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OGH vom 23.10.2000, 6Ob189/00p

OGH vom 23.10.2000, 6Ob189/00p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kriemhild S*****, vertreten durch Dr. Johannes Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Roland M*****, vertreten durch Dr. Peter Armstark, Rechtsanwalt in Wien, wegen 262.656,44 S über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 125/99a-68, womit über die Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 7 Cg 291/95f-58, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 12.960 S (darin 2.160 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind die ehelichen Kinder der Hilda (im Folgenden auch Erblasserin) und des Fritz M*****. Der vormalige Zweitbeklagte - in Ansehung seiner Person ist das Verfahren rechtskräftig beendet - ist deren Enkel und der Sohn des Beklagten. Der Vater der Streitteile verstarb am , ihre Mutter am . Sie hatte am ihren Drittelanteil an einer Liegenschaft mit einem Haus im

1. Wiener Gemeindebezirk dem vormals Zweitbeklagten geschenkt und mit Übergabsvertrag vom dem Beklagten ihren Hälfteanteil an einem Haus im 19. Wiener Gemeindebezirk übergeben. Ihr Reinnachlass betrug 500.343,56 S und wurde den Streitteilen je zur Hälfte eingeantwortet.

Mit der am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten einen Schenkungspflichtteil von 2,34 Mio S und vom vormals Zweitbeklagten einen solchen von 4,21 Mio S. Die dem Beklagten übergebene Liegenschaftshälfte habe zum Todeszeitpunkt der Mutter einen Wert von 11 Mio S gehabt. Die Übernahme eines Pfandrechtes einer Bank von 1,56 Mio S, wofür die Erblasserin nur zur Hälfte gehaftet habe, sei ebensowenig eine Gegenleistung wie die Einräumung der Dienstbarkeit der Wohnung zu Gunsten der Übergeberin. Der dem Enkel geschenkte Drittelanteil einer Liegenschaft sei von diesem um 18 Mio S verkauft worden. Von diesem Betrag sei bei der Ermittlung des Pflichtteilsanspruches der Klägerin auszugehen. Nach der Erstattung eines Sachverständigengutachtens ergänzte die Klägerin in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom ihr Vorbringen: Sie gehe von einem Wert der dem Beklagten geschenkten Liegenschaftshälfte von 4,36 Mio S aus. Der Beklagte hafte gemäß § 951 Abs 3 ABGB als zuletzt Beschenkter auch für den sich aus der Schenkung an den vormals Zweitbeklagten ergebenden Pflichtteilserhöhungsanspruch. Insgesamt lägen Schenkungen von 22,36 Mio S vor. Der Pflichtteilsanspruch der Klägerin mache ein Viertel (= 5,59 Mio S) aus. Davon sei der Wert aus der Verlassenschaft von 450.000 S abzuziehen. Nach Abzug des gegen den Beklagten geltend gemachten Anspruchs von 2,34 Mio S müsse der (vormals) Zweitbeklagte für einen Restbetrag von 2,8 Mio S einstehen, weshalb das Klagebegehren ihm gegenüber auf diesen Betrag eingeschränkt werde.

Der Beklagte wandte, soweit im Revisionsverfahren noch relevant, ein:

Beim Übergabsvertrag vom handle es sich um keine Schenkung, sondern um ein entgeltliches Geschäft. Aus Anlass des Übergabsvertrages habe der Beklagte die Verpflichtung zur Pflege der Mutter und zu Unterhaltsleistungen übernommen. Er habe Leistungen im Wert von 1,5 Mio S erbracht. Die übergebene Liegenschaftshälfte sei keineswegs 11 Mio S, sondern wesentlich weniger wert gewesen. Der Beklagte habe die Liegenschaftshälfte seiner Frau geschenkt. Gemäß § 952 ABGB bestehe keine Haftung.

Gegenüber dem ergänzenden Klagevorbringen in der Tagsatzung vom werde Verjährung eingewendet. Die Klägerin habe bis dahin die Bestimmung des § 951 Abs 3 ABGB unberücksichtigt gelassen. Wegen Verjährung dürfe beim Anspruch gegen den Beklagten nur vom Wert der ihm übergebenen Liegenschaftshälfte und nicht vom Wert beider Schenkungen ausgegangen werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren gegen den Beklagten nur im Ausmaß von 262.656,44 S statt und wies das Mehrbegehren gegen den Beklagten sowie das gegen den vormals Zweitbeklagten gerichtete Klagebegehren zur Gänze ab.

