TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 07.10.1959, 5Ob338/59

OGH vom 07.10.1959, 5Ob338/59

Norm

ABGB § 285;

ABGB § 356;

JN § 1;

ZPO § 226;

Kopf

SZ 32/119

Spruch

Das Recht auf Benützung einer Grabstätte ist ein dingliches Nutzungsrecht privatrechtlicher Natur, mag seine Verleihung auch auf einem Verwaltungsakt beruhen. Nach den Friedhofsordnungen für die Diözese Linz und die Stadt Wien steht den Friedhofseigentümern gegen die Benützungsberechtigten kein Anspruch auf Instandhaltung der Grüfte zu.

Entscheidung vom , 5 Ob 338/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Steyr; II. Instanz: Kreisgericht Steyr.

Text

Die klagenden Parteien sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer des Friedhofes in S. Dem Beklagten steht vertraglich die Nutzungsberechtigung an der in diesem Friedhof befindlichen Gruft "Sch." zu. Diese Gruft liegt an der Friedhofsmauer und bildet mit den danebenliegenden Grüften einen durchlaufenden Arkadengang, bei dem sowohl das Dach als auch die Säulen und sonstiges Mauerwerk schadhaft und reparaturbedürftig geworden sind.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten nach dem Klagebegehren zur Vornahme einzeln angeführter Arbeiten an den nach Meinung der Kläger zur Gruft gehörigen arkadenartigen Aufbauten. Gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 12 und Art. 15 B-VG. falle Gesetzgebung und Vollziehung bezüglich des Bestattungswesens in die ausschließliche Kompetenz der Länder. Mangels eines oberösterreichischen Landesgesetzes gelte noch der Erlaß der Statthalterei in Oberösterreich vom 20. Februar 1895, Zl. 20.990/1894. Nach diesem obliege jenen Organen, denen die Verwaltung des Friedhofes zustehe, auch die Erlassung einer Friedhofsordnung. Es sei daher die Friedhofsordnung für die Diözese Linz vom , welche mit Bescheid des Bürgermeisters von S. vom genehmigt wurde, maßgeblich. Diese bestimme in § 5 Abs. 3, daß die Mieter von Gruft- und Epitaphienplätzen verpflichtet seien, auch die Außenseite der dazugehörigen Friedhofsmauer zu erhalten, woraus sich auch ohne ausdrückliche Bestimmung ergebe, daß sie umso mehr verpflichtet seien, die Gruft selbst instandzuhalten. Wenn die Gruft nicht ordentlich erhalten werde, seien nach § 8 Abs. 7 der Friedhofsordnung die Angehörigen auf die Verwahrlosung aufmerksam zu machen. Bleibe dies ohne Erfolg, so falle die Grabstätte nach Ablauf der zehnjährigen Verwesungsdauer der zuletzt beigesetzten Leiche der Kirche zur weiteren Benützung zu.

§ 3 lit. d des Reichssanitätsgesetzes vom 30. April 1870, RGBl. Nr. 68, auf den der Beklagte verweise, könne nicht herangezogen werden, da dieses ein Bundesgesetz, das Bestattungswesen aber Landessache sei. Die den klagenden Parteien nach § 8 der Friedhofsordnung zufließenden Gebühren seien kein Bestandzins und dienten nicht zur Erhaltung der privaten Grabdenkmäler, sondern zur Erhaltung der Friedhofsanlagen, worunter Wege, Friedhofskapellen u. dgl. zu verstehen seien.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Der Friedhofsordnung könne eine Erhaltungspflicht der Gruftbesitzer nicht entnommen werden; die vom Erstgericht herangezogene Bestimmung des § 5 reiche hiefür nicht aus. Die Undeutlichkeit dieser Bestimmung sei gemäß § 915 ABGB. zum Nachteil der Kläger auszulegen. Der Beschluß der klägerischen Pfarrkirchenräte, daß die Grundbesitzer die Reparaturen zu tragen hätten, stelle eine einseitige, für den Beklagten nicht verbindliche Maßnahme dar. Auf die von den Klägern herangezogenen, seit unvordenklichen Zeiten bestehenden Gewohnheiten könne gemäß § 10 ABGB. nicht Bedacht genommen werden, weil dies im Gesetz nirgends vorgesehen sei. Das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sei daher analog nach § 1096 ABGB. zu beurteilen, wodurch den Klägern und nicht dem Beklagten die Erhaltung der Gruft obliege.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Friedhofsrecht gehört in seinen wichtigsten Beziehungen dem Gebiet des öffentlichen Rechtes an. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß Friedhöfe (Begräbnisplätze) in erster Linie Sanitätsanstalten und in zweiter Linie, insbesondere sofern es sich um solche konfessioneller Art handelt, Kultusanstalten sind. Die Gewährung von Grabstellen auf Pfarrfriedhöfen geschieht in Erfüllung einer den Pfarrkirchen durch kirchliche Vorschriften auferlegten Pflicht. Sie hat daher grundsätzlich unentgeltlich zu erfolgen. Für bevorzugte Grabstellen (wie Grüfte, Eigengräber) wird allerdings Zahlung verlangt. Ob diese Zahlungen als Kauf- oder Mietpreis anzusehen sind oder - ähnlich wie die Stolgebühren - den Charakter öffentlichrechtlicher Leistungen haben ist strittig. Hawelka (Studien zum österreichischen Friedhofsrecht, S. 50 ff.) steht auf dem Standpunkt, daß durch die Abgabe einer Grabstelle auf einem Friedhof kein Privatrecht, sondern ein subjektives öffentliches Recht entsteht. Nach herrschender österreichischer Lehre und Rechtsprechung wird das Recht auf Benützung der Grabstätte als dingliches Nutzungsrecht privatrechtlicher Natur aufgefaßt, mag die Verleihung dieses Rechtes auch auf einem Verwaltungsakt beruhen (vgl. Klang 2. Aufl. II 138.; SZ. XIV 251, SZ. XXVII 143 u. a.). Das Revisionsgericht sieht sich nicht veranlaßt, auf diese Streitfrage näher einzugehen.

