OGH vom 27.02.1995, 1Ob622/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. Rudolf R*****, und 2. R***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr. Ronald Itzlinger, Rechtsanwalt in Bruck/Leitha, wider die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Hans Rabl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 2,316.250,32 sA (erstklagende Partei) und S 3,868,773,93 sA (zweitklagende Partei) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 5 R 277/93-22, womit infolge Berufung der zweitklagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 13 Cg 8/91-13, teilweise abgeändert, infolge Berufung der beklagten Partei jedoch im übrigen bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei die mit S 14.469,83 (darin S 2.411,64 USt) und der zweitklagenden Partei die mit S 24.167,89 (darin S 4.027,98 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Erstkläger wandte sich zu Beginn seiner Maklertätigkeit - zuerst noch als Einzelkaufmann, später dann als Geschäftsführer der am in das Firmenbuch eingetragenen zweitklagenden Partei - an die beklagte Partei und bot dieser an, anonyme Wertpapierkunden zu bringen. Dabei erkundigte er sich, wie das funktionieren könne. Ein Mitarbeiter der beklagten Partei legte ihm in diesem Zusammenhang dar, es würden ein „normales Sparbuch“ und ein dazu gehörendes „Wertpapierdepot mit Kassengeschäftsnummer“ eröffnet. Es kam zur Aufnahme einer Geschäftsbeziehung. Die zweitklagende Partei führte An- und Verkäufe von Wertpapieren an der Wiener Börse durch, die auf den von der beklagten Partei geführten Konten verrechnet wurden. Jedes Wertpapierdepot samt Verrechnungskonto war mit einem auf Überbringer lautenden Sparbuch mit Losungswort derart verknüpft, daß auf dieses alle Soll- und Habenbuchungen der über das Wertpapierdepot und sein Verrechnungskonto abgewickelten Wertpapier-Börsengeschäfte übertragen wurden. Im Zuge der Geschäftsbeziehung eröffnete die zweitklagende Partei bis 1989 ca. 150 mit Verrechnungskonten verbundene Wertpapierdepots bei der beklagten Partei. Die ersten Sparbücher wurden 1987 oder 1988 angelegt. Obwohl der Erstkläger fast alle Sparbücher selbst eröffnet hatte, war stets klar, daß „dies für seine Kunden geschah“. Der Erstkläger hatte auch niemals Namen „seiner Kunden“ genannt. Der Mitarbeiter der beklagten Partei war sich jedoch - auch angesichts einer mündlichen Bestätigung des Erstklägers - der Tatsache bewußt, daß dieser „die Wertpapierdepots einzeln an Kunden zuteilte“. Der Erstkläger teilte dem Mitarbeiter der beklagten Partei im übrigen mit, er werde die Sparbücher an Kunden weitergeben, damit diese über deren Guthaben verfügen können. Es kam in der Folge auch zu Abhebungen und Einzahlungen durch unmittelbares Einschreiten solcher Kunden. Die Eröffnung der dem Klagebegehren zugrunde liegenden Sparbücher samt den Verrechnungskonten zu den Wertpapierdepots erfolgte 1989. Bei den Sparbüchern handelte es sich immer „um gewöhnliche Überbringersparbücher mit Losungswort“. Das vom Erstkläger geltend gemachte „Kassageschäft 600“ steht nicht in dessen „wirtschaftlichen Eigentum“. Die den Gegenstand des verbundenen Verfahrens 13 Cg 73/91 bildenden „sieben Kassageschäfte gehören Kunden“ der zweitklagenden Partei. In allen Fällen handelt es sich dabei um Personen, die weiterhin ungenannt bleiben wollen und daher die zweitklagende Partei „um Einklagung ersucht haben“. Als schließlich gegen Ende 1990 eine größere Anzahl der Verrechnungskonten „des sogenannten R*****-Komplexes“ Sollsalden von insgesamt rund 40 Mio. S aufwiesen, ersuchten Vertreter der beklagten Partei zunächst den Erstkläger, für eine Abdeckung zu sorgen. Als dies nur zu einem geringen Teil geschehen war, erging an den Erstkläger die Aufforderung, „die Namen der Kunden der im einzelnen angeführten negativen Konten zu nennen“, damit die beklagte Partei an diese herantreten könne, um eine Abdeckung der offenen Salden zu erreichen. Die klagenden Parteien gaben jedoch auf Wunsch ihrer Kunden deren Namen der beklagten Partei nicht bekannt. Diese sperrte sodann im Dezember 1990 alle sogenannten „R*****konten“, verkaufte zum sämtliche Wertpapiere und rechnete mit ihren Ansprüchen aus den passiven Verrechnungskonten im Betrag von rund 40 Mio. S gegen die auf anderen Verechnungskonten bestehenden Aktiven von rund 39 Mio. S auf.