Nach seinen Feststellungen hätten die Eltern der Streitteile zwischen 1970 und 1972 sämtliche Eigentumsanteile an der Liegenschaft im 1. Bezirk erworben. Sie selbst und ihre Kinder seien zu je einem Viertel im Grundbuch einverleibt worden. Zum Ankauf hätten die Eltern mit 500.000 S und der Beklagte mit 300.000 S beigetragen; die Klägerin habe keinen finanziellen Beitrag geleistet. Nach dem Tod des Vaters habe sich der Miteigentumsanteil der Klägerin an der Liegenschaft im Erbweg auf ein Drittel erhöht. Der Beklagte und seine Mutter hätten je einen Drittelanteil erhalten. Im Haus habe die Fritz M***** Gesellschaft mbH (im Folgenden nur GmbH) Räume gemietet. Die Eltern der Streitteile hätten ein Antiquitätengeschäft betrieben. Gesellschafter seien die Streitteile und ihre Mutter gewesen. Die Klägerin habe ihren Geschäftsanteil am an ihre Mutter abgetreten, danach aber den Abtretungsvertrag angefochten und gegen ihre Mutter ein Gerichtsverfahren eingeleitet, das mit einem Vergleich geendet habe. 1990 habe die Klägerin ihren Miteigentumsanteil an der Liegenschaft verkauft. Der neue Miteigentümer habe ein Teilungsverfahren eingeleitet. Zur Vermeidung wirtschaftlicher Verluste im Fall einer Zwangsversteigerung habe die Gesellschaft (Mieterin) auf ihre Mietrechte verzichtet.

