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OGH vom 21.05.2014, 3Ob121/13k

OGH vom 21.05.2014, 3Ob121/13k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Mag. Christian Fauland, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei M*****, wegen Ehescheidung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 139/13w 23, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Graz Ost vom , GZ 247 C 23/12y 15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, Republika Srpska (Serbische Republik), und haben am vor dem Standesamt Graz die Ehe geschlossen, der ein im Jänner 2011 geborener Sohn entstammt. In dritter Instanz ist unstrittig, dass der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten im Sprengel des Erstgerichts bestand, den der Mann Ende Mai 2010 aufgab.

Über Antrag der Frau vom wurde ihr mit Beschluss des Erstgerichts vom die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a, c, f und Z 3 ZPO für das von ihr beabsichtigte Scheidungsverfahren bewilligt (247 Nc 14/11z 3 des Erstgerichts).

Am brachte der mittlerweile wieder in Bosnien lebende Mann beim Amtsgericht Prijedor eine auf Ehescheidung nach „§ 52 Ehegesetzes der Republika Srpska“ gerichtete Klage gegen die Frau ein, weil die Ehebeziehungen von Anfang an dauerhaft und schwer zerrüttet seien und eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten sei. Die der Frau am an ihrer Grazer Anschrift vom Amtsgericht Prijedor unmittelbar im Postweg mittels internationalem Rückschein übermittelte Klageschrift wurde am (richtig) mit dem (angekreuzten) Vermerk „nicht angenommen“ an das bosnische Gericht rückübermittelt.

Die anwaltlich vertretene Frau brachte am beim Erstgericht eine (erkennbar auf § 49 EheG gestützte) Scheidungsklage ein, weil die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten unheilbar zerrüttet sei. Diese wurde dem Beklagten unter einer Anschrift in Klagenfurt am zugestellt (s nach AS 1).

Das Amtsgericht Prijedor bestellte mit Beschluss vom eine vor Ort ansässige Rechtsanwältin zur Prozesskuratorin der Beklagten im dort anhängigen Scheidungsverfahren.

Am langte beim Erstgericht ein von einem in Prijedor ansässigen Rechtsanwalt als Vertreter des Mannes verfasster Schriftsatz (ON 5) ein, mit dem ua Kopien der Scheidungsklage vom und einer dazu erteilte Eingangsbestätigung des Amtsgerichts Prijedor in Fremdsprache als auch Übersetzungen in die deutsche Sprache vorlegt wurden. Die Zustellung dieses Schriftsatzes an den Vertreter der Frau kann dem erstgerichtlichen Akt nicht entnommen werden.

Mit von einem österreichischen Rechtsanwalt beim Erstgericht eingebrachten Schriftsatz vom bestritt der Mann die Scheidungsklage und erhob ua den Einwand der Streitanhängigkeit nach § 233 ZPO unter Hinweis auf die von ihm früher in seinem Heimatstaat eingebrachte Scheidungsklage, die der Frau ordnungsgemäß zugestellt worden sei (ON 6).

In der in Anwesenheit der Frau abgehaltenen Tagsatzung vom vor dem Erstgericht ersuchten beide Parteienvertreter nach Verlesung der ON 5 um die Übermittlung von Kopien davon; ob und allenfalls wann diese ausgefolgt/zugestellt wurden, ist aus dem Akt nicht zu ersehen. Am Ende der Tagsatzung wies der Beklagtenvertreter darauf hin, dass „in Bosnien am eine Tagsatzung ausgeschrieben“ sei. Eine Zustellung der Protokollabschriften fand wie dem VJ Register zu entnehmen ist (erst) am statt.

Mit (richtig) am nach der am selben Tag in Anwesenheit eines Vertreters des Mannes und der „vorübergehenden Vertreterin“ der Frau durchgeführten „Hauptverhandlung“ verkündeten Urteil des Amtsgerichts Prijedor (Zahl 770 P 03763812P) wurde die Ehe gemäß Art 52 Abs 1 des Familiengesetzes der Republik Srpska geschieden, die Obsorge für das gemeinsame Kind wurde der Mutter alleine übertragen und der Beklagte zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 200 EUR verpflichtet. Der Begründung ist ua zu entnehmen, dass das Gericht versucht habe, der Frau die Klage zu ihrer Stellungnahme zuzustellen, die Klageschrift jedoch mit der Anmerkung zurückgeschickt worden sei, dass die Frau „auf der genannten Anschrift unbekannt“ sei; deshalb sei für die Frau eine „vorübergehende Vertreterin“ genannt worden. Von der faktisch schweren und dauernden Zerrüttung der Beziehungen und der Unerträglichkeit des gemeinsamen Lebens sei auszugehen, nachdem die Ehegemeinschaft rund einen Monat nach der Eheschließung faktisch aufgelöst worden sei. Am wurde dieses Urteil für rechtskräftig erklärt. Die Frau hat sich an diesem Scheidungsverfahren nicht beteiligt.