Der Erstkläger begehrte zuletzt S 2,316.250,32 sA, die zweitklagende Partei dagegen S 3,868.773,93 sA. Die klagenden Parteien brachten im wesentlichen vor, der Erstkläger sei über das seinem Begehren zugrunde liegende Sparbuch, welches über ein Verrechnungskonto mit einem Wertpapierdepot verknüpft sei, allein verfügungsberechtigt. Die zweitklagende Partei sei beauftragt und bevollmächtigt, „über veranlagte Gelder von Klienten zu disponieren und Börsenhandel zu treiben“. Nach dem Inhalt erteilter Vollmachten sei diese auch allein berechtigt, über die den Gegenstand ihrer Klage bildenden „Kassapositionen“ zu verfügen. Der beklagten Partei sei bekannt gewesen, daß die zweitklagende Partei die Wertpapierdepots für ihre Kunden eröffnet habe. Jene habe daher die eingeklagten Guthaben an den durch die Sparbücher legitimierten Berechtigten auszuzahlen, weigere sich jedoch, dieser Rechtspflicht zu entsprechen.
Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, alleiniger Auftraggeber, Vertragspartner und Inhaber sämtlicher Depots sei die zweitklagende Partei gewesen. Sie sei deshalb auch berechtigt gewesen, ihre sich aus Negativsalden ergebenden Ansprüche gegen jene der zweitklagenden Partei aufzurechnen. Für den Fall, daß den klagenden Parteien „tatsächlich selbständige Ansprüche“ zustünden, wende die beklagte Partei bis zur Höhe der Klagebegehren Schadenersatzansprüche zur Aufrechnung ein. Die klagenden Parteien wären nach Aufforderung durch die beklagte Partei verpflichtet gewesen, die anonymen „Eigentümer“ der Konten bekanntzugeben. Da dies mit der Erklärung, „die Kunden schützen zu müssen“, verweigert worden sei, habe die beklagte Partei keine Möglichkeit gehabt, die „offenen Salden“ bei den Kunden der zweitklagenden Partei „einzumahnen und deren Abdeckung vorzunehmen“. Es handle sich dabei um Pflichtverletzungen der klagenden Parteien, welche eine ausreichende Grundlage für die geltend gemachten Schadenersatzansprüche bildeten.
Das Erstgericht gab dem Begehren der erstklagenden Partei statt und wies jenes der zweitklagenden Partei als Folge seiner Aussprüche, es bestehe die Klageforderung mit S 3,868.773,93 sA und „die Gegenforderung ... mit mehr als dem Klagsbetrag“ zu Recht, ab. Es vertrat rechtlich im wesentlichen die Ansicht, das jeweilige Verrechnungskonto bilde mit dem einzelnen Sparbuch und dem „zugehörigen Kassageschäft“ jeweils eine eigene Kette. Der sich aus den einzelnen Verrechnungskonten ergebende Stand sei maßgebend für die Höhe einer Schuld oder Forderung. Die Person des Forderungsberechtigten bestimme sich nach dem Parteiwillen bei Vertragsschluß. Die Verrechnungskonten seien zwar vom Erstkläger als Geschäftsführer der zweitklagenden Partei eröffnet worden, dem sei jedoch der „ausgesprochene Wille“ zugrunde gelegen, der beklagten Partei anonyme Wertpapierkunden zuzuführen und „die Legitimation für die Verfügungsberechtigung über die Verrechnungskonten, nämlich das Sparbuch weiterzugeben“. Die beklagte Partei habe durch die Eröffnung der Konten schlüssig ihr Einverständnis zum Ausdruck gebracht, daß ihr zunächst die Vertragspartner, in deren Vertretung kontrahiert worden sei, nicht bekannt gegeben würden. Ein solches Handeln in Vertretung „für den, den es angeht“, sei zulässig. Die Verträge seien demnach zwischen der beklagten Partei und den anonymen Kunden der zweitklagenden Partei zustande gekommen. Die beklagte Partei sei somit verpflichtet, die Auszahlung von Guthaben an jene vorzunehmen, die sich „mittels Sparbuchs (und Losungsworts) als Vertragspartner oder von diesen Bevollmächtigte“ deklarierten. Die von der beklagten Partei durchgeführte Aufrechnung der