OGH vom 21.06.2000, 1Ob128/00f

OGH vom 21.06.2000, 1Ob128/00f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Hans Kulka, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Margaretha Elfrida P*****, und 2. Ernst W*****, beide ***** vertreten durch Dr. Klaus Reisch und Dr. Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen S 235.664,66 sA infolge Revision der beklagten Parteien (Revisionsstreitwert S 221.860,--) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 237/99h-12, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 40 Cg 77/99f-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 12.573,-- (darin S 2.095,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 16 Abs 1 des Gebührengesetzes (GebG) entsteht die Gebührenschuld bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften im Fall der Unterzeichnung durch beide Vertragsteile im Zeitpunkt der Unterzeichnung bzw im Fall der Unterfertigung nur durch einen Vertragsteil im Zeitpunkt der Aushändigung (Übersendung) der Urkunde an den anderen Vertragsteil oder an dessen Vertreter oder an einen Dritten.

Die Beklagten vertreten die Ansicht, sie müssten der klagenden Partei die von dieser entrichtete Rechtsgeschäftsgebühr nicht ersetzen, weil ihnen der Befreiungstatbestand des § 33 TP 19 Abs 5 GebG zugutekomme; dies hätten sie im Verfahren erster Instanz auch ausreichend behauptet. Dem kann nicht beigepflichtet werden:

Die Beklagten wendeten in der Verhandlungstagsatzung vom ein, die Gebührenschuld sei nicht entstanden, weil das Rechtsgeschäft von der Genehmigung eines Dritten - des Wohnungsberechtigten - abhängig gewesen sei; diese Genehmigung sei nicht erteilt worden. Des weitern trugen sie die Einwendung vor, die Gebührenschuld entstehe erst mit der Zuzählung der Darlehensvaluta, eine Zuzählung sei aber nicht erfolgt.

Die klagende Partei replizierte darauf, die Gebührenschuld sei entstanden, weil das Rechtsgeschäft (Hypothekarkreditvertrag) zustande gekommen und lediglich die weitere Abwicklung unterblieben sei.

Dem traten die Beklagten nur mit einer inhaltslosen Bestreitung entgegen. Darin ist jedoch das nun von den Beklagten unterstellte Vorbringen, sie seien gemäß § 33 TP 19 Abs 5 GebG von der Bezahlung der Gebührenschuld befreit, keineswegs impliziert. Dieses - im Übrigen näher zu konkretisierende - Vorbringen wäre aber erforderlich gewesen, zumal das Gebührengesetz eine Fülle von Gebührenbefreiungstatbeständen nennt und das Gericht nicht von Amts wegen zu prüfen hat, ob irgend ein Befreiungstatbestand vorliegen könnte.

Dies erhellt allein schon daraus, dass der Befreiungstatbestand des § 33 TP 19 Abs 5 GebG mehrere Voraussetzungen für den Eintritt der Befreiung erfordert, so die Aufhebung des bestehenden, gebührenrechtlich bereits erfassten Kreditvertrags, die vollständige Rückzahlung aller daraus aushaftenden Verbindlichkeiten, den Abschluss eines neuen Kreditvertrags mit einem anderen Kreditgeber mit der gleichen Kreditsumme und der gleichen Laufzeit wie beim alten Kreditvertrag, und schließlich auch den Hinweis in der neuen Krediturkunde, dass es sich um die Umschuldung eines bestehenden Kreditverhältnisses handle (Arnold, Rechtsgebühren4 619). Diese - einer Prüfung durch das Prozessgericht vorausgesetzten - tatsächlichen Behauptungen ließen die Beklagten, denen das Vorbringen entsprechender konkreter Einwendungen oblegen wäre, jedoch vermissen.

Es war aber auch Sache des Gerichts, die Beklagten speziell auf diesen Einwand hinzuweisen, zumal es für das Erstgericht keinesfalls klar ersichtlich war, dass es sich um einen Umschuldungskredit im Sinne des § 33 TP 19 Abs 5 GebG handelte. Derartiges hat das Erstgericht - entgegen der Ansicht der Revisionswerber - auch nicht festgestellt. Festgestellt wurde lediglich, dass die Beklagten im Jahre 1998 eine Umschuldung der bestehenden Darlehensverbindlichkeit anstrebten und sich nach Beratung durch einen "unabhängigen" Vermögensberater zur Aufnahme eines Fremdwährungskredits bei der klagenden Partei entschlossen (S 6 des Ersturteils). Im Kreditvertrag ist als Verwendungszweck die "Neustrukturierung der Finanzangelegenheiten ob" einer Liegenschaft genannt (S 8 des Urteils der ersten Instanz). Diese Feststellungen lassen keinen verlässlichen Schluss darauf zu, dass der Kredit als Umschuldungskredit gerade im Sinne des § 33 TP 19 Abs 5 GebG zu beurteilen sei; eine Anleitung, diesen Gebührenbefreiungstatbestand geltend zu machen, hätte das Erstgericht wohl zu Recht dem Vorwurf der Parteilichkeit ausgesetzt.