Mit Schriftsatz vom trat die Frau gegenüber dem Erstgericht dem Einwand der Streitanhängigkeit entgegen; sie habe keine Kenntnis von der Klageeinbringung in ihrem Heimatstaat erlangt und diese nicht zugestellt bekommen, sodass sie keine Möglichkeit gehabt habe, das ihr zustehende rechtliche Gehör wahrzunehmen (ON 11).

In der Tagsatzung vom , ON 14, legte der nunmehr unvertretene Mann das Scheidungsurteil vom im Original und in beglaubigter Übersetzung (Beilage ./H) vor, zu dem die Frau einwendete, sie sei daran nicht beteiligt gewesen, sodass es nicht anerkannt werde. Der Mann legte weiters Kopien der „Rückscheine aus dem bosnischen Verfahren“ als „Beilage ./E“ (bezeichnet jedoch als ./i) vor, zu denen die Frau keine Erklärung abgab.

Das Erstgericht wies die Scheidungsklage wegen rechtskräftig entschiedener Rechtssache zurück. Die inländische Gerichtsbarkeit bzw internationale Zuständigkeit sei gegeben. Gemäß § 97 Abs 1 AußStrG sei das ausländische Urteil anzuerkennen, weil es rechtskräftig sei und kein Grund zur Verweigerung der Anerkennung vorliege. Auch sei die internationale Zuständigkeit des Ursprungsstaates gegeben, da beide Parteien bosnische Staatsbürger seien.

Die Frau erhob dagegen einen Rekurs , der dem früheren Vertreter des Mannes zugestellt wurde. Dieser ersuchte um unmittelbare Zustellung an den Mann (ON 18). Eine ohne jede Unterschrift eingebrachte Rekursbeantwortung stellte das Erstgericht dem Mann mit Beschluss vom zur Verbesserung binnen 14 Tagen durch Anwaltsfertigung zurück (ON 20). Die Zustellung erfolgte an den Mann in Prijedor mittels internationalem Rückschein, der mit unleserlicher Unterschrift versehen am beim Erstgericht einlangte. Die aufgetragene Verbesserung wurde nicht vorgenommen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Frau nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig. Es erachtete das rechtliche Gehör der Frau als gewahrt, weil die Klage und die Ladung rechtzeitig zugestellt, jedoch die Annahme von der Klägerin verweigert worden sei. Der vorgelegte Zustellnachweis sei unbedenklich. Dass der Klage keine beglaubigte, deutschsprachige Übersetzung angeschlossen gewesen wäre, oder dies der Grund für die Annahmeverweigerung gewesen wäre, habe die Frau in erster Instanz nicht behauptet. Auch der Akt biete dazu keine Anhaltspunkte, sodass auch die begehrte ergänzende Feststellung zum Fehlen einer deutschen Übersetzung nicht getroffen werden könne. Ein Verstoß gegen den ordre public sei zu verneinen, weil auch das österreichische Recht eine Scheidung ohne Verschuldensausspruch kenne und das bosnische Recht auch Unterhaltsansprüche nach der Scheidung regle; abgesehen davon sei auch im gegenständlichen Scheidungsverfahren nicht das österreichische Recht sondern nach §§ 18 Abs 1 und 20 Abs 1 IPRG jenes der Republik Srpska als Heimatrecht beider Ehegatten anzuwenden. Die (allfällige) Unterlassung der Durchführung eines im Heimatrecht als Voraussetzung für die Ehescheidung vorgesehenen Mediationsversuchs möge einen Verfahrensmangel darstellen, dies führe jedoch nicht zur Nichtigkeit des (rechtskräftigen) Urteils.

Die Rekursentscheidung wurde dem Mann in Prijedor neuerlich mittels internationalem Rückschein zugestellt, der wieder mit einer unleserlichen Unterschrift versehen am beim Erstgericht einlangte.