Für die Mutter der Klägerin sei der Verkauf des Liegenschaftsanteiles der Klägerin eine schwere Enttäuschung gewesen. Der bis dahin bestandene gute Kontakt zur Klägerin sei abgebrochen worden. Die Klägerin habe ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrer Mutter gehabt. Die Versorgung der Mutter sei nie gefährdet gewesen, die Klägerin habe sich deshalb nicht veranlasst gesehen, wieder Kontakt mit ihrer Mutter aufzunehmen. Die Erblasserin habe während der letzten Jahre ihres Lebens an Osteoporose gelitten. Sie sei an beiden Hüften operiert worden und habe Schmerzen im Hüftbereich gehabt. In den letzten Jahren vor ihrem Tod seien Wirbel eingebrochen, ihre Nerven lädiert und die Beweglichkeit eingeschränkt gewesen. 1993 habe sich der Gesundheitszustand der Mutter der Klägerin dramatisch verschlechtert. Sie habe den Großteil des Tages im Bett liegend verbringen müssen und keine Haushaltstätigkeiten verrichten können. Der vormals Zweitbeklagte habe sie unterstützt. Es habe ein besonders intensives und positives Verhältnis zu seiner Großmutter bestanden. Diese habe sich wegen des guten Verhältnisses am veranlasst gesehen, dem vormals Zweitbeklagten ihren Liegenschaftsanteil zu schenken. Sie habe ihn finanziell absichern wollen und habe von ihm weitere Zuwendungen für die Zukunft erwartet. Der Verkehrswert des geschenkten Drittelanteils der Liegenschaft habe zum Stichtag 7,928 Mio S betragen. Am habe der vormals Zweitbeklagte den Anteil um 18 Mio S verkauft, um einer Zwangsversteigerung zuvorzukommen. Auch der Beklagte habe seinen Anteil an dieser Liegenschaft gleichzeitig verkauft. Zuvor hätten der Beklagte, sein Sohn und die GmbH auf ihre Mietrechte ersatzlos verzichtet. Hätte zum Zeitpunkt des Verkaufs noch die Erblasserin den Liegenschaftsanteil besessen, wäre ein Verkauf ebenfalls vorgenommen worden und hätte ein gleich hoher Verkaufspreis erzielt werden können, weil auch in diesem Fall die Familienmitglieder und die GmbH auf ihre Mietrechte verzichtet hätten. Zum Zeitpunkt des Todes der Mutter der Streitteile (1994) wäre demnach der Kaufpreis von 18 Mio S im Vermögen der Verlassenschaft vorhanden gewesen. Die Eltern der Streitteile seien je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft im 19. Bezirk gewesen. Der Vater habe geplant, seinem Sohn (dem Beklagten) die Liegenschaft zukommen zu lassen. Um seine Kinder gleich zu behandeln, habe er 1976 finanziell zum Ankauf der Renovierung eines Grundstücks der Klägerin und ihres Ehegatten beigetragen. Der Vater habe der Klägerin Antiquitäten als Einrichtungsgegenstände zur Verfügung gestellt. Die Höhe der Gesamtzuwendungen lasse sich exakt nicht feststellen, ebenso auch nicht, dass die Mutter der Streitteile finanzielle Beiträge in diesem Zusammenhang an die Klägerin geleistet habe. Anlässlich ihrer Eheschließung habe die Klägerin kein Heiratsgut erhalten. Eine Widmung der finanziellen Beiträge ihres Vaters als Heiratsgut sei nicht erfolgt. In der Verlassenschaft nach seinem verstorbenen Vater habe der Beklagte einen Hälfteanteil an der Liegenschaft im 19. Bezirk erhalten. Das übrige Nachlassvermögen sei nach gleichen Erbquoten an die Witwe und die Streitteile gefallen. Im Übergabsvertrag vom sei festgehalten worden, dass die Liegenschaft mit einem Pfandrecht von 1,56 Mio S belastet sei. Der Beklagte habe diese Forderung anteilsmäßig zur Rückzahlung übernommen. Die Schuldübernahme sei das Entgelt für die Überlassung des Liegenschaftsanteiles. Der Vertragstext gebe aber die getroffene Vereinbarung nicht vollständig wieder. Das Pfandrecht sei im Februar 1993 auf einen Gesamtkreditrahmen von 2,5 Mio S aufgestockt worden. Eine pfandrechtliche Sicherstellung sei nicht erfolgt. Es sei nicht feststellbar, dass sich die Mutter der Streitteile auch persönlich zur Rückzahlung des aufgestockten Kredits verpflichtet habe. Es sei zwischen ihr und dem Beklagten klar gewesen, dass Letzterer den Kredit zur Gänze zurückbezahlen werde. Dies sei auch