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OGH vom 14.10.1997, 5Ob392/97a

OGH vom 14.10.1997, 5Ob392/97a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Schinko, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr.Ernst Offer und Dr.Wolfgang Offer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Mag.Elisabeth M*****, 2. Dipl.Ing.Thomas M*****, 3. Dr.Sonja S 4. Gudrun G*****, 5. Georg R*****, und 6. Elfriede R*****, alle vertreten durch Dr.Adolf Ortner und Dr.Christian Ortner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Räumung und Feststellung infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 43/97s-54, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 13 Cg 61/95y-44, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in seinem die Teilflächen Y und X laut Planurkunde des Dipl.Ing.Dr.Anton A***** vom , GZ 4831, betreffenden Teil dahin abgeändert, daß alle Beklagten (und nicht nur die Viertbeklagte bzw der Fünftbeklagte und die Sechstbeklagte) zur ungeteilten Hand schuldig erkannt werden, der Klägerin diese Teilflächen binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit S 23.136,50 (darin S 1.647,75 Umsatzsteuer und S 13.250 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist bücherliche Alleineigentümerin der aus dem Grundstück Nr. 3506/5 bestehenden Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****. Nach dem Stand des Grundbuches hat dieses Waldgrundstück ein Flächenausmaß von 1.900 m2. Die Beklagten sind die bücherlichen Eigentümer der südlich angrenzenden Liegenschaft EZ *****, welche aus dem Grundstück Nr. 3506/4 besteht. Die Liegenschaft der Beklagten, an welcher Wohnungseigentum begründet wurde, hat nach dem Stand des Grundbuchs eine Fläche von 1.530 m2. Auf der Liegenschaft der Beklagten steht ein aus vier Wohneinheiten bestehendes Wohnhaus. Zwischen diesem Gebäude und der - hier strittigen - gemeinsamen Liegenschaftsgrenze befindet sich eine unbebaute Gartenfläche, deren ausschließliche Nutzung hinsichtlich des östlichen Teiles dem jeweiligen Eigentümer jener Miteigentumsanteile, welche derzeit der Viertbeklagten gehören, und hinsichtlich des westlichen Teiles dem jeweiligen Eigentümer jener Miteigentumsanteile, welche derzeit dem Fünftbeklagten und der Sechstbeklagten - gemeinsam - gehören, zusteht. Wegen des zwischen der Klägerin und den Beklagten strittigen Verlaufes der gemeinsamen Grenze ist eine Fläche im Ausmaß von 108 m2 streitverfangen. Während die Klägerin unter Hinweis auf den Stand des Grundbuches geltend machte, hinsichtlich der strittigen Teilfläche stehe das Eigentumsrecht ihr zu, behaupteten die Beklagten ihr Eigentum bis zur tatsächlichen Nutzungsgrenze (zwischen den Vermessungspunkten 25666 und 25927), auf welcher - jedenfalls seit 1965 - ein von einem Rechtsvorgänger der Beklagten errichteter Zaun steht.

Mit der beim Erstgericht am überreichten Klage begehrte die Klägerin, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, die strittige Teilfläche - unter Entfernung auch des Zaunes - zu räumen. Mit diesem Begehren verband die Klägerin ein Begehren auf Feststellung des ihr hinsichtlich dieser Teilfläche zukommenden Eigentumsrechtes sowie der Richtigkeit des von ihr behaupteten Grenzverlaufes. Für den Fall einer Abweisung dieser Hauptbegehren erhob die Klägerin mehrere - im Ersturteil näher wiedergegebene - Eventualbegehren.

Die Klägerin berief sich hauptsächlich auf den Stand des Grundbuches und führte hiezu aus, die von ihr als richtig behauptete Grenze sei anläßlich einer 1959 erfolgten Teilung der zuvor im gemeinsamen Eigentum stehenden Liegenschaften festgesetzt worden, wobei der damals im Vermessungspunkt 4916 errichtete Grenzstein auch derzeit noch sichtbar sei; der gemeinsame Rechtsvorgänger der Streitteile habe die nunmehrige Liegenschaft der Klägerin einem Rechtsvorgänger derselben mit dem von ihr als richtig behaupteten Flächenmaß verkauft; die Verschiebung der Nutzungsgrenze bis zu dem zur Entfernung begehrten Zaun sei von Seite der Rechtsvorgänger der Beklagten erst innerhalb der letzten 30 Jahre vor der Klagsführung erfolgt; jedenfalls könnten sich die Beklagten im Hinblick auf den Grenzstein und den klaren Stand des Grundbuches nicht mit Erfolg auf eine Redlichkeit ihrer Rechtsvorgänger berufen.

