OGH vom 28.05.1999, 7Ob127/99y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon-Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin L*****, vertreten durch Dr. Armin Bonner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei V***** VAG, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch und Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen S 13.500,-- sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 175.500,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 7/99g-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom , GZ 8 Cg 228/97z-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.135,-- (darin S 1.522,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Jahre 1986 schloß der Kläger bei der beklagten Partei zwei Er- und Ablebensversicherungen mit Gewinnbeteiligung ab, die auch eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung beinhalteten. Versicherungsbeginn war , der Versicherungsablauf wurde bei der einen Polizze mit , bei der anderen mit festgelegt. Als Beruf des Klägers wurde "Zimmerer" angeführt. Inhalt des Versicherungsvertrages waren unter anderem die besonderen Versicherungsbedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (im folgenden Ö-BUZ), welche wie folgt lauten:
"§ 1. Gegenstand der Versicherung
(1) Wird der Versicherte während der Beitragszahlungsdauer und vor Vollendung des 60. Lebensjahres (bei Frauen vor Vollendung des 55. Lebensjahres) berufsunfähig, so entfällt die Verpflichtung zur Beitragszahlung für die Hauptversicherung (Lebens- oder Rentenversicherung) und für die in sie eingeschlossenen Zusatzversicherungen.
(2) Der Versicherungsnehmer kann bei Abschluß der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung beantragen, daß auf die Dauer der Beitragsfreiheit zufolge Eintrittes der Berufsunfähigkeit eine Berufsunfähigkeitsrente zur Auszahlung gelangt und zwar vierteljährlich im voraus, erstmals anteilig bis zum Ende des laufenden Versicherungsvierteljahres.
(3) ... Beitragsfreiheit und Rente werden nicht mehr gewährt, wenn die Berufsunfähigkeit wegfällt, der Versicherte stirbt oder die Beitragszahlungsdauer der Hauptversicherung abläuft.
§ 2. Begriff der Berufsunfähigkeit
Als berufsunfähig gilt der Versicherte, der infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich auf Lebenszeit außerstande ist, seinen Beruf oder eine ähnliche Tätigkeit auszuüben, die seiner Ausbildung entspricht und gleichwertige Fähigkeiten und Kenntnisse voraussetzt. Berufsunfähigkeit ist auf jeden Fall dann gegeben, wenn die Arbeitsfähigkeit des Versicherten infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist.
§ 7. Nachprüfung der Berufsunfähigkeit
(1) Der Versicherer ist berechtigt, den Bestand der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen. Zu diesem Zweck kann er auf seine Kosten jederzeit sachdienliche Auskünfte und - jedoch nur einmal im Jahr - eine Untersuchung des Versicherten durch einen von ihm beauftragten Arzt verlangen. Die Bestimmungen des § 4 finden entsprechende Anwendung.
(2) Macht der Versicherer den Wegfall der Leistungen geltend, so ist er verpflichtet, dies dem Anspruchserhebenden durch eingeschriebenen Brief unter Hinweis auf dessen Rechte aus §§ 5 und 6 mitzuteilen. Der Wegfall der Leistungen wird nicht vor Ablauf eines Monates nach Absendung der Mitteilung, frühestens jedoch zu Beginn des darauffolgenden Versicherungsvierteljahres wirksam."