Guthaben einzelner Vertragspartner mit den negativen Salden auf den Verrechnungskonten anderer sei daher unwirksam. Der Erstkläger sei als Inhaber des mit einem bestimmten Verrechnungskonto verknüpften Sparbuchs und infolge Kenntnis seines Losungsworts aktiv legitimiert. Gleiches gelte für die von der zweitklagenden Partei geltend gemachten Ansprüche. Dieser werde jedoch von der beklagten Partei zu Recht vorgeworfen, ihrer Verpflichtung zur Benennung jener Kunden, welchen negative Verrechnungskonten zuzurechnen seien, nicht nachgekommen zu sein. Die beklagte Partei sei damit um die Möglichkeit gebracht worden, die Außenstände von rund 40 Mio. S bei ihren Vertragspartnern hereinzubringen. Da die zweitklagende Partei eine entschuldigende Pflichtenkollision gar nicht behauptet habe, sei sie zum Ersatz des ihr Begehren weit übersteigenden Schadens verpflichtet.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der zweitklagenden Partei Folge und sprach aus, daß die eingeklagte Forderung mit S 3,868.773,93 sA zu Recht und die bis zu deren Höhe eingewendete Gegenforderung dagegen nicht zu Recht bestünden; die beklagte Partei sei daher schuldig, der zweitklagenden Partei den eingeklagten Betrag zu bezahlen. Der allein auf das Prozeßrechtsverhältnis zum Erstkläger bezogenen Berufung der beklagten Partei gab es dagegen nicht Folge und ließ die ordentliche Revision zu. Es vertrat im wesentlichen die Ansicht, das Handeln durch einen Vertreter „für den, den es angeht“, sei zulässig. Der Vertreter gebe nämlich bei einem solchen Geschäft dem Vertragspartner zu erkennen, nicht für sich, sondern für einen ungenannten anderen zu handeln. Sowohl die Depotverträge als auch die einzelnen Wertpapiergeschäfte seien daher unmittelbar zwischen der beklagten Partei und dem jeweiligen anonymen Kunden zustande gekommen. Eine anonyme Veranlagung sei in Österreich rechtlich zulässig. Bei der Durchführung von Wertpapiergeschäften könne eine Bank also nicht nur mit ihr namentlich bekannten, sondern auch mit ihr unbekannten Kunden Depotverträge abschließen oder depotähnliche Rechtsverhältnisse begründen. Dies sei aus der unterbliebenen Erwähnung des § 11 DepG im § 12 DepG abzuleiten. Es treffe zwar zu, daß im Vertretungsrecht im allgemeinen der Offenlegungsgrundsatz gelte, es sei jedoch möglich, auf eine Offenlegung des Geschäftsherrn zu verzichten. Zu einem solchen Verzicht sei es auch im vorliegenden Fall durch die von den Parteien gewählte Vorgangsweise gekommen, weil eine Offenlegung der Identität der vom Makler vertretenen Kunden den Geschäftszweck - nämlich die anonyme Eröffnung und Führung eines Depots - vereitelt hätte. Habe aber die Beklagte auf die Offenlegung der Identität ihrer anonymen Kunden schlüssig verzichtet, sei das Maklerunternehmen nicht verpflichtet, die Namen seiner Auftraggeber bekanntzugeben. Die Verletzung einer Offenlegungspflicht scheide somit aus, weshalb eine Schadenersatzpflicht der klagenden Parteien aus den von der beklagten Partei behaupteten Gründen nicht in Betracht komme.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die beklagte Partei wendete sich im Berufungsverfahren nur gegen die Klagestattgebung im mit dem Erstkläger bestehenden Prozeßrechtsverhältnis. Sie vertrat die Ansicht, das Erstgericht hätte der auch gegen den Anspruch des Erstklägers erhobenen Aufrechnungseinrede aufgrund einer „mit mehr als dem Klagsbetrag zu Recht“ bestehenden Gegenforderung stattzugeben und als Folge dessen das Klagebegehren abzuweisen gehabt. Unbekämpft ließ die beklagte Partei dagegen das den Klageanspruch der zweitklagenden Partei in einem dreigliedrigen Spruch abweisende Ersturteil.
