OGH vom 18.09.2019, 7Ob126/19h

OGH vom 18.09.2019, 7Ob126/19h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K***** S 2. E***** B*****, 3. P***** S 4. E***** S*****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei C***** W*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 263.855,15 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 10 R 31/19p-121, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Über Beratung des Beklagten nahmen die Kläger 1999 für einen Zeitraum von 10 Jahren einen Gesamtkredit in Höhe von 10.000.000 ATS (= 726.728 EUR), gesplittet in zwei endfällige Fremdwährungskredite (Schweizer Franken) über 4,5 Mio ATS und 5,5 Mio ATS, auf. Mit dem ersten Kreditbetrag wurden bestehende Kreditverbindlichkeiten abgedeckt. Der zweite Kreditbetrag diente der Anschaffung von Anteilen an zwei Investmentfonds. Weiters wurden zwei fondsgebundene Lebensversicherungen als Tilgungsträger abgeschlossen. Nach 10 Jahren sollte nach dem Finanzierungskonzept des Beklagten der Gesamtkredit von 726.728 EUR zurückbezahlt und ein Überschuss von 218.019 EUR erzielt worden sein. Bereits 2003 stand die Erfolglosigkeit dieses Finanzkonzepts fest.

Zu 5 Cg 309/02z des Landesgerichts Feldkirch wurde rechtskräftig die Haftung des Beklagten für alle aus dem von ihm vermittelten Anlagemodell entstehenden Nachteile im Umfang von 2/3 festgestellt.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Nach gefestigter Rechtsprechung liegt der Primärschaden im Fall einer fehlerhaften Anlageberatung bereits darin, dass sich das Vermögen des Anlegers wegen einer Fehlinformation des Schädigers anders zusammensetzt, als es bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters der Fall wäre. Ein Schaden aus einer fehlerhaften Anlageberatung ist also schon durch den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts eingetreten (RS0022537 [T22, T 27]; RS0129706). Die Fälligkeit einer Schadenersatzforderung tritt nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung hingegen dann ein, wenn der Schaden feststellbar und zumindest vom Beschädigten zahlenmäßig bestimmt worden ist (RS0023392). So kann der Geschädigte nach dem Verkauf nicht gewünschter Wertpapiere einen Geldersatzanspruch stellen, weil sich dann der rechnerische Schaden endgültig beziffern lässt (vgl RS0120784). Bei einem Fremdwährungskredit ist die genaue Schadenshöhe zum Zeitpunkt der Endfälligkeit (oder einer allfällig früher erfolgten Konvertierung) bezifferbar (RS0023392 [T10]). Ob ein Schaden bezifferbar ist, ist stets im Einzelfall zu entscheiden und einer Verallgemeinerung nicht zugänglich.

1.2 Die Kläger veräußerten die Anteile an den Investmentfonds, lösten die Lebensversicherungen auf und wandelten den nach teilweiser Konvertierung und Tilgung noch verbliebenen endfälligen Kredit in einen Tilgungskredit mit Laufzeit bis um. Die Vorinstanzen erachten mit der Liquidierung der letzten Komponente das vom Beklagten vermittelte Modell als abgeschlossen und den Schaden der Kläger mit diesem Zeitpunkt als bezifferbar. Vor dem Hintergrund der hier getroffenen Feststellungen erweist sich diese Rechtsansicht als nicht korrekturbedürftig, wogegen der Beklagte auch keine stichhaltigen Argumente zu bringen vermag. Die Berechnung der Schadenshöhe selbst wird von ihm nicht angezweifelt.

2.1 Aus § 1304 ABGB ergibt sich die Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten, wenn und soweit ihm ein entsprechendes Verhalten möglich und zumutbar ist (RS0027043 [insb T 9]). Maßgebend ist stets, ob der Geschädigte jene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Teilnehmer in seiner Lage angewandt hätte, um eine (weitere) Schädigung nach Möglichkeit abzuwenden (RS0027015 [T10]). Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht liegt damit stets dann vor, wenn der Geschädigte Handlungen unterlassen hat, die geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern, obwohl sie – objektiv betrachtet – von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden wären, um eine nachteilige Veränderung des eigenen Vermögens hintanzuhalten (RS0023573; RS0022681 [T4]; RS0027015 [T6, T 8, T 10]; RS0104931).

2.2 Soweit der Beklagte mit seinen Ausführungen, dass bei einem späteren Abschlusszeitpunkt ein geringerer Schaden eingetreten und es den Klägern zumutbar gewesen wäre, weiterhin am Produkt festzuhalten, auf eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Kläger abzielt, geht dieser Einwand bereits aufgrund der Feststellungen, dass die Handlungsweisen der Kläger aus wirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar und vernünftig waren und in ihrer Situation auch von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden wären, ins Leere.

3. Der Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00126.19H.0918.000

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