geschehen. Mit dem Übergabsvertrag sei der Mutter der Streitteile als Übergeberin die Dienstbarkeit der Wohnung im ganzen oberen Stockwerk des Hauses auf Lebenszeit eingeräumt worden. Dieses Recht sei unentgeltlich gewesen. Der Beklagte habe die Instandsetzungsarbeiten im Inneren der Wohnung und alle Kosten für die Heizung, Beleuchtung und sämtliche Betriebskosten übernommen. Der Verkehrswert der Liegenschaftshälfte habe zum Zeitpunkt des Übergabsvertrags unter Berücksichtigung der Dienstbarkeit 3,586 Mio S betragen. Im Todeszeitpunkt der Erblasserin sei die Dienstbarkeit erloschen und der Verkehrswert der Liegenschaft habe 4,36 Mio S betragen. Durch den Übergabsvertrag sei der Beklagte Alleineigentümer geworden. Er habe einen Hälfteanteil der Liegenschaft am seiner Ehegattin geschenkt, um sie finanziell abzusichern. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm klar gewesen, dass seine Schwester (die Klägerin) im Todesfall der Mutter alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen würde. Er habe mit einer Schenkungsanfechtung rechnen können. In der Zeit zwischen dem Tod des Vaters und dem Bruch zwischen der Klägerin und ihrer Mutter habe diese ihrer Tochter mehrfach Geldgeschenke in nicht feststellbarer Höhe gemacht. Eine Vereinbarung, dass die Geschenke auf das Erbe anzurechnen seien, sei nicht feststellbar.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass gemäß § 785 Abs 1 ABGB auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen seien, sofern die Schenkungen nicht gemäß Abs 3 in Entsprechung einer sittlichen Pflicht gemacht worden seien. Gemäß § 951 ABGB könne der verkürzte Pflichtteilsberechtigte gegen den Beschenkten Klage erheben, wenn der Nachlass zur Deckung des Pflichtteilsanspruchs unter Berücksichtigung der Schenkung nicht ausreiche. Unter mehreren Beschenkten hafte der früher Beschenkte nur in dem Maß, dass der später Beschenkte zur Herausgabe nicht verpflichtet oder nicht imstande sei. Besitze der Beschenkte die geschenkte Sache nicht mehr, so hafte er nur dann, wenn er die Sache unredlicherweise aus seinem Besitz gelassen habe. Dem Beklagten sei eine Liegenschaftshälfte übergeben worden. Die Erblasserin habe für die Hälfte der Bankforderung, also für 1,03 Mio S gehaftet. Dem stehe ein Liegenschaftswert im Zeitpunkt der Übergabe von 3,586 Mio S gegenüber. Auf Grund des krassen Missverhältnisses sei davon auszugehen, dass nur 30 % des Wertes entgeltlich, der restliche Teil unentgeltlich an den Beklagten gelangt sei. Für die Schenkungsbewertung sei der Wert des Liegenschaftsanteils zum Todeszeitpunkt entscheidend. Es liege eine gemischte Schenkung vor. Der Schenkungsanteil mache 3,052 Mio S aus. Im Hinblick auf das besondere Verhältnis zum vormals zweitbeklagten Enkel und seine Fürsorge für die Großmutter sei bei der Schenkung an den vormals Zweitbeklagten von einer sittlichen Pflicht zur Schenkung auszugehen. Da der Wert des geschenkten Liegenschaftsanteils aber höher als der Wert der Pflege- und Geldleistungen gewesen sei, könne ein Betrag in der Höhe der Hälfte des Wertes des Liegenschaftsanteils als Schenkung in Erfüllung einer sittlichen Pflicht, der Restbetrag aber als anrechnungsfähige Schenkung angesehen werden. Der für die Pflichtteilsberechnung maßgebliche Anteil mache 9 Mio S aus. Der Pflichtteil der Klägerin aus dem Nachlass betrage 125.085,89 S, der Pflichtteil aus den Schenkungen (ein Viertel von 12,052 Mio S) mache 3,013 Mio S aus. Zusammen mit dem Nachlasspflichtteil ergebe dies 3,138.085,89 S. Von diesem Betrag sei das Nachlassvermögen von 500.343,56 S abzuziehen, sodass die beiden Geschenknehmer für einen Fehlbetrag von 2,637.742,33 S einstehen müssten. Da die Schenkung an den Beklagten nach der Schenkung an den vormals Zweitbeklagten erfolgt sei, müsse der Fehlbetrag von 2,637.742,43 S aus dem anrechenbaren Schenkungsbetrag des Beklagten beglichen werden. Das Klagebegehren gegen den vormals Zweitbeklagten sei schon deshalb nicht berechtigt.