Unterbleibt im Berufungsverfahren - wie im vorliegenden Fall - die Bekämpfung des im Ersturteil enthaltenen Ausspruchs über die Höhe der Klageforderung, so tritt insoweit nicht Teilrechtskraft ein. Bei einem infolge einer prozessualen Aufrechnungseinrede zu fällenden dreigliedrigen Urteil ist weder die Entscheidung über die Klageforderung noch jene über die Gegenforderung für sich allein der Rechtskraft fähig, sondern lediglich die sich daraus ergebende Entscheidung über das Klagebegehren. Wird ein Klagebegehren wegen einer bis zu dessen Höhe als zu Recht bestehend angenommenen Gegenforderung zur Gänze abgewiesen, ist die beklagte Partei nicht verpflichtet, die ihr ungünstige Feststellung über das Bestehen der Klageforderung zu bekämpfen, weil dieser bloß eine logische Prämisse der Entscheidung über das Zahlungsbegehren darstellende Ausspruch weder als Feststellungs- noch als Zwischenurteil in Rechtskraft erwachsen kann. Die in erster Instanz obsiegende Partei muß deshalb auch nicht für sie ungünstige Feststellungen in der Berufungsbeantwortung bekämpfen, um jene - soweit für die rechtliche Beurteilung relevant - im Revisionsverfahren aufgreifen zu können (EvBl 1992/193; RZ 1982/42; MietSlg 33.649).
Was für ein klagsabweisendes dreigliedriges Urteil gilt, muß ebenso für ein klagsstattgebendes Urteil dieser Art gelten, wenn dieses von der beklagten Partei - wie im vorliegenden Fall - nur wegen der unterbliebenen Aufrechnung mit einer im Prozeß eingewendeten Gegenforderung im Berufungsverfahren bekämpft wird, also ohne auch zu behaupten, daß die Klagsforderung - anders als nach dem sich aus dem Ersturteil ergebenden Ausspruch - nicht zu Recht bestehe. Bleibt eine Berufung dieser Art erfolglos, ist die beklagte Partei ebenso nicht gehindert, Fragen der Aktivlegitimation - ausgehend vom festgestellten Sachverhalt - in der Revision zu erörtern. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß es das Erstgericht hier rechtsirrig unterließ, auch in Ansehung des Begehrens des Erstklägers ein dreigliedriges Urteil zu fällen. Der erkennende Senat teilt somit die in der Revision vertretene Auffassung, es sei der beklagten Partei aufgrund der dargelegten Prämissen nicht verwehrt, den Klageforderungen sich allenfalls aus den Feststellungen ergebende und im Berufungsverfahren noch nicht relevierte anspruchsvernichtende Tatsachen entgegenzusetzen.
