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OGH vom 06.12.1961, 5Ob399/61

OGH vom 06.12.1961, 5Ob399/61

Norm

ABGB § 825;

ABGB § 1175;

Kopf

SZ 34/184

Spruch

Zur Abgrenzung der Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht von der schlichten Erbengemeinschaft.

Entscheidung vom , 5 Ob 399/61.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der am verstorbene Josef N. war Inhaber einer Maschinenmesserschleiferei. Seine Erben waren der Erst-, die Zweit- und die Drittbeklagte zu je einem Sechstel sowie die am verstorbene Maria N. zur Hälfte. Erben der Maria N. zu je einem Drittel sind die Klägerin sowie die Viert- und der Fünftbeklagte.

Das Erstgericht erkannte die Beklagten schuldig, der Klägerin über das Maschinenmesserschleifereiunternehmen seit Rechnung zu legen und den auf sie, seit diesem Tag entfallenden Ertragsanteil auszufolgen: Hiezu stellte es fest, daß zwischen den Erben nach Josef N. zwar jahrelang Verhandlungen wegen Gründung einer Kommanditgesellschaft gepflogen wurden und daß das Unternehmen auch buchhalterisch und steuerlich wie eine Kommanditgesellschaft geführt wurde, daß es jedoch zu keiner Einigung über die Gründung einer solchen, Gesellschaft oder einer Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht gekommen sei. Die Erben hätten sich lediglich über die Geschäftsführung, die Vertretungsbefugnis, über organisatorische Fragen, über die Aufteilung des Gewinnes und Verlustes sowie über die Vorentnahmen der Geschäftsführer geeinigt. Diese Einigung sei aber auch zur Fortführung des Unternehmens als Erbengemeinschaft, bei der es verblieben sei, erforderlich gewesen. Mangels Vorliegens einer Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht komme § 1206 ABGB. nicht zur Anwendung. Die Erbengemeinschaft habe über den Tod der Maria N. hinaus fortgedauert und erstrecke sich im Ausmaß der Erbportion auch auf die Klägerin. Der Klageanspruch sei daher gemäß § 830 ABGB. gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Ohne auf die übrigen Berufungsgrunde einzugehen und insbesondere ohne zur Beweiswürdigung und zu den sonstigen Feststellungen des Erstgerichtes Stellung zu nehmen, knüpfte es lediglich an die offenbar von ihm übernommene Feststellung, daß es zwischen den Erben nach Josef N. zu einer Einigung über die oben wiedergegebenen Punkte gekommen sei, sowie daran, daß auf Grund dieser Einigung das Unternehmen neun Jahre lang betrieben wurde, die Folgerung, daß hiedurch eine Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht begrundet wurde. Die Erben hätten hiedurch einen Gesellschaftsvertrag geschlossen, demzufolge sie ihre Anteile an dem ihnen gemeinsam gehörigen Unternehmen zu gemeinsamem Nutzen und gemeinschaftlichem Erwerb vereinigten. Hieran ändere es nichts, daß keine Einigung über die Rechtsform, in der die Erwerbsgesellschaft endgültig betrieben werden sollte, zustandekam. Da die Klägerin weder behauptet noch bewiesen habe, daß die Gesellschaftsrechte der Maria N. auf sie übergegangen seien, und gemäß § 1206 ABGB. die Gesellschaftsrechte nicht auf die Erben übergingen, stehe ihr lediglich ein Anspruch auf Auszahlung des mit zu ermittelnden Wertes eines Drittels des Firmenanteiles der Maria N. zu, nicht aber ein Anspruch auf Rechnungslegung oder Auszahlung von Erträgnissen für die Zeit nachher.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Entscheidend ist, ob das Messerschleifereiunternehmen des Josef N. nach dem von seinen Erben als Erbengemeinschaft oder als Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes fortgeführt wurde. Zwischen beiden Formen besteht ein enger Zusammenhang, und die Trennungslinie ist nicht immer leicht zu finden. Nach den Ausführungen Wahles in Klang 2. Aufl. V 499 ff., 540, denen auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt ist, ist eine Erwerbsgesellschaft nur dann anzunehmen, wenn sich die Miteigentümer verpflichten, die gemeinsame Sache gemeinsam wirtschaftlich zu nutzen. Die gemeinsame Verwaltung und Benützung des gemeinschaftlichen Eigentums muß der Zweck der Personenvereinigung sein; er darf nicht die bloße Folge des Miteigentumsverhältnisses sein. Das entscheidende Kriterium für das Vorliegen einer Gesellschaft ist somit die affectio societatis, die Absicht, gemeinsam zu wirtschaften.

Gemäß § 1175 ABGB. kann eine Erwerbsgesellschaft nur durch Vertrag begrundet werden. Dieser Vertrag, der ein neues Wirtschaftssubjekt grundet, unterscheidet die Gesellschaft von der einfachen Rechtsgemeinschaft (Wahle a. a. O.). gewiß kann dieser Vertrag auch stillschweigend geschlossen werden. Ein solcher stillschweigender Abschluß wird häufig in der gemeinsamen Fortführung eines ererbten Unternehmens durch die Erben nach der Einantwortung liegen. Wenn aber die Miterben, die Frage, ob eine Gesellschaft gegrundet werden soll oder nicht, offenhalten und das Unternehmen vorläufig fortführen, dann entsteht im Innenverhältnis keine Gesellschaft (Wahle a. a. O. 502). Ob das eine oder das andere gegeben ist, hängt somit vom Parteiwillen, von der affectio societatis, ab.

Das Erstgericht hat das Vorliegen einer auf den Abschluß einer Erwerbsgesellschaft gerichteten übereinstimmenden Parteienabsicht nicht als erwiesen angenommen. Das Berufungsgericht hat hiezu nicht Stellung genommen. Wie oben wiedergegeben wurde, glaubt es, aus einzelnen Feststellungen des Erstgerichtes sowie aus der neunjährigen Dauer des gemeinsamen Wirtschaften den Abschluß eines Gesellschaftsvertrages erschließen zu können. Hierin kann ihm aber nach den vorstehenden Ausführungen nicht gefolgt werden.

Den Revisionsausführungen ist beizupflichten, daß die Vereinbarungen, auf die sich das Berufungsgericht stützt, auch bei einer schlichten Erbengemeinschaft geschlossen werden können, ja müssen, da sonst deren Fortführung nicht möglich wäre. Die lange Dauer dieser Fortführung ist gewiß ein Indiz für die Annahme eines stillschweigenden Gesellschaftsvertrages, das aber nicht durchgreift, wenn das Nichtzustandekommen einer Willensübereinstimmung der Parteien feststeht.

Das Berufungsverfahren ist somit insofern mangelhaft geblieben, als das Berufungsgericht zu wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes nicht Stellung genommen hat, weshalb eine abschließende Beurteilung der Sache nicht möglich ist. Es mußte daher das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Bemerkt sei, daß selbst dann, wenn das Berufungsgericht gleichfalls zur Annahme gelangte, daß zwischen den Erben des Josef N. bloß eine sich auch auf die Erben der Maria N. erstreckende Erbengemeinschaft und keine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes vorliegt, der Klägerin gemäß Art. XLII EGZPO. zunächst nur mit Teilurteil ein Rechnungslegungsanspruch zuerkannt werden könnte. Die Entscheidung über den derzeit noch ziffernmäßig unbestimmten Anspruch auf Auszahlung von Ertragsanteilen müßte dem Endurteil vorbehalten werden (vgl. Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, II S. 98; Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. I S. 377; SZ. XXIII 190).