Der Kläger besuchte nach der Pflichtschule die HTL, Abteilung Hochbau in R*****. Nach Abschluß der ersten Klasse begann er am eine Zimmererlehre, die er am beendete. Nach dem Präsenzdienst war er vom bis zum als Zimmerer, seit 1987 auch als Polier tätig. In dieser Zeit besuchte er über einen Zeitraum von drei Jahren jeweils im Winter die Bauhandwerkerschule in R*****. Bis zum war der Kläger als Zimmerer und Polier beschäftigt. Die im Dezember 1991 aufgetretenen Bandscheibenbeschwerden des Klägers konnten auch nicht durch eine im Jänner 1992 durchgeführte Operation beseitigt werden. Er befand sich in der Folge im Krankenstand und startete einen "Arbeitsversuch", den er aber aufgrund seines Bandscheibenleidens abbrechen mußte. Schließlich löste er sein Dienstverhältnis und beendete seine Tätigkeit als Zimmerer. Am stellte er an die Beklagte den Antrag auf Leistung aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Vom bis erbrachte die Beklagte Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung an den Kläger, weil der Kläger als Zimmerer berufsunfähig war. Die vierteljährlich zu erbringende Leistung betrug zu Beginn S 13.500,-- und erhöhte sich jährlich, sodaß sie zuletzt S 15.186,-- betrug. Da der Kläger mit einer Besserung seines Gesundheitszustandes nicht rechnen konnte, nahm er ein Angebot einer Umschulung zu einem Holz- und Furnierkaufmann an und war fortan im Einkaufsbereich tätig. Da diese Tätigkeit längere Fahrten mit dem PKW mit sich brachte, mußte er auch diese Arbeitsstelle aufgeben, weil ihm aufgrund seines Bandscheibenleidens längeres Sitzen beschwerlich war. Seit ist er bei der Firma P***** in F***** als Baustoffverkäufer angestellt. Die Tätigkeit besteht im Verkauf von Baustoffen, dem Ausstellen der entsprechenden Lieferscheine, der Planung von Bauvorhaben und der fachmännischen Beratung der Kunden. Im Kleinverkauf wird der Kläger nicht eingesetzt. Teilweise war er auch im Außendienst tätig. Aufgrund seiner bisherigen Ausbildung ist der Kläger in der Lage, verschiedene Baumaterialien zu erklären, deren Eigenschaften zu beschreiben, Tips für Heimwerker abzugeben und den Materialbedarf für spezielle Vorhaben zu errechnen. Zum Zeitpunkt seiner Einstellung war er fachlich geeignet für die Beratung in einem Baumarkt für Holz- und Holzkonstruktionen und deren statische Berechnungen. Kenntnisse über die Verwendung von Mauersteinen und Mauerwerken sowie Betoneigenschaften mußte sich der Kläger überwiegend in Selbststudium aneignen; theoretische Kenntnisse waren teilweise schon vorhanden. Für einen Beruf als Fachverkäufer brachte der Kläger ca 30 bis 40 % an notwendigen Fachkenntnissen aus seiner früheren Ausbildung mit. Alle anderen Kenntnisse mußte er sich in speziellen Kursen aneignen. Aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber ist der Kläger von bestimmten Tätigkeiten, die er wegen seines Bandscheibenleidens nicht ausüben kann (zum Beispiel Heben und Tragen von Verkaufsartikeln, Aushilfe im Detailverkauf) befreit. Er muß auch nur vereinzelt im Außendienst vor Ort Bauteile ausmessen und kann sich die Arbeiten im Büro so einteilen, daß er nicht ständig sitzen muß. Einzig und allein aufgrund eines besonderen Entgegenkommens durch den Arbeitgeber ist es dem Kläger möglich, die Tätigkeit als Fachverkäufer für Baumaterialien auszuüben. Das Bandscheibenleiden würde den Kläger auch von der Tätigkeit des Baustoffverkäufers, wie sie von den anderen sechs Verkäufern bei der Firma P***** durchgeführt wird, ausschließen. Die Fachverkäufer der Firma P***** erhalten Fixlöhne. Bei anderen Baumärkten werden diese privat auf Provisionsbasis entlohnt. Bei dieser Entlohnungsart wäre eine Beschäftigung des Klägers nicht möglich, da er nicht alle Bereiche des Verkaufes (speziell Außendienst) abdecken könnte. Bei der Firma P***** hat der Kläger keine weiteren Aufstiegsmöglichkeiten. Der Kläger ist als Fachverkäufer nach dem Kollektivvertrag für Handelsangestellte in der Beschäftigungsgruppe 4 einzustufen. Als Baupolier wäre er im Kollektivvertrag der Industrie in der Meisterklasse I eingestuft. Bei der vom Kläger nunmehr ausgeübten Tätigkeit als Baustoffverkäufer handelt es sich um keine ähnliche Tätigkeit zu der des Poliers in der Zimmerei. Unter Berücksichtigung aller Aufgaben, die ein Verkäufer zu erledigen hat, decken sich nur etwa 30 bis 40 % seiner Vorkenntnisse mit den beruflichen Anforderungen