OGH vom 01.09.2021, 3Ob120/21z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dipl.-Ing. W***** G***** und 2. Dipl.-Ing. C***** G*****, beide vertreten durch Dr. Farah Abu-Jurji, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** W*****, vertreten durch Mag. Erwin H. Falkner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 180/20z-39, womit das Urteil des Bezirksgerichts Fürstenfeld vom , GZ 29 C 4/18h-33, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Mit Urteil des Bezirksgerichts Hartberg vom , GZ 3 C 1024/86w34, wurde rechtskräftig festgestellt, dass dem Ehepaar D***** als (damalige) Eigentümer der heute dem Beklagten eigentümlichen herrschenden Liegenschaft ein im Urteil näher umschriebenes Geh- und Fahrrecht auf der (nach wie vor) den Klägern eigentümlichen dienenden Liegenschaft zusteht.
[2] Der titulierte Servitutsweg verläuft direkt am Haus der Kläger vorbei. Seit jedenfalls mehr als drei Jahren befindet sich dort die Holzterrasse der Kläger, sodass seither die Ausübung des Servitutsrechts nicht möglich ist.
[3] Zur Durchsetzung der Servitut und mit dem Vorbringen, wegen der Holzterrasse den Servitutsweg im genannten Bereich nicht mehr befahren zu können, brachte der Beklagte am einen Exekutionsantrag ein.
[4] Die Holzterrasse wurde vom Bezirksgericht Fürstenfeld als Exekutionsgericht mit unangefochten gebliebenem Beschluss vom , GZ 20 E 1466/18y12, als Zuwiderhandlung gegen die titulierte Servitut qualifiziert und über beide (hier) Kläger eine Geldstrafe verhängt.
[5] Die Kläger brachten am – dem Rubrum nach – „Oppositionsklage“ ein. Sie begehrten zuletzt ausdrücklich, den Anspruch des Beklagten aus dem Urteil vom für erloschen, hilfsweise die bewilligte Exekutionsführung für unzulässig zu erklären. In tatsächlicher Hinsicht brachten sie – soweit hier relevant und zusammengefasst – vor, sie hätten anstelle des unmittelbar am Haus vorbeiführenden Servitutswegs einen Ersatzweg zur Verfügung gestellt. Der Beklagte bzw dessen Rechtsvorgänger hätten auf den titulierten Servitutsweg verzichtet. Dass der Beklagte auf diesem beharre, sei schikanös. Die Schikane ergebe sich auch aus der Exekutionsführung knapp vor Ablauf der gesetzlichen 30jährigen Frist.
[6] Der Beklagte erwiderte, den Ersatzweg nur freiwillig benützt und nie auf den Servitutsweg verzichtet zu haben. Der Ersatzweg sei nicht gleichwertig.
[7] Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Ausgehend vom zuvor referierten Sachverhalt nahm es eine Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB an.
[8] Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Teilurteil das Hauptbegehren ab und verwies die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung über das Eventualbegehren an das Erstgericht zurück. Die Kläger hätten kein konkretes Vorbringen für das Vorliegen der Freiheitsersitzung als einen Fall der Verjährung, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sei, erstattet. Dem später ausdrücklich erhobenen Verjährungseinwand stehe die Eventualmaxime entgegen. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, der Oberste Gerichtshof sei noch nicht mit der Frage befasst gewesen, ob die Freiheitsersitzung gemäß § 1488 ABGB auch gegenüber einer in einem Urteil ausgesprochenen Dienstbarkeitseinräumung möglich sei.
[9] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Kläger mit einem auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Abänderungsantrag. Darin wird die Zulässigkeit der Revision ergänzend damit begründet, das Berufungsgericht habe entgegen der Rechtsprechung eine Verletzung der Eventualmaxime angenommen, zumal der Beklagte in seiner Berufung eine solche nicht gerügt habe.
[10] Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.
[12] Es ist grundsätzlich am Servitutsbelasteten gelegen, die Voraussetzungen der Freiheitsersitzung zu behaupten und zu beweisen. Er hat somit einen Sachverhalt zu behaupten und zu beweisen, aus dem der rechtliche Schluss zu ziehen ist, dass die Verjährungsfrist des § 1488 ABGB zum Zeitpunkt der Geltendmachung des behaupteten Anspruchs – hier durch Exekutionsführung – bereits abgelaufen war (jüngst 8 Ob 124/19x [Pkt 2.4.] = JBl 2021, 46 [Holzner] mwN).
[13] Ein solches Vorbringen der verjährungsbegründenden Tatsachen genügt aber noch nicht. Es muss zusätzlich die Verjährung – die Freiheitsersitzung ist ein Fall einer solchen (RS0034333 [T1]) – eingewendet werden. Zwar muss dafür nicht ausdrücklich von Verjährung gesprochen werden, aber der Wille des Schuldners ersichtlich sein, sich gerade auf sie, somit auf einen Rechtsverlust des Berechtigten durch Zeitablauf, und nicht etwa auf ein anderes Durchsetzungshindernis oder auf sonstige rechtshindernde oder rechtsvernichtende Umstände zu berufen (idS RS0034216; RS0034198 [T3]).
[14] Im vorliegenden Fall hoben die Kläger in der Klage selbst hervor, dass die 30jährige Frist noch nicht abgelaufen sei. Aus der Unmöglichkeit der Benützung des Servitutswegs seit Errichtung der Terrasse leiteten sie hier lediglich ab, das Beharren des Beklagten auf dem alten (titulierten) Servitutsweg sei schikanös, stützen sich also nicht auf einen Rechtsverlust des Beklagten durch Zeitablauf.
[15] Der Beklagte rügte in seiner Berufung, aufgrund der Eventualmaxime (§ 35 Abs 3 EO) sei auf eine Freiheitsersitzung nicht einzugehen. Die von den Klägern in der Revision ergänzend für deren Zulässigkeit ins Treffen geführte, oben referierte Begründung vermag daher nicht zu überzeugen. Ausgehend davon, dass die Kläger die Freiheitsersitzung nicht schon rechtzeitig in der Klage eingewendet haben, stellt sich aber auch nicht die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage.
[16] Mangels einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nicht zulässig und daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00120.21Z.0901.000 |
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Fundstelle(n):
HAAAD-35751