OGH vom 25.08.2005, 6Ob189/05w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchssache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen T***** GmbH mit dem Sitz in W*****, vertreten durch Dr. Michael Czinglar, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses der Gesellschaft gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 258/04y-25, womit dem Rekurs der Ärztekammer für W*****, vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer und Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Eintragungsbeschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 75 Fr 3866/04v-5, Folge gegeben und die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens nach § 10 Abs 2 FBG aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss als nichtig aufgehoben. Der Rekurs der Ärztekammer für W***** wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Gegenstand des Unternehmens der antragstellenden Gesellschaft mbH besteht nach dem vorgelegten Gesellschaftsvertrag im Betrieb von Ärztezentralen, vornehmlich für Zahnärzte; außerdem ist die Gesellschaft zu allen Handlungen, Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks notwendig bzw erforderlich erscheinen, wie insbesondere der Erwerb bzw die Pacht von sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen mit gleichem oder ähnlichem Unternehmensgegenstand sowie die Übernahme der Geschäftsführung und Vertretung solcher Unternehmen und Gesellschaften.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Ärztekammer für W***** gegen den Eintragungsbeschluss des Erstgerichts mit der wesentlichen Begründung statt, dass die Firma einer Gesellschaft mbH nach den allgemeinen Grundsätzen des § 18 Abs 2 HGB keine Bestandteile enthalten dürfe, die zur Herbeiführung einer Täuschung über die Art und den Umfang des Geschäftes oder die Verhältnisse des Geschäftsinhabers geeignet wären. Mit der im Firmenwortlaut enthaltenen Bezeichnung „Zentrale" werde die Vorstellung von einem Unternehmen bedeutender wirtschaftlicher Größe vermittelt. Auch wenn die beteiligten Verkehrskreise mit dem Wort „Ärztezentrale" in der Firma nicht unbedingt die Ausübung ärztlicher Tätigkeit verbinden würden, so verstünden sie darunter doch zumindest ein Unternehmen, das innerhalb eines bestimmten sachlichen und räumlichen Bereichs den bedeutungsmäßigen Mittelpunkt bilde, der das Vorhandensein gleichartiger Schwerpunkte ausschließe. Die Ausführungen der Gesellschaft im Eintragungsverfahren, dass „Ärztezentralen" zu einer wesentlichen Reduzierung von Betriebskosten, der Nutzung von gemeinsamen Einrichtungen und der Erzielung von Synergien führen, legten eine Organisationsform nahe, die § 52 ÄrzteG 1998 als Ordinations- und Apparategemeinschaft bezeichne (eine Zusammenarbeit zwischen freiberuflich tätigen Ärzten, welche vornehmlich in der gemeinsamen Nutzung von Ordinationsräumen und/oder medizinisch/technischer und kaufmännischer Einrichtung bestehe). Die Firma der antragstellenden Gesellschaft sei daher zur Täuschung geeignet, weshalb dem Erstgericht die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens im Sinn des § 10 Abs 2 FBG aufzutragen gewesen sei, weil die Eintragung der Firma im Firmenbuch bereits vollzogen worden sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekus zulässig sei, weil keine eindeutige oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Täuschungsmöglichkeit des Zusatzes „Zentrale" im Firmenwortlaut existiere.
Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die Gesellschaft, den Beschluss des Rekursgerichts im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses abzuändern.
Die Ärztekammer erstattete eine Gegenäußerung.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht mit der Bejahung der Rekurslegitimation der Ärztekammer von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Er ist im Ergebnis auch berechtigt, weil die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses wahrzunehmen ist.
