OGH vom 21.01.1965, 5Ob342/64
Norm
Amtshaftungsgesetz § 1;
Kopf
SZ 38/11
Spruch
Die Haftung des Abwesenheitskurators ist nicht nach § 1 AHG., sondern nach den Bestimmungen der §§ 228 und 264 ABGB. zu beurteilen Entscheidung vom , 5 Ob 342/64
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien
Text
Der Kläger erweiterte nach dem Krieg das ihm allein gehörige Transportunternehmen durch Anschaffung von Fahrzeugen unter Inanspruchnahme von Autokrediten. Die Viertbeklagte, seine Tochter, führte die Buchhaltung. Der Drittbeklagte war sein Steuerberater, der für ihn die Steuererklärungen verfaßte.
Eine im April 1961 vom Finanzamt vorgenommene Betriebsprüfung ergab für die Jahre 1957 - 1959 einen Rückstand an Beförderungssteuern in der Höhe von 280.000 S. Am wurde vom zuständigen Finanzamt ein Sicherstellungsauftrag erlassen, der den größten Teil des Fuhrparks des Klägers betraf.
Am reiste der Kläger unter Mitnahme aller verfügbaren Barmittel (60.000 S) ab, ohne der Zweitbeklagten, seiner Gattin, und der Viertbeklagten, seiner Tochter, von seinem Vorhaben Mitteilung zu machen. Da sein Unternehmen aller Barmittel entblößt war und auch nicht die Möglichkeit bestand, von dem auf dem Bankkonto des Klägers eingehenden Geldern Abhebungen zu tätigen, weil der Kläger allein zeichnungsberechtigt war, konnten die laufenden Ausgaben, wie Löhne u. dgl. nicht mehr bezahlt werden.
Veranlaßt durch die fluchtartige Abreise des Klägers ließen die Gläubiger zur Deckung der gegebenen Kredite alle Fahrzeuge sicherstellen. In dieser Situation, die durch die plötzliche Abreise des Klägers unter Mitnahme seines Bargeldes entstand, kamen die Zweit- und Viertbeklagte mit dem Drittbeklagten überein, für den Kläger als Firmeninhaber, dessen Aufenthalt allen unbekannt war, die Bestellung eines Abwesenheitskurators zu beantragen. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes vom wurde auf Grund eines Antrages der Zweit- und Viertbeklagten der Erstbeklagte zum Abwesenheitskurator für den Kläger bestellt.
Er wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes I. vom ermächtigt, die Eröffnung des Konkurses zu beantragen. Auf Grund seines Antrages eröffnete das zuständige Gericht den Konkurs über das Vermögen des Klägers; das Konkursverfahren endete damit, daß nur die Gläubiger der ersten und zweiten Klasse, nicht aber die Gläubiger der dritten Klasse befriedigt wurden.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, alle Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihm den Betrag von 20.000 S samt 4% Zinsen seit dem Klagstag zu bezahlen. Er stützt sich darauf, daß der Erstbeklagte seine Pflicht als Abwesenheitskurator dadurch verletzt habe, daß er trotz der Lebensfähigkeit seines Unternehmens nach seiner Abreise einen Antrag auf Konkurseröffnung gestellt habe. Der Erstbeklagte hafte im Hinblick auf sein schuldhaftes Verhalten gemäß § 1299 ABGB. für den ihm zugefügten Schaden. Die Zweit- und Viertbeklagten haften für den eingetretenen Schaden, weil sie ihn mit Absicht herbeigeführt und seine Abwesenheit dazu benützt haben, sein Unternehmen zu liquidieren und nicht weiterzuführen. Der Drittbeklagte habe als Steuerberater zu dem Vorgehen der anderen Beklagten Beihilfe geleistet, einen unrichtigen Bericht über die finanzielle Situation der Firma erstattet und daher den Schaden zu vertreten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Seine Begründung läßt sich dahin zusammenfassen, daß der Kläger allein den durch die Liquidierung seines Unternehmens eingetretenen Schaden verschuldet habe. Den Zweit- und viertbeklagten Parteien sei nichts anderes übrig geblieben, als für den Kläger, der unbekannten Aufenthaltes gewesen sei, vor seiner Abreise erklärt habe, nicht mehr zurückzukommen, und sich selbst wirtschaftlich und finanziell als verloren angesehen habe, bei Gericht die Bestellung eines Abwesenheitskurators zu beantragen.