im Verkauf. Ein Polier oder Vorarbeiter einer Zimmerei leitet die Arbeit auf einer oder mehreren Baustellen. Wenn er mehrere Baustellen gleichzeitig betreut, pendelt er zwischen den einzelnen Arbeitsstellen und ist hauptsächlich mit organisatorischen Aufgaben betraut. Er bespricht die Kundenwünsche mit dem Bauherrn oder dessen Vertrauensperson, organisiert Transporte, führt Materialbestellungen durch, teilt die Arbeitskräfte ein, überprüft die Arbeiten auf den Baustellen und arbeitet mit der Bauaufsicht eng zusammen. Der Kläger bringt derzeit im Vergleich zu ähnlichen Betrieben bei der Firma P***** ein relativ hohes Einkommen von S 30.000,-- brutto ins Verdienen. Als Polier würde der Kläger jedoch derzeit 30 bis 40 % mehr verdienen können. Der Zustand des Klägers in bezug auf sein Bandscheibenleiden ist als endgültig anzusehen. Mit einer Besserung kann nicht mehr gerechnet werden. Er hat ca 3 bis 4mal jährlich sehr starke Schmerzschübe, sodaß er Infusionen benötigt. Beim nächsten Schmerzschub wird er sich einer Operation unterziehen müssen. Vermeiden sollte der Kläger überwiegendes Sitzen, schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten, Lasten heben und tragen über 20 kg, Arbeiten mit Absturzgefahr auf Leitern und Gerüsten und langanhaltende Vibrationen und Erschütterungen. Auf welche Höhe sich aufgrund der Gewinnbeteiligung und der Indexvereinbarung die vierteljährlichen Rentenleistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab belaufen würden, kann nicht festgestellt werden.
Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Zahlung der Rente aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für Feber, März und April 1997 in Höhe von S 13.500,-- sA sowie weiters die Feststellung, daß die Verpflichtung der beklagten Partei zur Erbringung der Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab bis auf weiteres aufrecht besteht. Er brachte dazu im wesentlichen vor, daß er aufgrund seines Bandscheibenleidens berufsunfähig sei und seinen Beruf als Zimmermann oder eine ähnliche Tätigkeit, die seiner Ausbildung entspreche und gleichwertige Fähigkeiten und Kenntnisse voraussetze, nicht ausüben könne. Der Beruf des Baustoffverkäufers sei keine dem Beruf des Zimmermanns ähnliche Tätigkeit.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, daß es sich bei dem nunmehr vom Kläger ausgeübten Beruf eines Baustoffverkäufers um eine im Sinn des § 2 der besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ähnliche Tätigkeit handle, die der Ausbildung des Klägers entspreche und gleichwertige Fähigkeiten und Kenntnisse voraussetze, sodaß Berufsunfähigkeit nicht vorliege. Durch die Umschulung, die der Kläger freiwillig durchgeführt habe, habe er neue Kenntnisse und Fähigkeiten erworben, sodaß er seine Berufsunfähigkeit wiedererlangt habe, wobei er für seinen nunmehrigen Beruf als Baustoffverkäufer einen Teil der notwendigen Fachkenntnisse auch aufgrund seiner früheren Tätigkeiten und Ausbildungen eingebracht habe. Die Verweisung auf diesen nun ausgeübten Beruf sei zulässig. Beide Tätigkeiten seien bezüglich Ansehen und Stellung im Beruf etwa gleichrangig. Aufstiegsmöglichkeiten und die Lage am Arbeitsmarkt seien nicht zu berücksichtigen. Berufsunfähigkeit sei erst dann gegeben, wenn die Arbeitsfähigkeit des Versicherten infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte desjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten herabgesunken sei, was beim Kläger jedenfalls nicht der Fall sei. Ein Feststellungsinteresse sei nicht gegeben, da auch künftig fällig werdende Rentenbeträge bereits eingeklagt werden könnten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die derzeitige Tätigkeit des Klägers als Baustoffverkäufer sei nicht mit der eines Poliers in einer Zimmerei, die er nicht mehr ausüben könne, vergleichbar, sodaß Berufsunfähigkeit nach § 2 der Ö-BUZ vorliege. Er müsse sich daher auch nicht auf den Beruf des Baustoffverkäufers verweisen lassen. Er habe auch seine Berufsfähigkeit im Sinne der besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht wiedererlangt. Das rechtliche Interesse am Feststellungsbegehren sei zu bejahen, da von 1992 bis 1995 laufend Erhöhungen der Rentenleistung wegen der dem Kläger zuerkannten Gewinnbeteiligung erfolgt seien, sodaß die genaue Höhe der Rentenleistung in der Zukunft ebenso wie die Dauer der Leistungspflicht offen seien.
Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand als mit S 52.000,--, nicht jedoch S 260.000,-- übersteigend und erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für zulässig. Während in der deutschen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ausdrücklich vorgesehen sei, daß vom Versicherungsnehmer neu erworbene berufliche Fähigkeiten bei Überprüfung der Wiedererlangung der Berufsunfähigkeit mit zu berücksichtigen seien, fehle eine derartige Bestimmung in der österreichischen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Auch die deutsche Judikatur vermeine, daß Gegenstand der Nachprüfung auch inzwischen eingetretene Verweisungsmöglichkeiten, insbesondere wegen neu erworbener beruflicher Fähigkeiten, sein könnten, wenn in den Versicherungsbedingungen nicht angeführt sei, daß bei der Nachprüfung neu erworbene berufliche Fähigkeiten zu berücksichtigen seien. Nachdem in den Ö-BUZ, insbesondere in deren § 7 eine Bestimmung fehle, daß auch nach Eintritt der Berufsunfähigkeit erworbene berufliche Fähigkeiten bei der Überprüfung der Berufsunfähigkeit zu berücksichtigen seien, könne sich die Beklagte mangels einer derartigen Vereinbarung mit dem Kläger nicht erfolgreich darauf berufen, daß der Kläger nunmehr nach einer freiwilligen Ein- und Umschulung einen seinen nunmehrigen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Beruf als Baustoffverkäufer ausübe.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung von der beklagten Versicherung erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Die Auslegung von AVB's hat sich am Verständnis eines verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu orientieren, ein Maßstab, der den Kriterien der §§ 914 f ABGB weitgehend entspricht. Daher sind Unklarheiten zu Lasten des Versicherers auszulegen, weil dies die Interessen des Vertrauensschutzes erfordern, der "erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen" muß aber stets beachtet werden. Risikoeinschränkende Klauseln besitzen aber denoch in dem Maße keine Vertragskraft, als deren Verständnis von einem Versicherungsnehmer ohne juristische Vorbildung nicht erwartet werden kann (vgl Heiss/Lorenz, VersVG2 § 1 Rz 49 f und 56).