Die Ergänzung des Klagebegehrens am sei außerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des Pflichteilsergänzungsanspruchs nach § 1487 ABGB erfolgt. Zwar sei der begehrte Betrag gleich geblieben, die anspruchsbegründenden Tatsachen seien aber geändert worden, als erstmals der Liegenschaftswert des dem vormals Zweitbeklagten geschenkten Liegenschaftsanteils in die Berechnung einbezogen werden möge. Wegen Verjährung sei nur vom ursprünglichen Klagebegehren auszugehen, wonach lediglich die dem Beklagten selbst zugekommene Schenkung in Ansatz zu bringen sei. Aus dem Wert der Schenkung von 3,052 Mio S errechne sich ein Pflichteilsanspruch von 763.000 S; von diesem Betrag müsse der Nachlass von 500.343,56 S abgezogen werden, sodass nur 262.656,44 S zuzusprechen seien.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Klägerin und des Erstbeklagten nicht Folge. Das Erstgericht habe die Frage anrechnungsfähiger Vorausempfänge der Klägerin richtig gelöst. Die für die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Eheschließung und dem Erwerb einer Liegenschaft und der Einrichtung der Wohnung geleisteten Beiträge habe der Vater der Klägerin erbracht, nicht aber die Erblasserin. Ihre Beiträge seien ohne Vereinbarung einer Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgt, ebenso die Schenkung des Anteils am Haus im 1. Bezirk. Nach dem Vorbringen der Klägerin mache sie nach dem Abzug des Wertes der gesamten Verlassenschaft nur den Differenzbetrag aus den Schenkungen geltend. Sie gestehe dem Beklagten keinen Pflichtteil aus der Verlassenschaft zu. Auch dieser selbst habe sich nicht einmal einredeweise auf seinen Pflichtteil berufen. Es sei daher von dem zu errechnenden Schenkungspflichtteil der Wert des Reinnachlasses abzuziehen. Der Wert der Liegenschaftshälfte des Beklagten habe 4,36 Mio S betragen, davon seien 70 % geschenkt worden. Daraus errechne sich ein Pflichtteil (ein Viertel) von 763.000 S. Der Wert des mit Mietrechten belasteten Anteils der Erblasserin an dem ihrem Enkel geschenkten Anteil habe zum Schenkungszeitpunkt und zum Todeszeitpunkt der Erblasserin rund 8 Mio S betragen. Das Erstgericht habe zutreffend nur die Hälfte als anrechnungsfähige Schenkung angesehen, im Übrigen eine Schenkung in Befolgung einer sittlichen Pflicht gemäß § 785 Abs 3 ABGB angenommen. Für die Berechnung des Pflichtteiles sei von 4 Mio S auszugehen. Der Schenkungspflichtteil der Klägerin habe daher insgesamt 1,763 Mio S betragen. Von diesem sei der Reinnachlass von 500.353,46 S abzuziehen, wie dies die Klägerin selbst vorbringe. Der Restbetrag von 1,262.656,44 S finde im Wert der dem Beklagten gemachten Schenkung von 3,052 Mio S Deckung. Da der Beklagte selbst pflichtteilsberechtigt sei, hafte er gemäß § 951 Abs 2 ABGB nur so weit, als er infolge der Schenkung mehr als den ihm bei Einrechnung der Schenkungen gebührenden Pflichtteil erhalten würde. Er würde aus der Verlassenschaft 25 % als Pflichtteil erhalten, aus der Schenkung an ihn nach Abzug seiner diesbezüglichen Pflichtteilsansprüche von 763.000 S 2,289 Mio S. Auch in diesem Betrag finde der Schenkungspflichtteil der Klägerin von 1,763 Mio S Deckung. Der vormals Zweitbeklagte sei als früher Beschenkter gemäß § 951 Abs 1 ZPO zur Herausgabe seines Geschenkes bzw Befriedigung des Pflichteilsanspruches der Klägerin nicht heranzuziehen. Aus § 775 ABGB ergebe sich, dass ein Noterbe seinen Pflichtteil fordern könne, eine Berücksichtigung also nur bei Geltendmachung erfolge. Da der Beklagte seinen Pflichtteil weder durch Einrede in diesem Verfahren noch außerhalb desselben geltend gemacht habe, müsse ein Schenkungspflichtteil für ihn auf Grund der Schenkung an den Zweitbeklagten unberücksichtigt bleiben. Die Klägerin habe selbst gegen den Beklagten zunächst nur den Pflichtteil geltend gemacht, der sich aus der Schenkung an ihn errechne. Erstmals in der Streitverhandlung vom habe sie auch die Schenkung an den vormals Zweitbeklagten in die Berechnung einbezogen. Diese Geltendmachung sei gemäß § 1487 ABGB verjährt. Dies sei über Einrede des Beklagten wahrzunehmen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Berücksichtigung eines nicht geltend gemachten Pflichtteiles gemäß § 951 Abs 2 ABGB bei mehreren Beklagten, die verschiedene Schenkungen erhalten hätten, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die Abweisung des Mehrbegehrens gegen den Beklagten und die Abweisung des Klagebegehrens gegen den vormals Zweitbeklagten in Rechtskraft erwachsen sind. Die von den Vorinstanzen bejahte Verjährung des Pflichtteilsanspruches, soweit dieser von der Klägerin ergänzend auf eine Zusammenrechnung beider Schenkungen gestützt wurde, ist nicht mehr Revisionsgegenstand, ebenso auch nicht die vom Revisionswerber nicht mehr angeschnittenen Fragen der Gutgläubigkeit bei der Weiterverschenkung der Liegenschaftshälfte an seine Ehegattin (§ 952 ABGB) und weiters auch nicht ein Erbverzicht der Klägerin oder ihre allfällige Erbunwürdigkeit.