Auch aus der Bestimmung des Kreditvertrags, dass die Auszahlung der Valuta "gemäß Restschuldbestätigungen der abzulösenden Institute" erfolgen sollte, ist für sich allein nicht abzuleiten, dass ein Umschuldungskredit im Sinne der zuvor zitierten Gesetzesstelle mit den vielfältigen Voraussetzungen für eine Gebührenbefreiung vorgelegen wäre.

Die Vorinstanzen haben auch die Frage, ob die klagende Partei ihren (vor-)vertraglichen Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten nachgekommen sei, in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gelöst:

Es besteht keine allgemeine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die für den Vertragsabschluss seinerseits maßgeblich sein könnten, sondern nur insoweit, als dies nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs erwartet werden kann. Grundsätzlich hat jeder seine eigenen Interessen selbst wahrzunehmen (7 Ob 169/99z; 4 Ob 98/97h; SZ 68/105; EvBl 1995/65). Der Umfang der Aufklärungspflicht hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Generelle Aussagen, wann und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht besteht, sind kaum möglich (EFSlg 87.273; SZ 68/105). Im Lichte dieser Rechtsprechung ist dem Gericht zweiter Instanz kein Rechtsirrtum unterlaufen, soweit es ausführte, den Beklagten hätte es bekannt sein müssen, dass die Rechtsgeschäftsgebühr mit der Unterfertigung der Kreditvertragsurkunde entstand und dass der klagenden Partei insoweit keine gesonderte Aufklärung oblag. Tatsächlich sind die Konditionen und Kosten im Hypothekarkreditvertrag ausdrücklich angeführt; die Vertragsparteien gingen nach den Feststellungen vor Unterfertigung des Vertrags die Vertragsbestimmungen Punkt für Punkt durch, wobei die Beklagten ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurden, dass die Vorrangeinräumungserklärungen der "Belastungs- und Veräußerungsberechtigten" sowie des Wohnungsberechtigten vorliegen müssten, damit es zur Auszahlung der Kreditvaluta kommen könnte. Soweit die Beklagten nicht rückfragten, ob bestimmte Gebühren auch dann entstünden, wenn die Vorrangeinräumungserklärungen nicht beigebracht werden können, haben sie sich dies selbst zuzuschreiben. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die Bearbeitungsgebühr nach dem iKreditvertrag bei Vertragsabschluss zu entrichten war.

Zur Aufnahme eines Vermerks in die Krediturkunde (über die Umschuldung) im Sinne des § 33 TP 19 Abs 5 GebG bestand für die klagende Partei nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt keine Veranlassung. Es mangelt schon an entsprechendem Vorbringen der Beklagten, die klagende Partei hätte auf Grund der Darlehensaufnahme erkennen müssen, dass eine allen Voraussetzungen des § 33 TP 19 Abs 5 GebG entsprechende Umschuldung stattfinden sollte.

Die Bestimmung des Kreditvertrags, die Bearbeitungsgebühr könne bei Auszahlung der Kreditvaluta einbehalten oder bei Anfall eingezogen werden, rechtfertigt keinesfalls den Schluss, dass die Rechtsgeschäfts- und die Bearbeitungsgebühr erst bei der Auszahlung entstünden. Damit wird nur eine Verrechnungsmöglichkeit aufgezeigt.

Die Beklagten übersehen bei ihrem Vorbringen, das Berufungsgericht habe ihre Bemängelungen über die vorprozessualen Zinsen von S 1.220 in der Berufung nicht erledigt, dass sich in dieser keine derartige Bemängelung findet; eine im Verfahren zweiter Instanz unterbliebene Rüge kann aber nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht mehr nachgeholt werden (Kodek in Rechberger aaO Rz 5 zu § 503).

Die Beklagten zeigen somit keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung (gemäß § 502 Abs 1 ZPO) auf; solche sind auch nicht ersichtlich. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.

Die Revision ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.