Während in den deutschen Bedingungen sich der Versicherungsnehmer bei der Überprüfung des Weiterbestehens der Berufsunfähigkeit zwischenzeitig neu erworbene berufliche Fähigkeiten zu seinen Lasten anrechnen lassen muß und verpflichtet ist, die Minderung seiner Berufsunfähigkeit oder die Wiederaufnahme bzw Änderung seiner Berufstätigkeit unverzüglich dem Versicherer mitzuteilen, fehlen in den vorliegenden Versicherungsbedingungen derartige Normen. Ansonsten erlaubt die weitgehend gleichgelagerte Bedingungslage (vgl Prölss/Martin VVG26 1777 ff §§ 1 bis 3 der BUZ 90) die Übernahme der in der deutschen Rechtsprechung und Lehre vertretenen Auffassungen. Demnach soll diese Versicherungsart Schutz vor dem Zustand bieten, in dem ein Versicherter aus gesundheitlichen Gründen ganz oder teilweise nicht mehr in der Lage ist, seinen bisherigen Beruf oder einen angemessenen Vergleichsberuf auszuüben (vgl Winter in Bruck/Möller VVG8 Bd V 2 (1988) Rn G 15 - 95; Benkel/Hirschberg, Berufsunfähigkeit und Lebensversicherung vor § 1 BUZ Rz 38; Richter, Berufsunfähigkeitsversicherung2 (1994); derselbe VersR 88, 1207; Voit, Berufsunfähigkeitsversicherung (1994) Rn 3 ff, Voit in Prölss/Martin VVG26, 1777 ff sowie Kummer in r + s 1998, 309 ff). Die Berufsunfähigkeitsversicherung soll einen sozialen Abstieg des Versicherten im Arbeitsleben und in der Wirtschaft, d.h. im sozialen Umfeld des Versicherungsnehmers verhindern (vgl VersR 1986, 278). Sie soll in erster Linie eine Entschädigung für Einkommenseinbußen leisten, wie sie ein erheblicher Rückgang der beruflichen Leistungsfähigkeit regelmäßig und typischerweise zur Folge hat (vgl Winter in Bruck/Möller VVG8 V/2 Anm G 16). Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine Summenversicherung, die Versicherungsleistung erfolgt also unabhängig vom Nachweis eines Schadens, insbesondere einer Einkommensbuße (Prölss/Martin aaO 1777; Voit aaO Rn 11). Versicherte Gefahr in der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der vorzeitige Rückgang oder der Verlust der beruflichen Leistungsfähigkeit (vgl VersR 84, 632 uva). Gegenstand der Versicherung ist die Berufsfähigkeit des Versicherten, also seine Fähigkeit, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die er aufgrund seiner Ausbildung und seiner Erfahrung ausüben kann und die seiner Lebensstellung entspricht. Versichert ist dabei nicht die berufliche Leistungsfähigkeit des Versicherten überhaupt, sondern nur in Verbindung mit bestimmten Berufen (vgl Winter aaO G 17), es kommt auf die vor dem Versicherungsfall zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Versicherten (vgl VersR 94, 587; r + s 96, 285 ua), sowie sie eben in gesunden Tagen, solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war, ausgestaltet war (vgl Kummer aaO, VersR 93, 1470), durch die der Versicherte sein Einkommen bis zum Eintritt des Versicherungsfalls erzielt hat und die demgemäß Grundlage seiner Lebensgestaltung bis dahin gewesen ist, an (vgl Benkel/Hirschberg aaO Rz 9 f zu § 2 BUZ; vgl Prölss/Martin aaO 1783 f). Während die deutsche Bedingungslage eine teilweise Berufsunfähigkeit kennt, sehen die Ö-BUZ neben der vollkommenen Berufsunfähigkeit den Eintritt des Versicherungsfalls erst dann vor, wenn die Arbeitsfähigkeit des Versicherungsnehmers infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist.
Gegenüber dem Versicherungsfall im Sinne des § 2 der Ö-BUZ wird der Begriff der Berufsunfähigkeit im Sozialversicherungsrecht - trotz weitgehend gleicher Wortwahl in den entsprechenden Bestimmungen (vgl § 273 Abs 1 bzw § 255 Abs 1 ASVG bzw § 153 GSVG) - anders definiert. Das österreichische Sozialversicherungsrecht, das ein zum Teil von der öffentlichen Hand mitfinanziertes Pflichtversicherungssystem darstellt und einen sozialen Mindeststandard sichern soll, stellt bei der Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit nicht auf die konkrete Fähigkeit ab, die bisherige Berufstätigkeit fortzusetzen oder eine andere vergleichbare Tätigkeit auszuüben, sondern abstrakt auf die generelle Fähigkeit, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich dem Versicherten nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten im ganzen Bereich des wirtschaftlichen Lebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen (Benkel/Hirschberg aaO, Rz 7 zu § 2 BUZ; vgl Winter aaO G 32 - 44). Auch vom Invaliditätsbegriff in der Unfallversicherung unterscheidet sich der Begriff der Berufsunfähigkeit in der Berufsunfähigkeitsversicherung wesentlich, weil erstere nur auf einen medizinischen Invaliditätsbegriff abstellt.