Soweit die beklagte Partei versucht, die Aktivlegitimation der klagenden Parteien mit dem Argument zu verneinen, in deren Beziehung zu den Klageansprüchen sei bloß eine unzulässige „gewillkürte Prozeßstandschaft“ zu erblicken, vermag sich dem der erkennende Senat nicht anzuschließen:
Die Revision führt selbst richtig aus, daß gemäß § 1393 zweiter Satz ABGB Schuldscheine, die auf den Überbringer lauten, schon durch deren Übergabe abgetreten werden und nebst ihrem Besitz keines anderen Beweises der Abtretung bedürfen. Die beklagte Partei bestreitet auch nicht, daß die im Besitz der klagenden Parteien befindlichen, deren Begehren zugrunde liegenden, auf Überbringer lautenden und mit Losungswörtern verknüpften Sparbücher Inhaberpapiere im Sinne des § 1393 zweiter Satz ABGB sind. Auch die Vereinbarung eines Losungsworts macht nämlich ein Sparbuch dieser Art nicht zu einem Rektapapier, sondern schafft nur ein zusätzliches Legitimationserfordernis (EvBl 1985/160; SZ 43/67; SZ 40/93; Avancini in Avancini/Koziol/Iro, Österreichisches Bankvertragsrecht I Rz 9/27). Diese Rechtsauffassung, die die Aktivlegitimation der klagenden Parteien - ausgehend von dem hier maßgeblichen Sachverhalt - als Inkassozessionare belegt, versucht die Revision mit dem Hinweis zu entkräften, es gehe gar nicht „um die Übertragung eines Inhaberpapieres und dessen Besitzes zur Ausübung der darin verbrieften Rechte, sondern um Wertpapier-Depots und daraus resultierenden Forderungen“. Es wird aber auch betont, das Spareinlagengeschäft gemäß § 18 KWG (jetzt gemäß §§ 31f BWG) und die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren nach dem Depotgesetz in Verbindung mit den Punkten 44f der in das Vertragsverhältnis einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien „zwei völlig getrennte Geschäftssparten“, sodaß die berechtigte Verfügung über ein als Verrechnungsurkunde mit einem Wertpapierdepot verknüpftes Sparbuch nicht ohne weiteres auch eine Verfügung „über das Depot selbst und dessen Verrechnungskonto“ zulasse. Diese Argumentation läßt den festgestellten Sachverhalt außer acht: Danach wurde jeweils ein „normales Sparbuch“ eröffnet, wobei es sich „stets um gewöhnliche Überbringersparbücher mit Losungswort“ handelte. Sparbücher dieser Art sind aber - wie schon ausgeführt - Inhaberpapiere, die einen vom Inhaber zu erbringenden Nachweis seiner materiellen Berechtigung aus dem Papier nicht erfordern (Avancini aaO). Die Unterscheidung der Wertpapiere danach, ob der Papierinhaber den Nachweis seiner materiellen Berechtigung zu erbringen hat, läßt bei Ausklammerung der Orderpapiere keinen Mischtyp zu: Entweder ist ein solcher Nachweis nicht erforderlich, dann handelt es sich um ein Inhaberpapier, oder der Papierinhaber muß seine materielle Berechtigung nachweisen, dann liegt eben ein Rektapapier vor (Avancini aaO Rz 9/26). Wird ein Wertpapier aber auf den Inhaber gestellt, so hat dies jedenfalls eine Beweislastumkehr zugunsten des jeweiligen Papierinhabers zur Folge (Avancini aaO Rz 9/29). Hätte demnach die beklagte Partei tatsächlich den in der Revision dargestellten Konnex der ausgestellten Sparbücher mit den Wertpapierdepots und ihren Verrechnungskonten herstellen wollen, wäre es an ihr gelegen, die Sparurkunden kraft Vereinbarung zu Rektapapieren zu machen, um auf diese Weise die Berechtigung an den Wertpapierdepots mit dem Forderungsrecht aus den Sparurkunden zu verknüpfen. Dabei ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu beurteilen, ob dies die Gestaltung und der Zweck anonymer Wertpapiergeschäfte zugelassen hätte, weil entsprechende Vereinbarungen nicht festgestellt wurden. Jedenfalls kann aber ein Inhaberpapier, anders als die beklagte Partei meint, nicht durch seine bloße - hier zu beurteilende - Verknüpfung mit einem anonymen Wertpapierdepot und dessen Verrechnungskonto seiner oben dargestellten Legitimationswirkung entkleidet werden. Nur wenn die Sparurkunden selbst als Rektapapiere gestaltet worden wären, wäre dem Papierinhaber der Nachweis seiner materiellen Berechtigung nicht erlassen.
Schon aus diesen Gründen sind die klagenden Parteien berechtigt, die ihren Begehren zugrunde liegenden Forderungen im eigenen Namen geltend zu machen. Eine „gewillkürte Prozeßstandschaft“ (vgl zu dieser Rechtsfigur: Fasching, LB2 Rz 344 mwN) liegt - entgegen der von der beklagten Partei vertretenen Ansicht - somit jedenfalls nicht vor.