Die Frau erhob einen außerordentliche Revisionsrekurs mit dem Antrag, ihrem Rekurs und der Klage stattzugeben, in eventu die Rekursentscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuweisen. Inhaltlich wird primär unrichtige rechtliche Beurteilung zur Frage geltend gemacht, ob der Frau im ausländischen Scheidungsverfahren ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei. Dies sei zu verneinen, weil der Mann nicht nachgewiesen habe, dass seiner Scheidungsklage bei der Zustellung in Österreich eine beglaubigte deutschsprachige Übersetzung angeschlossen gewesen sei, sodass dem § 12 Abs 2 ZustG nicht entsprochen worden sei. Die Vorinstanzen hätten wegen der zulässigen Annahmeverweigerung der Frau nicht von einer ordnungsgemäßen Zustellung der Klage ausgehen dürfen und deshalb die Wahrung ihres rechtlichen Gehörs sowie die Anerkennung des ausländischen Scheidungsurteils verneinen müssen. Das Rekursgericht sei auch aktenwidrig von einer Zustellung einer Ladung an die Frau ausgegangen, obwohl dies weder vom Mann behauptet noch vom Erstgericht festgestellt worden sei.

Über Veranlassung durch den Obersten Gerichtshof erfolgte nachträglich im Rechtshilfeweg die Zustellung der Rekursentscheidung (ON 23), des außerordentlichen Revisionsrekurses (ON 25) und des Freistellungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofs vom (ON 28), jeweils samt Übersetzung in die bosnische Sprache am an den Mann (zu Handen seiner Mutter); die Zustellungen bestätigte er gegenüber dem Erstgericht am (ON 42). Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde vom Mann nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig , weil der Ausnahmefall nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen) vorliegt und die Ansicht der Vorinstanzen, der Anerkennungsverweigerungsgrund des § 97 Abs 2 Z 2 AußStrG liege nicht vor, eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung darstellt. Er ist deshalb im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt .

1. Das Prozesshindernis der Rechtskraft eines die Streitsache betreffenden Urteils ist jederzeit von Amts wegen zu berücksichtigen (§§ 230 Abs 3, 411 Abs 2 ZPO). Liegt es vor, ist das Verfahren nichtig, und die Klage ist zurückzuweisen; dies gilt auch im Fall international entschiedener Rechtssache (6 Ob 96/11b mwN).

2. Seit Inkrafttreten des AußStrG 2003 mit richtet sich die Anerkennung von eheauflösenden Entscheidungen anderer Staaten soweit nicht die Brüssel IIa VO oder andere zwischenstaatliche Anerkennungs- und (oder) Vollstreckungsverträge zur Anwendung kommen (1 Ob 44/11v; vgl auch Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR Vor § 97 AußStrG Rz 1) nach §§ 97 ff AußStrG. Da zwischenstaatliche Vereinbarungen mit den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien im Hinblick auf gerichtliche Entscheidungen in Ehescheidungsverfahren fehlen, ist für die Beurteilung der Anerkennung des Scheidungsurteils des Amtsgerichts Prijedor § 97 Abs 1 AußStrG heranzuziehen (8 Ob 18/08t = SZ 2008/88).

3. Nach dieser Gesetzesstelle wird eine ausländische Entscheidung über die Ehescheidung, Trennung, Ungültigerklärung sowie über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe in Österreich anerkannt, wenn sie rechtskräftig ist und kein Grund zur Verweigerung der Anerkennung vorliegt. Ausländische Entscheidungen werden somit ipso iure anerkannt, allerdings kann die befasste Behörde in jeder Lage des Verfahrens inzident, dh ohne Durchführung eines selbständigen Verfahrens, über die Anerkennung selbst entscheiden ( Nademleinsky/Neumayr IFR Rz 05.71; Deixler Hübner in Rechberger AußStrG² § 97 Rz 1; Fuchs in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG §§ 97 100 Rz 1). Eine derartige inzidente Entscheidung erwächst nicht in Rechtskraft und wirkt auch „nur“ für die Parteien des Verfahrens ( Nademleinsky § 97 AußStrG Rz 2; 6 Ob 96/11b).

Die Vorinstanzen haben somit zutreffend die Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Scheidungsurteils vom , das vor Schluss der Verhandlung im inländischen Scheidungsverfahren als rechtskräftig bestätigt wurde, geprüft.