Der Revisionswerber releviert die erhebliche Rechtsfrage, ob die Berechnungsanordnung des § 951 Abs 2 ABGB auch ohne entsprechenden Einwand des beklagten Geschenknehmers ohne jedes Parteivorbringen von Amts wegen wahrzunehmen ist, bejaht dies und strebt unter Einbeziehung auch der Schenkung an den vormals Zweitbeklagten die Anerkennung eines um 1,763 Mio S erhöhten Schenkungspflichtteils für jeden Noterben, also insbesondere auch für ihn selbst an, was zur gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens gegen ihn führen müsse. Denn die Klägerin dürfe sich entsprechend ihrem nicht verspäteten Klagevorbringen nur auf einen Pflichtteil von 763.000 S (berechnet ausschließlich nach dem Wert der Schenkung an den Beklagten) berufen. Der Beklagte legt auch sein Motiv offen, warum er sich im bisherigen Verfahren noch nicht auf einen eigenen erhöhten Schenkungspflichtteil berufen hat. Er habe durch die Schenkung ja ohnehin mehr als den Pflichtteil erhalten und gegen seinen Sohn keinen Anspruch stellen wollen. Andererseits habe er die Klägerin nicht auf die mögliche andere Berechnungsart (durch Zusammenrechnung beider Schenkungen) aufmerksam machen wollen. Er hole nun die Einrede nach, dass ihm gemäß § 951 Abs 2 ABGB der Schenkungspflichtteil verbleiben müsse. Dieser Einwand sei auch nicht gemäß § 775 ABGB verfristet.

