauchbarkeit der Wohnung geführt haben. Die dagegen im Revisionsrekurs vorgebrachten Argumente sind nicht stichhältig (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm §§ 528a, 510 Abs 3 Satz 2 ZPO):
Dass sich die dem Mieter in § 15a Abs 1 Z 4 MRG auferlegte Obliegenheit, dem Vermieter schon bei Abschluss des Mietvertrages bzw der Mietzinsvereinbarung vorhandene, mietzinsrelevante Mängel anzuzeigen, nicht auf die Unbrauchbarkeit des Mietobjektes an sich bezieht, ist ua damit zu begründen, dass der Vermieter dem Mieter das Mietobjekt in brauchbarem Zustand zu übergeben hat (vgl Würth aaO, Rz 10 zu § 3 MRG). In diesem Sinn stellt die Brauchbarmachung eines zu vermietenden Objektes eine Erhaltungsarbeit dar (§ 3 Abs 2 Z 2 MRG). Der Vermieter eines erst zu vermietenden Objektes hat also die Verpflichtung und dazu auch noch die Gelegenheit, sich vor Übergabe an den Mieter über den Zustand des Mietobjektes zu informieren und erforderlichen Falls die Brauchbarkeit herzustellen. Wird ein bereits vermietetes Objekt unbrauchbar, sind die Informationsmöglichkeiten (entsprechend § 8 Abs 2 MRG) und Erhaltungspflichten des Vermieters (entsprechend § 3 Abs 2 Z 2 MRG) beschränkt. Korresponierend damit ist der Mieter bei sonstigem Schadenersatz verpflichtet, dem Vermieter ohne Verzug Anzeige zu machen, wenn die Behebung von ernsten Schäden des Hauses nötig wird (§ 8 Abs 1 letzter Satz MRG).
Nun mag zweifelhaft sein, ob die in § 8 Abs 1 letzter Satz MRG normierte Anzeigepflicht des Mieters unmittelbar greift, wenn eine Elektroinstallation so schad- oder mangelhaft wird, dass eine für die Mieter des betreffenden Objekts gefährliche Situation entsteht. Andererseits ist die dem Mieter in § 15a Abs 1 Z 4 MRG auferlegte Obliegenheit zur Mängelanzeige nicht auf den gemäß § 14 MRG in ein Mietverhältnis Eintretenden zugeschnitten. Für diesen Fall fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Geht man jedoch von den erkennbaren Wertungen des Gesetzgebers aus, dass der Mieter den Vermieter zumindest über jene für die Höhe des zulässigen Mietzinses relevanten Mängel des Mietobjektes informieren soll, die dem Vermieter bei Wahrnehmung seiner Vertragspflicht zur Übergabe des Mietobjektes in brauchbarem Zustand nicht ohnehin auffallen mussten (§ 15a Abs 1 Z 4 MRG), und dazu noch über besonders gravierende, ernste Schäden des Hauses bewirkende Mängel (§ 8 Abs 1 letzter Satz MRG), dann ist daraus durch Analogie der Rechtssatz zu gewinnen, dass der gemäß § 14 MRG in ein bestehendes Mietverhältnis Eintretende dem Vermieter die offenbar im Lauf des Mietverhältnisses eingetretene Unbrauchbarkeit der Elektroinstallation anzeigen und die Möglichkeit geben muss, durch Sanierung der Mängel die Mietzinsanhebungsmöglichkeit nach § 46 Abs 2 MRG zu wahren.
Da dies im gegenständlichen Fall nicht geschehen ist, haben die Vorinstanzen die auf eine sofortige Verneinung eines solchen Mietzinserhöhungsanspruchs abzielenden Feststellungsbegehren der Antragstellerin zu Recht abgewiesen. Die im Revisionsrekurs mit einer abweichenden Rechtsansicht begründeten Verfahrens- und Feststellungsmängel liegen nicht vor.