4. § 97 Abs 2 Z 2 AußStrG normiert als Grund für die Verweigerung der Anerkennung, wenn das rechtliche Gehör eines der Ehegatten nicht gewahrt wurde, es sei denn, er ist mit der Entscheidung offenkundig einverstanden. Ein solches Einverständnis mit dem bereits am ergangenen Scheidungsurteil kann hier nach dem Prozessvorbringen der Frau nicht unterstellt werden (vgl dazu Fuchs Rz 24; Neumayr in B/N/G/S IZVR § 97 AußStrG Rz 32), obwohl auch sie die Ehescheidung anstrebt.

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist eine besondere Ausprägung des verfahrensrechtlichen ordre public. Die Bestimmung soll den Antragsgegner davor schützen, dass die (ausländische) Entscheidung ohne seine Beteiligung erlassen wurde. Es muss sichergestellt worden sein, dass für den Antragsgegner die Möglichkeit bestanden hatte, sich effektiv am Verfahren zu beteiligen; eine solche ausreichende Beteiligungsmöglichkeit kann vor allem darin erblickt werden, dass dem Antragsgegner das verfahrenseinleitende Schriftstück rechtzeitig und ordnungsgemäß zugestellt wurde. Wer geladen wurde und die Möglichkeit hatte, sich am Verfahren zu beteiligen, kann sich auch bei einer Entscheidung in seiner Abwesenheit nicht auf die Verletzung seines rechtlichen Gehörs berufen, vor allem dann nicht, wenn er im Ursprungsstaat sogar durch einen selbst gewählten Rechtsanwalt vertreten war (6 Ob 62/03s; 7 Ob 199/06z; 8 Ob 18/08t). Ist eine Partei aber unbekannten Aufenthalts oder entzieht sie sich der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes, so sind die Voraussetzungen der Bestellung eines Abwesenheitskurators gegeben und das rechtliche Gehör wird durch diesen gewahrt (7 Ob 61/05d). Wird hingegen ohne entsprechende Voraussetzungen für eine Partei ein Kurator bestellt, so ist das rechtliche Gehör der Partei nicht gewahrt (RIS Justiz RS0120123; vgl Nademleinsky Rz 8; Deixler Hübner Rz 5; Neumayr Rz 30).

5.1. Aus den Feststellungen und den diesen zugrunde liegenden Urkunden ergibt sich zur Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (das ist die vom Mann in der Republika Srpska eingebrachten Scheidungsklage) an die Frau unter ihrer Wohnanschrift in Graz (nur), dass die vom Amtsgericht Prijedor im März 2012 veranlasste, mit internationalem Rückschein ausgestattete unmittelbare Postzustellung offensichtlich scheiterte und die Sendung am mit dem Vermerk „Nicht angenommen“ rückgeleitet wurde; es liegen keine Hinweise dazu vor, warum und von wem die Annahme verweigert wurde, und ebenso wenig dazu, ob Gelegenheit bestand, vom Inhalt der Postsendung Kenntnis zu erlangen, sowie in welcher Sprache die Klage abgefasst war. Schließlich blieb ohne ausdrückliche Feststellung, welche Sprache/n die Frau spricht und versteht.

Dem unstrittigen Inhalt der Übersetzung des ausländischen Scheidungsurteils (Beilage ./H) ist hingegen zu entnehmen, dass eine Zustellung der Scheidungsklage am unbekannten Aufenthalt der Frau scheiterte, was offensichtlich Anlass für das Amtsgericht Prijedor war, für die Frau einen Abwesenheitskurator zu bestellen.

5.2. Zur Frage der ordnungsgemäßen Zustellung der Klage ist zunächst auf § 12 Abs 1 ZustG Bedacht zu nehmen, nach dem die Zustellung von Dokumenten ausländischer Behörden im Inland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen, mangels solcher nach diesem Bundesgesetz vorzunehmen ist.

