OGH vom 23.11.2015, 5Ob118/15m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin R***** eGen, *****, vertreten durch Dr. Anton Keuschnigg, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen den Antragsgegner J***** O*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , AZ 2 R 236/14s 15, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.
Die Zulässigkeit einer Änderung eines Woh
nungseigentumsobjekts iSd § 16 Abs 2 WEG lässt sich nicht grundsätzlich bejahen oder verneinen. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (vgl RIS-Justiz RS0083309, RS0109643). Dabei steht dem Rekursgericht ein Wertungs und Ermessensspielraum zu (RIS Justiz RS0083309 [T13], RS0109643 [T10]). Solange dieser nicht überschritten wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG und § 62 Abs 1 AußStrG vor (RIS Justiz RS0083309 [T9], RS0109643 [T10]).
2. Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit der Revision mit dem Fehlen einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage, ob durch die mit einer Widmungsänderung angestrebte Legitimierung der Ausübung von „Bankgeschäften“ in nicht hierfür sicherheitstechnisch adaptierten Wohnungen (als eine potentiell mit einem erhöhten Sicherheitsrisiko behaftete Tätigkeit) iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG die Sicherheit anderer Wohnungseigentümer und damit deren schutzwürdige Interessen beeinträchtigt. Allein der Umstand, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet keineswegs, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt (RIS Justiz RS0102181, RS0107773, RS0110702). Besonderheiten der Fallgestaltung schließen eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur des Obersten Gerichtshofs sogar eher aus (RIS Justiz RS0102181). Anderes würde nur im Fall einer groben Fehlbeurteilung gelten. Eine solche
korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist hier aber nicht zu erkennen.
3. Die Vorinstanzen verpflichteten den Antragsgegner zur Duldung der Änderung der Widmung zweier Wohnungseigentumsobjekte von „Wohnung“ auf „Büroräumlichkeiten für Geschäftszwecke ohne Kundenverkehr“. Eine Widmungsänderung darf gemäß § 16 Abs 2 Z 1 WEG keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer, besonders auch keine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben.
Eine Änderung, die eine Gefahr für die Sicherheit von Personen zur Folge hat, darf demnach nicht genehmigt werden. Sie indiziert nämlich, wie die beispielhafte Erwähnung dieses Versagungsgrundes in § 16 Abs 2 Z 1 WEG beweist, eine wesentliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer. Gefahren im Bagatellbereich stellen keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Wohnungseigentümer dar (5 Ob 82/95). Wenn das Rekursgericht hier den Sicherheitsbedenken des Antragsgegners kein ausreichendes Gewicht für die Versagung der Widmungsänderung beimisst, ist dies jedenfalls vertretbar. Aus objektiver Sicht rechtfertigt die durch die Widmungsänderung entstehende Gefahrensituation eine die Bagatellgrenze übersteigende Furcht der Miteigentümer nicht (vgl Würth/Zingher/Kovanyi, Miet und Wohnrecht II²³ § 16 WEG Rz 26). Räumlichkeiten, die im zweiten Obergeschoß eines zu Wohn und Geschäftszwecken gewidmeten Gebäudes gelegen sind und als Büro für Geschäftszwecke ohne Kundenverkehr (und nicht als Bankfiliale im eigentlichen Sinn) genutzt werden, sind keiner signifikant höheren Gefahr ausgesetzt, Schauplatz von Verbrechen zu werden, als Wohnungen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00118.15M.1123.000
Fundstelle(n):
JAAAD-36008