Mit den Ausführungen des Revisionsrekurses zur Rechtzeitigkeit des Rekurses der Ärztekammer spricht die Rechtsmittelwerberin mittelbar die Frage der Rechtsmittelbefugnis der Ärztekammer an. War diese die zuständige gesetzliche Interessenvertretung, so war ihr der Eintragungsbeschluss gemäß § 21 Abs 1 FBG zuzustellen. Für die nach § 21 Abs 1 FBG zu verständigenden Personen beginnt die Rekursfrist erst mit der Zustellung; ist diese unterblieben, beginnt deren Rekursfrist erst mit der tatsächlichen Zustellung und nicht mit der Veröffentlichung der Entscheidung zu laufen (HS 11.626; Schenk in Straube, HGB I3 § 8 Rz 32; Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FirmenbuchG § 21 FBG Rz 7 mwN). Aus dem Akt 75 Fr 12.841/04t des Erstgerichts ergibt sich, dass der Ärztekammer der Eintragungsbeschluss am zugestellt wurde. Der Rekurs wurde am erhoben. Er wäre daher rechtzeitig gewesen, wenn der Eintragungsbeschluss der Ärztekammer gemäß § 21 Abs 1 FBG zugestellt werden musste.
Im vorliegenden Fall hat die Ärztekammer für W***** unter Berufung auf § 14 Abs 3 FBG in ihrer Eigenschaft als „zuständige gesetzliche Interessenvertretung" gegen den Eintragungsbeschluss des Erstgerichts Rekurs erhoben. Dazu ist Folgendes auszuführen:
Gemäß § 14 Abs 3 FBG haben die zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen das Gericht zur Vermeidung unrichtiger Eintragungen, bei der Berichtigung und Vervollständigung des Firmenbuchs sowie beim Einschreiten wegen unzulässigen Firmengebrauchs zu unterstützen; sie können zu diesem Zweck Anträge stellen und Rechtsmittel erheben. Damit hat der Gesetzgeber den gesetzlichen Interessenvertretungen als Parteien kraft Belehnung zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen keineswegs eine allgemeine, sondern nur eine zweckbeschränkte Antrags- und Rechtsmittelbefugnis eingeräumt (6 Ob 15/92 = ecolex 1992, 779 = EvBl 1993/19 S 91 = RdW 1992, 404 = ÖBA 1993, 404 [Rummel] = WBl 1992, 405; 6 Ob 3/95 = ecolex 1995, 418 = NZ 1996, 67; 6 Ob 2056/96p). Aus § 14 FBG ist jedoch keine Befugnis der gesetzlichen Interessenvertretungen abzuleiten, eigene oder sonstige andere Interessen als Beteiligte geltend zu machen (6 Ob 15/92; Schenk in Straube, HGB I3 121; Burgstaller in Jabornegg, HGB § 14 FBG Rz 1; Keinert, WBl 1993, 141; Kodek aaO § 14 FBG Rz 10). Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, können nicht alle gesetzlichen Interessenvertretungen, deren Mitglieder von einer unrichtigen Eintragung im Firmenbuch betroffen sind, Rechtsmittel erheben, sondern nur die, deren Mitglied der eingetragene Rechtsträger ist (6 Ob 3/95; 6 Ob 2056/96p). Diese Auslegung entspricht der Erläuterung des Gesetzgebers, wonach nur die gesetzliche Vertretung als „zuständig" anzusehen sei, der „der Rechtsträger angehört oder angehören wird" (AB 23 BlgNR 18. GP 14).
Dass eine Kapitalgesellschaft nicht einer Ärztekammer (§ 65 ÄrzteG 1998) angehört, ergibt sich aus § 68 iVm § 64 ÄrzteG 1998, wonach nur Ärzte (ordentliche oder außerordentliche) Mitglieder einer Ärztekammer sind. Es war daher die Ärztekammer für W***** entgegen der Auffassung des Rekursgerichts keine zuständige gesetzliche Interessenvertretung, der eine Einschreitungsbefugnis nach § 14 Abs 3 FBG zukam. Aus Anlass des zulässigen Revisionsrekurses der antragstellenden Gesellschaft ist daher der dem unzulässigen Rekurs der Ärztekammer stattgebende Beschluss des Rekursgerichtes als nichtig aufzuheben (vgl Zechner in Fasching2 IV/1, § 503 ZPO Rz 92 und 93) und dieser Rekurs zurückzuweisen.