Bosnien und Herzegowina (BGBl 1994/10) ist ebenso wie Österreich (BGBl 1957/91) Vertragsstaat des Übereinkommens vom , betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, BGBl 1957/91 (Haager Prozessübereinkommen 1954, kurz HPÜ). Weiters wird der Vertrag vom zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den wechselseitigen rechtlichen Verkehr samt Schlussprotokoll (Rechtshilfevertrag) zwischen Österreich und Bosnien und Herzegowina aufgrund des Prinzips der Kontinuität im Rahmen des Völkerrechts weiter angewendet ( Sengstschmid in Fasching/Konecny ³ Anh B §§ 38 bis 40 JN Rz 9). Eine unmittelbare Zustellung durch die Post von Österreich nach Bosnien und Herzegowina ist in diesen Vereinbarungen nicht vorgesehen (10 ObS 347/99y; 3 Ob 56/13a; Schneider/Schwarz Internationaler Rechtshilfeverkehr und Internationale Vollstreckungs-rechtshilfe in Zivilsachen Tabelle II Bosnien und Herzegowina [„Gelbes Buch“]), was auch für den umgekehrten Fall gilt.

Eine dennoch außerhalb des vorgesehenen Rechtshilfewegs mit internationalem Rückschein vorgenommene Zustellung ist gesetzwidrig und (bis zur allfälligen Heilung des Zustellmangels) unwirksam (vgl RIS Justiz RS0036474). Von einer solchen Heilung kann hier nicht ausgegangen werden, weil die Aktenlage keinen Anlass für die Annahme bietet, die Scheidungsklage wäre der Frau nachträglich, aber vor dem (mit oder ohne Übersetzung) tatsächlich im Sinne einer faktischen Empfangnahme zugekommen; deren Vorlage an das Erstgericht und deren Verlesung durch das Erstgericht am vermag daran ebensowenig zu ändern, wie die mündliche Mitteilung vom Termin der Tagsatzung am im Heimatstaat erst am . Das bloße Wissen von einem Verfahren ersetzt nämlich die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes nicht (7 Ob 61/05d). Abgesehen davon wäre die der Klägerin zur Verfügung stehende Einlassungsfrist von etwa einer Woche zu kurz (vgl nur § 257 Abs 1 ZPO: mindestens drei Wochen). Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Annahmeverweigerung stellt sich daher wegen der grundsätzlichen von Amts wegen zu prüfenden Unwirksamkeit des Zustellversuchs gar nicht.

Im Gegensatz zur Meinung der Vorinstanzen kann somit von einer ordnungsgemäßen Zustellung der (nicht an die Frau gelangten) Scheidungsklage des Mannes nicht ausgegangen werden.

5.3. Dazu kommt, dass das Amtsgericht Prijedor im Verfahren über diese Scheidungsklage als Folge des gescheiterten Zustellversuchs (und wohl auch wegen der mit der Postzustellung einhergehenden Dokumentationsdefizite) vom unbekannten Aufenthalt der Frau ausgegangen ist, obwohl davon keine Rede sein konnte. Die damit begründete Bestellung einer „vorübergehenden Vertreterin“ erkennbar im Sinne einer Abwesenheitskuratorin stellt daher mangels Vorliegens der angenommenen Voraussetzungen keine ordnungsgemäß Vertretung der Frau im ausländischen Scheidungsverfahren dar (vgl Punkt 4.); Hinweise auf deren Bevollmächtigung durch die Frau finden sich im Akt nicht.

5.4. Im Ergebnis ist der Frau daher zuzugestehen, dass sie im ausländischen Scheidungsverfahren weder den verfahrenseinleitenden Schriftsatz ordnungsgemäß zugestellt erhielt noch ordnungsgemäß vertreten war. Ihr Einwand iSd § 97 Abs 2 Z 2 AußStrG, ihr rechtliches Gehör sei nicht gewahrt worden, sodass das ausländische Scheidungsurteil nicht anzuerkennen sei, ist daher zutreffend.

Eine Prüfung der weiteren Argumente des Revisionsrekurses erübrigt sich deshalb.

6. Ist die Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung zu verneinen, kommt es zu keiner Erstreckung jener Wirkungen, die ihr im Entscheidungsstaat zukommt (vgl Nademleinsky Vor § 97 AußStrG Rz 2; Fuchs Rz 12). Das von den Vorinstanzen angenommene Prozesshindernis der bereits entschiedenen Rechtssache (res iudicata) liegt daher nicht vor, sodass die darauf gegründete Zurückweisung der Scheidungsklage ersatzlos zu beseitigen ist. Da die internationale Zuständigkeit Österreichs für die vorliegende Scheidungsklage gegeben ist (Art 3 Abs 1 lit a 2. Gedankenstrich Brüssel IIa VO), wird das Erstgericht das gesetzliche Verfahren über die Scheidungsklage der Frau unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund fortzusetzen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00121.13K.0521.000