Zu diesem Revisionsvorbringen ist Folgendes auszuführen:

Wenn bei Bestimmung des Pflichtteiles Schenkungen in Anschlag gebracht werden (§ 785 ABGB), der Nachlass aber zu dessen Deckung nicht ausreicht, kann der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zur Deckung des Fehlbetrages verlangen (§ 951 Abs 1 erster Satz ABGB). Die Bestimmungen der §§ 785, 951 ABGB bezwecken, den übergangenen Noterben so zu stellen, wie er stünde, wenn die Schenkung unterblieben wäre. Der Wert der Verlassenschaft ist derart zu ermitteln, als wäre die pflichtteilswidrige Verfügung unterblieben (SZ 65/39 mwN). Nach Ehrenzweig (System II/2, 593) ist der Anspruch nach § 951 ABGB auf die kurze Formel zu bringen:

Nachlasspflichtteil + Schenkungspflichtteil = erhöhter Pflichtteil. Der Schenkungspflichtteil ist ein Ergänzungsanspruch.

Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt nun darin, dass die Klägerin in einer Klage zwei Schenkungen an zwei Personen anficht, sie aber jeweils einer gesonderten Berechnung unterzog und dabei im Ergebnis eine Einzelanfechtung vornahm, was auch mit getrennter Klageführung geschehen hätte können. Bei zeitlich auseinanderfallenden Schenkungen haftet unter mehreren Beschenkten der später Beschenkte vor dem früher Beschenkten (§ 951 Abs 3 ABGB; Ehrenzweig aaO 597). Auf den früher Beschenkten ist nur dann zurückzugreifen, wenn die Ergänzung des Pflichtteiles vom später Beschenkten allein nicht erlangt werden kann, gleichgültig, ob der Anspruch gegen ihn dazu nicht ausreicht oder uneinbringlich ist. Nur gleichzeitig Beschenkte haften verhältnismäßig (Stanzl in Klang2 IV/1, 951). Dieser Haftungsbeschränkung liegt die Vermutung des Gesetzgebers zugrunde, dass der Geschenkgeber erst durch die späteren Geschenke gegenüber dem Noterben pflichtwidrig handelte (RZ 1961, 66). Die Pflichtteilserhöhung wegen Schenkungen nach den §§ 785, 951 ABGB bezweckt die Gleichstellung aller pflichtteilsberechtigter Kinder. Sie findet gemäß § 785 Abs 1 erster Satz ABGB nur auf Verlangen des pflichtteilsberechtigten verkürzten Kindes statt. Im § 951 Abs 1 ABGB ist § 785 ausdrücklich angeführt. Schon daraus kann abgeleitet werden, dass auch die Haftungsbeschränkung des § 951 Abs 2 ABGB, wonach dem Beschenkten der bei Einrechnung der Schenkungen gebührende eigene Pflichtteil erhalten bleiben muss, ein Verlangen des beklagten Geschenknehmers voraussetzt. Jedenfalls besteht die Haftungsbeschränkung nur "bei Einrechnung der Schenkungen". Schon nach diesem Gesetzeswortlaut ist für die vom Beklagten angestrebte Berücksichtigung des eigenen erhöhten Pflichtteiles auf der Basis beider Schenkungen notwendige Voraussetzung, dass tatsächlich auch beide Schenkungen bei der Berechnung des Schenkungspflichtteiles der Klägerin eingerechnet wurden, was gerade - und ausgelöst durch den Verjährungseinwand des Beklagten - nicht der Fall war.

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob sich der beklagte Noterbe im Passivprozess gegen einen anderen Noterben, der ausschließlich die zeitlich letzte Schenkung an den Beklagten geltend macht, auf eine mögliche weitere Schenkungsanfechtung berufen darf, weil ja damit in Wahrheit der eigene erhöhte Schenkungspflichtteil gegen einen weiteren von einer Anfechtung bedrohten Geschenknehmer geltend gemacht wird, der nicht Prozesspartei ist. In einem solchen Fall müsste wohl die amtswegige Wahrnehmung weiterer anfechtbarer Schenkungen im Regelfall schon an der fehlenden Kenntnis des Gerichtes über den Anfechtungstatbestand scheitern. Ein solcher setzt jedenfalls entsprechende Parteibehauptungen voraus - die im Revisionsverfahren wegen des Neuerungsverbotes keinesfalls nachgeholt werden können -, was sich schon daraus ergibt, dass im Pflichtteilsprozess der Untersuchungsgrundsatz nicht gilt und der Prozess-Stoff der Parteiendisposition unterliegt. An diesen Grundsätzen ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin hier auch eine zweite Schenkung zum Verfahrensgegenstand machte, weil die Anfechtung gegen den vormals Zweitbeklagten erfolglos blieb, eine Einrechnung dieser Schenkung also tatsächlich nicht erfolgte.

Die Vorinstanzen haben daher zutreffend den eigenen erhöhten Pflichteilsanspruch des Beklagten nur auf der Basis der allein erfolgreich angefochtenen und zur Einrechnung führenden Schenkung an den Beklagten ermittelt. Die zweite Schenkung hätte - wenn überhaupt - nur bei entsprechender Einrede und bei einer zumindest hypothetisch erfolgreichen Anfechtung auch dieser Schenkung berücksichtigt werden können.

Mit den weiteren Revisionsausführungen strebt der Beklagte die Anrechnung von Schenkungen an die Klägerin im Ausmaß von 2 Mio S an. Die Revision geht dabei nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, dass die Zuwendungen (zum Ankauf eines Hauses; Antiquitäten; Einrichtungsgegenstände) vom Vater der Klägerin - und nicht von ihrer Mutter als Geschenkgeberin - stammten. Mit dem Hinweis auf gemeinsame eheliche Ersparnisse beider Elternteile, dass also die Hälfte der Zuwendungen von der Erblasserin stammten, wird im Ergebnis und in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen angegriffen. Tatfragen können jedoch an den Obersten Gerichtshof, der nur Rechtsinstanz ist, nicht herangetragen werden.

Demnach kann dem Rechtsmittel kein Erfolg beschieden sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.