Der Wegfall einer bereits eingetretenen Berufsunfähigkeit und damit der Wegfall des Versicherungsfalles wird im § 7 Ö-BUZ geregelt. Zu dieser Bestimmung wäre zunächst auszuführen, daß ein Versicherter, der an sich aufgrund seines Gesundheitszustandes außerstande ist, eine berufliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Satz 2 Ö-BUZ auszuüben, aber gleichwohl unter Umständen sogar unter Aufzehrung seiner gesundheitlichen Substanz ganz oder zu mehr als 50 % fortsetzt, grundsätzlich Versicherungsschutz genießt. Dem Versicherer soll nicht zugutekommen, daß der Versicherungsnehmer durch seine Tätigkeit nach Art und Umfang ständig gesundheitlich überfordert ist und das Risiko einer Überanstrengung und weiteren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in Kauf nimmt (vgl Benkel/Hirschberg aaO Rn 14).
Auch in der deutschen Rechtsprechung von Berufungsgerichten wurde die Auffassung vertreten, daß, wenn der letzte Satz des § 2 Abs 1 BUZ nicht Gegenstand des Versicherungsvertrages wurde, eine Berücksichtigung von nach dem Versicherungsfall vom Versicherungsnehmer zusätzlich erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten nicht zu erfolgen hat (vgl Prölss/Martin aaO, § 7 BUZ Rn 4 mwN). Dieser Ansicht schließt sich auch der erkennende Senat an. Wenn auch die Berufsunfähigkeitsversicherung keine Arbeitsplatzrisikoversicherung ist und bei Zumutbarkeit von Verweisungsberufen die Arbeitsmarktlage nicht berücksichtigt werden kann, soll bei dieser Versicherungsart gerade der Verlust der bisherigen Lebensstellung des Versicherungsnehmers berücksichtigt werden. Berufsunfähigkeit ist daher gegeben, wenn die andere Arbeitstätigkeit, auf die der Versicherte aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung verwiesen werden kann, seiner bisherigen Lebensstellung nicht entspricht. Für den Verlust der bisherigen Lebensstellung ist maßgeblich, ob die soziale Stellung ebenso wie das soziale Ansehen des Versicherten inhaltlich erhalten bleiben und der neue Beruf bei Ausübung auch die gleichen sozialen Sicherungen verschafft (vgl Benkel/Hirschberg aaO Rn 18), dies allerdings mit der Einschränkung, daß sich der Versicherte nach der österreichischen Bedingungslage, übt er einen derartigen Verweisungsberuf tatsächlich aus, eine bis zu 50 % gehende Einkommensminderung gefallen lassen muß.
Für den Nachweis des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer genügt eine laienhafte Darstellung der Beschwerden samt Wiedergabe der vom Arzt gestellten Diagnose. Den Versicherer trifft dann die Pflicht, einen oder mehrere Berufe, die dem Versicherungsnehmer noch zumutbar sind, unter Beweis zu stellen. Gelingt dies dem Versicherer, dann ist es Sache des Versicherungsnehmers nachzuweisen, warum diese für ihn nicht in Frage kommen. Übt der Versicherte bereits eine andere Tätigkeit aus, so muß er beweisen, daß diese Tätigkeit keine bedingungsgemäße Vergleichstätigkeit ist (vgl Prölss-Martin aaO § 2 BUZ Rn 57 mwN). Dieser Beweispflicht ist der Kläger nachgekommen. Mangels einer Bestimmung in den Ö-BUZ gleich wie in den deutschen Bedingungen, nämlich daß sich der Versicherte gefallen lassen muß, daß bei Nachprüfung der Berufsunfähigkeit neu erworbene berufliche Fähigkeiten mit zu berücksichtigen sind, muß sich der Kläger seine nunmehrige Angestelltentätigkeit im Baustoffgroßhandel nicht als Verweisungsberuf anrechnen lassen. Es wäre vielmehr Sache des Versicherers gewesen zu beweisen, daß der Kläger eine dem Beruf eines Poliers oder Zimmerers gleichwertige Tätigkeit nach wie vor noch ausüben kann. Dies hat er nicht getan, dem Klagebegehren war daher stattzugeben.