Im vorliegenden Fall stützen die klagenden Parteien ihren Klageanspruch vornehmlich auf die geltende Friedhofsordnung für die Diözese Linz. Es ist daher zu prüfen, ob sich hieraus ein Privatrechtsanspruch der Kläger ableiten läßt, von den Gruftbenützern die Reparatur schadhafter Grüfte zu verlangen. Das ist nach Ansicht des Revisionsgerichtes zu verneinen. Mag auch die Erhaltung der Grüfte, so wie sie seinerzeit mit Genehmigung der Friedhofsverwaltung von den Berechtigten auf ihre Kosten aufgeführt wurden, diesen obliegen (was schon in der Natur der Sache liegt und - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes, das eine Instandhaltungspflicht der Kläger annimmt - durch § 5 der Friedhofsordnung nur noch erhärtet wird), so folgt daraus noch nicht das Recht der Friedhofsverwaltung, von den das Benützungsrecht ausübenden Gruftinhabern die Instandhaltung der Grüfte zu fordern und diese Forderung im Klage- und Exekutionsweg durchzusetzen. In § 8 der Friedhofsordnung ist genau geregelt, wie vorzugehen ist, wenn die Gruft nicht in ordentlichem Zustand erhalten wird: die Benützer sind zunächst auf die Verwahrlosung aufmerksam zu machen. Unterlassen sie es trotzdem, den ordentlichen Zustand herzustellen, dann führt dies zu einem Erlöschen des Benützungsrechtes, wobei verwahrloste Gräber auch vor Ablauf der Verwesungsdauer von der Friedhofsverwaltung abgeräumt werden können. Ein Recht der Friedhofsverwaltung, darüber hinaus von den Gruft- und Grabstellenbenützern die Instandhaltung der Begräbnisstätten zu fordern, ist der Friedhofsordnung nicht zu entnehmen. Ein solches Recht läßt sich auch aus deren § 5 nicht ableiten, denn die dort statuierte Pflicht der "Mieter von Gruft- und Epitaphienplätzen, auch die Außenseite der dazugehörigen Friedhofsmauer herzuhalten", steht wegen des unlösbaren Zusammenhanges mit der Obliegenheit der Berechtigten zur Erhaltung der Grüfte gleichfalls unter der Sanktion des § 8 der Friedhofsordnung.

Auch ein Vergleich mit der zufolge Gemeinderatsbeschlusses vom genehmigten Friedhofsordnung der Stadt Wien, Amtsblatt Nr. 78/1957, bestätigt die Richtigkeit der vorstehenden Auffassung. Danach erfolgt die Überlassung besonderer Grabstellen gegen Entrichtung tarifmäßiger Gebühren (§ 5), und es erlischt das Benützungsrecht an einer baufälligen Gruft (Grabstelle), wenn nicht vom Benützungsberechtigten binnen drei Monaten nach Aufforderung durch die Friedhofsverwaltung für deren Instandsetzung Sorge getragen wird (§ 14 Abs. 1 lit. e). Analoge Bestimmungen enthält § 19 Abs. 3 bezüglich der Entfernung baufälliger Gedenkzeichen. Es ergibt sich aber aus der ganzen Friedhofsordnung kein Recht der Friedhofsverwaltung, von säumigen Grabstellenbenützern die Instandsetzung von Grabstellen zu erzwingen.

Daß ein solches Recht auch nicht einseitig auf Grund eines Beschlusses der Pfarrkirchenräte der Kläger statuiert werden konnte, hat bereits das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung dargelegt.