Die Beklagten wendeten ein, der gemeinsame Rechtsvorgänger der Streitteile habe die Rechtsvorgänger der Beklagten in die von ihnen als richtig eingewendete Grenze eingewiesen, sodaß sie die nunmehr strittige Teilfläche redlich in Besitz genommen hätten; jedenfalls sei diese Teilfläche von den Rechtsvorgängern der Beklagten und von diesen - jeweils gemäß den Bedingungen des Wohnungseigentumsvertrages - seit mehr als 30 Jahren ununterbrochen und uneingeschränkt bis zu dem zur Entfernung begehrten Zaun, welcher bereits 1963 errichtet worden sei, genutzt worden, sodaß den Beklagten jedenfalls kraft Ersitzung das Eigentum an der strittigen Teilfläche zustehe; der den wahren Willen des gemeinsamen Rechtsvorgängers der Streitteile und damit auch den Einwendungen der Beklagten entsprechende Grenzverlauf ergäbe sich allein schon aus dem Umstand, daß dieser Rechtsvorgänger den von der Klägerin zur Entfernung begehrten Zaun - vor mehr als 30 Jahren vor der Klagsführung - selbst errichtet habe.

Das Erstgericht erkannte die Viertbeklagte schuldig, den im Ersturteil mit Y bezeichneten Teil der strittigen Teilfläche einschließlich des in diesem Teil verlaufenden Teiles des Zaunes binnen 14 Tagen zu räumen, während der Fünftbeklagte sowie die Sechtbeklagte zur ungeteilter Hand schuldig erkannt wurden, den im Ersturteil mit X bezeichneten Teil der strittigen Teilfläche einschließlich des in diesem Teil verlaufenden Teil des Zaunes binnen 14 Tagen zu räumen. Das weitergehende Räumungsbegehren wurde ebenso wie das Feststellungsbegehren abgewiesen. Die - gleichfalls im Spruch des Ersturteils näher wiedergegebenen - Eventualbegehren wurden teilweise abgewiesen und im übrigen zurückgewiesen.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht - schon mangels Ablaufes der hiefür erforderlichen Zeit - einen Eigentumserwerb der Beklagten kraft Ersitzung, sodaß das Recht des Eigentums hinsichtlich der strittigen Teilfläche weiterhin der Klägerin zustehe; bei der vorliegenden Klage handle es sich um eine Eigentumsfreiheitsklage im Sinne des § 523 ABGB, welche vom Eigentümer gegen jeden, der störend in das Eigentum eingreife, gerichtet werden könne; gehe die Störung - wie hier - lediglich von einzelnen Mitgliedern einer Wohnungseigentumsgemeinschaft aus, könne die Klage nur gegen die tatsächlichen Störer, nicht aber auch gegen die übrigen Mitglieder dieser Gemeinschaft gerichtet werden; hier stehe der Viertbeklagten das ausschließliche Nutzungsrecht hinsichtlich der Teilfläche Y sowie dem Fünftbeklagten und der Sechstbeklagten (gemeinsam) das ausschließliche Nutzungsrecht hinsichtlich der Teilfläche X zu, sodaß das Räumungsbegehren lediglich ihnen gegenüber - jeweils hinsichtlich der von ihnen ausschließlich benutzten Teile der strittigen Teilfläche - berechtigt sei; dies gelte auch hinsichtlich des zur Entfernung begehrten Zaunes, welcher sich gleichfalls auf den von ihnen ausschließlich benutzten Teilflächen befinde; das Feststellungsbegehren sei mangels eines hinreichenden Feststellungsinteresses unberechtigt, weil die Entscheidung über das Leistungsbegehren all das biete, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der viert- bis sechstbeklagten Parteien nicht Folge, der Berufung der Klägerin hingegen teilweise Folge. Es gab dem Feststellungsbegehren und dem Räumungsbegehren hinsichtlich des Zaunes statt, hinsichtlich der Teilfläche Y nur gegen die Viertbeklagte, hinsichtlich der Teilfläche X nur gegen den Fünftbeklagten und die Sechstbeklagte statt und wies das Räumungsbegehren hinsichtlich dieser Teilflächen gegen die jeweils übrigen Beklagten ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes sowohl hinsichtlich des Räumungsbegehrens als auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens S 50.000 übersteigt, und erklärte die ordentliche Revision - mangels erheblicher Rechtsfrage - für nicht zulässig.