Auch ein Verschulden des Erstbeklagten sei nicht gegeben; denn ihm sei als Kurator keine andere Möglichkeit offengestanden, als die Eröffnung des Konkurses zu beantragen. Er hätte sich bei einer Unterlassung eines solchen Antrages strafbar gemacht. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zunächst ist von Amts wegen zu prüfen, ob nicht etwa bezüglich des Erstbeklagten als mit Beschluß des Bezirksgerichtes vom bestellten Abwesenheitskurators Unzulässigkeit des Rechtsweges vorliegt, weil die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes anzuwenden wären (vgl. hiezu SZ. XXXIV 39). Dies ist aber zu verneinen. Gemäß § 1 (2) AHG. sind Organe im Sinne des Amtshaftungsgesetzes alle physischen Personen, wenn sie in Vollziehung der Gesetze (Gerichtsbarkeit oder Verwaltung) handeln, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt sind, ob sie gewählte, ernannte oder sonstwie bestellte Organe sind und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist. Ein Organ handelt in Vollziehung der Gesetze, wenn es hoheitliche Aufgaben des Rechtsträgers - als welcher hier nur der Bund in Betracht kommt - besorgt. Bei der Prüfung, wie weit diese Voraussetzungen beim Abwesenheitskurator zutreffen, ist davon auszugehen, daß nach den Vorschriften der §§ 269 ff. ABGB. der Kurator allein und ausschließlich im Interesse des Kuranden ebenso wie der Vormund im Interesse des Mundels bestellt wird. Mangels hoheitlicher Aufgaben zählen daher weder der Vormund, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (JBl. 1956, S. 409) noch der Kurator dazu. Beide haften dem Mundel oder dem Kuranden nur für schuldhafte Pflichtverletzungen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes (§§ 228, 264, 282 ABGB.). Auch die Rechtslehre (Wentzel - Piegler in Klang[2], I/1 488 letzter Abs., S. 489 und das dort in der Anm. 24 zitierte weitere Schrifttum) bringt zum Ausdruck, daß auch die Tätigkeit des Jugendamtes in Vormundschaftsangelegenheiten nicht dem im § 1 AHG. mit den Worten "in Vollziehung der Gesetze" bezeichneten Tatbestand der Betätigung in Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung unterstellt werden könne. Diesfalls ist daher eine allfällige Verpflichtung des Erstbeklagten zum Ersatz eines dem Kläger entstandenen Schadens nach den Bestimmungen der §§ 228 und 264 ABGB. zu beurteilen (vgl. hiezu Wentzel - Piegler in Klang[2], I/1 540 letzter Abs. sowie dort die Anm. 29).
Auf Grund der festgestellten Tatsachen kann aber diesfalls dem Erstbeklagten, wie die Vorinstanzen zutreffend hervorheben, nicht zur Last gelegt werden, er hätte die Aufmerksamkeit eines redlichen und fleißigen Hausvaters im Sinne des § 228 ABGB. außer acht gelassen und dem Kläger, sei es vorsätzlich, sei es aus Nachlässigkeit oder Versehen, Schaden zugefügt.
In Ermangelung eines schuldhaften Verhaltens der zweit-, dritt- und viertbeklagten Parteien besteht, wie bereit das Berufungsgericht dargetan hat, auch kein Schadenersatzanspruch gegenüber der Gattin und der Tochter des Klägers sowie gegenüber dem Steuerberater des Unternehmens.
Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.