Zur Rechtsrüge der Klägerin führte es folgendes aus:

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes sei der zur Entfernung begehrte Zaun auf der zwischen den Punkten 25.666 und 25.927 verlaufenden strittigen Grenzlinie errichtet worden. Bei dieser handle es sich um eine Außengrenze der Liegenschaft der Beklagten, sodaß der dem Schutz ihrer Liegenschaft dienende Grenzzaun - unabhängig von der Zuweisung der Teilflächen X und Y in die ausschließliche Nutzung einzelner Miteigentümer - als allen Beklagten gemeinsame Anlage im Sinne des § 1 WEG zu beurteilen sei. Hieraus folge die gesamtschuldnerische Verpflichtung aller Beklagten zu der von der Klägerin als rechtmäßiger Eigentümerin der im Ausmaß von insgesamt 108 m2 strittigen Teilfläche zu Recht begehrten Entfernung des vorerwähnten Grenzzaunes. Der gegen den vom Erstgericht auf die Viertbeklagte, den Fünftbeklagten sowie die Sechstbeklagte beschränkten Räumungsbefehl ankämpfenden Berufung sei daher hinsichtlich des Grenzzaunes im Sinne einer Ausdehnung des Räumungsbefehls auf alle Beklagten Folge zu geben gewesen.

Gemeinsame Anlagen der Beklagten auf der von der Viertbeklagten zur alleinigen Nutzung in Anspruch genommenen Teilfläche Y seien nicht erwiesen, sodaß der Räumungsbefehl vom Erstgericht hinsichtlich der Teilfläche Y zu Recht auf die Viertbeklagte beschränkt worden sei. Sinngemäß Gleiches gilt hinsichtlich der Teilfläche X in bezug auf den Fünftbeklagten und die Sechstbeklagte. Der Berufung der Klägerin sei daher, insoweit sie gegen diese Beschränkungen des Räumungsbefehls ankämpfte, ein Erfolg zu versagen gewesen.

Auch wenn die Streitfrage des Eigentumsrechtes hinsichtlich der strittigen Teilfläche ebenso wie des Verlaufes der rechtmäßigen gemeinsamen Grenze der Liegenschaften der Streitteile bereits als Vorfrage bei der Entscheidung über das Räumungsbegehren zu lösen gewesen sei, habe die Klägerin dennoch ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 228 ZPO an einer der Rechtskraft zugänglichen, der Klarstellung der Rechtsverhältnisse dienlichen und künftige Rechtsstreitigkeiten vermeidenden Feststellung ihres von den Beklagten nachhaltig bestrittenen Eigentumsrechtes sowie des rechtmäßigen Verlaufes der gemeinsamen Grenze. Die Berufung der Klägerin sei daher auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens durch Abänderung des Ersturteiles im Sinne der Klage Folge zu geben gewesen.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß sämtliche Beklagten (zur ungeteilten Hand) zur Räumung der Teilflächen X und Y verpflichtet würden.

Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

Die Revision ist zulässig, weil der Frage, gegen wen im Falle einer Wohnungseigentümergemeinschaft die Klage auf Räumung von Teilen eines benachbarten Grundstückes zu richten ist, erhebliche Bedeutung zukommt; sie ist auch berechtigt.

Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, auch dann, wenn der streitgegenständliche Bereich nur von einigen Wohnungseigentümern benützt werde, könne dies an der Passivlegitimation aller Beklagten nichts ändern, weil diese eine Miteigentümergemeinschaft und damit eine Streitgenossenschaft bildeten, welche nur gemeinsam geklagt werden könne. Was nach der Judikatur für die Eigentumsfreiheitsklage gelte, müsse auch für die Behauptung eines ersessenen Eigentumsrechtes gelten. Das gegen die viert- bis sechstbeklagten Parteien stattgebende Urteil habe Auswirkungen auf sämtliche Beklagten, weil sich infolge Flächenreduktion die Miteigentumsanteile aller Miteigentümer ändern würden. Es hätten immer alle Beklagten den streitgegenständlichen Bereich gemeinsam in Anspruch nehmen wollen, um die ursprüngliche Parifizierung aufrechtzuerhalten.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, daß die Klage zutreffend nicht gegen die durch das 3. WÄG neu geschaffene Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtet wurde, weil die Frage der Grundstücksgrenzen keine Angelegenheit der Verwaltung im Sinne des § 13c WEG betrifft (vgl 5 Ob 230/97b).

Im drittinstanzlichen Verfahren ist noch das Problem zu erörtern, ob bei Teilflächen, die ins Zubehör-Wohnungseigentum fallen, nur der betreffende Wohnungseigentümer passiv legitimiert ist, wenn der Nachbar, der einen anderen Verlauf der Grundstücksgrenze behauptet, auf Räumung klagt.

Eine solche Klage ist als Eigentumsklage gemäß § 366 ABGB zu beurteilen (vgl Spielbüchler in Rummel2 § 366 ABGB Rz 2). Anspruchsgegner ist jeder Inhaber, mag er selbst Besitzer oder nur Besitzmittler für einen anderen sein oder auch seine Herrschaft bloß durch einen Dritten vermittelt erhalten (SZ 61/164 ua; Spielbüchler aaO § 369 ABGB Rz 3 mwN). Beim Wohnungseigentum ist der einzelne Wohnungseigentümer Mitbesitzer der gesamten Liegenschaft und Rechtsbesitzer des Nutzungsrechtes an einer bestimmten Wohnung (Koziol/Welser II10 22; hier gemäß § 1 Abs 2 WEG verbunden mit Hausgärten). Dieser Mitbesitz (Mitsachbesitz) an der gesamten Liegenschaft reicht aus, um alle Wohnungseigentümer unabhängig vom individuellen Rechtsbesitz für die Eigentumsklage passiv zu legitimieren. Der Eigentumskläger muß daher vor Klagseinbringung nicht recherchieren, ob es sich bei der von ihm beanspruchten Fläche um einen allgemeinen Teil des Hauses handelt oder um einen solchen, an dem einem Wohnungseigentümer das ausschließliche Nutzungsrecht zusteht; er kann seine Räumungsklage undifferenziert gegen alle Wohnungseigentümer als Mitbesitzer der Liegenschaft richten. Auf die Besonderheiten des jeweiligen Wohnungseigentumsvertrages - auf den sich die Beklagten berufen - kommt es hiebei im Verhältnis zu ihm nicht an.

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die Klägerin berechtigt war, alle Beklagten - abgesehen von der rechtskräftigen Feststellung ihres Eigentumsrechtes und des Grenzverlaufes sowie der rechtskräftigen Verpflichtung zur Räumung des Zaunes - auch auf Räumung der Teilflächen X und Y in Anspruch zu nehmen; ob sie sich insoweit überhaupt auf eine Klagsführung gegen die viert- bis sechstbeklagten Parteien hätte beschränken dürfen oder nicht (vgl Spielbüchler aaO § 354 ABGB Rz 8, § 369 ABGB Rz 3 mwN, vgl auch jüngst 5 Ob 230/97b im Falle einer Benützungsregelung), kann hier auf sich beruhen.

Das angefochtene Urteil war daher im Sinne der von der Rechtsmittelwerberin begehrten Ausdehnung des Räumungsbefehles auf alle Beklagten abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Im vorinstanzlichen Verfahren hat die Klägerin ohnehin schon gemäß § 43 Abs 2 ZPO ihre gesamten Kosten erhalten.