Erfolgt die Eröffnung anonymer Konten - wie hier - zur Vornahme von Effektengeschäften, so findet auf die im Wege von Einkaufs- und Verkaufskommissionen angeschafften und veräußerten Wertpapiere § 12 DepG Anwendung, weil die Wertpapiere der Bank im Rahmen solcher Kassengeschäfte „zu anderen Zwecken als zur Verwahrung anvertraut sind“. § 11 DepG ist in diesen Fällen auch nicht sinngemäß anzuwenden, sondern die eingelieferten Wertpapiere sind gemäß § 12 zweiter Satz DepG nur buchmäßig aufzuzeichnen. Daraus folgt, daß zur Durchführung von Geschäften gemäß § 12 DepG auch anonyme Wertpapierkonten eröffnet werden können (WBl 1994, 415; ecolex 1994, 814; Iro in Avancini/Koziol/Iro aaO Rz 10/39). Nach der jetzt gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 lit.a und b BWG geltenden Rechtslage wird von der Verpflichtung der Kredit- und Finanzinstitute, sich bei Anknüpfung einer dauernden Geschäftsbeziehung die Identität eines Kunden nachweisen zu lassen, bei der Eröffnung von Sparbüchern und Wertpapierkonten sowie zur Durchführung von Geschäften gemäß § 12 DepG eine ausdrückliche Ausnahme gemacht.
Es bedarf auch keiner Offenlegung der Stellvertretung, wenn dem anderen Teil - wie hier der beklagten Partei - bekannt war, daß die klagenden Parteien nicht im eigenen Namen, sondern für deren Kunden handelten. Auf eine Offenlegung kann nämlich nach herrschender Auffassung - wie schon das Berufungsgericht richtig erkannte - verzichtet werden (4 Ob 532/94 - teilweise veröffentlicht in: ecolex 1994, 814; 3 Ob 550/94 - teilweise veröffentlicht in: WBl 1994, 415; JBl 1985, 616; SZ 57/198; SZ 54/11; Strasser in Rummel, ABGB2 Rz 50 zu § 1002; Welser, Vertretung ohne Vollmacht 248 ff). Die klagenden Parteien traten gegenüber der beklagten Partei als (ausnahmsweise) abschlußberechtigte Handelsmäkler auf. Der beklagten Partei war dabei bekannt, daß die als Makler Auftretenden nicht selbst Kontoinhaber und Vertragspartner sein wollten, sondern als Vertreter ihr unbekannter Kunden handelten, deren Identität mit Einverständnis der beklagten Partei gerade nicht offengelegt werden sollte. Abgeschlossen wurden also echte Geschäfte „für den, den es angeht“ (4 Ob 532/94; 3 Ob 550/94). Soweit Geschäfte dieser Art auch mit dem Inhalt geschlossen werden, daß sich der Vertreter mit Einverständnis des Kontrahenten vorbehält, die Identität des Geschäftsherrn erst (künftig) zu benennen (JBl 1985, 616; SZ 57/198; Strasser aaO), können die hier zu beurteilenden Wertpapiergeschäfte - mangels eines von der beklagten Partei ausbedungenen Vorbehaltes - nicht als solche angesehen werden, nach deren Inhalt die klagenden Parteien verpflichtet sein könnten, der beklagten Partei die Identität der von ihnen vertretenen Geschäftsherrn bekanntzugeben. Erlaubt nämlich die Gesetzeslage - wie schon dargelegt - den Abschluß anonymer Wertpapiergeschäfte, besteht ein schutzwürdiges Interesse des Bankkunden, der sich für eine solche Anlageform entschied, seine Identität nicht preisgeben zu müssen. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich somit von dem in SZ 12/222 entschiedenen dadurch, daß einer der Geschäftszwecke darin liegt, die Anonymität des Wertpapierkunden der Bank aufrecht zu erhalten und dessen Identität gerade nicht preiszugeben. Entgegen der von der beklagten Partei vertretenen Ansicht ist dabei auch nicht zwischen der Anonymität gegenüber der Bank und der Anonymität gegenüber der Allgemeinheit zu unterscheiden. Versäumt es die Bank bei Wertpapiergeschäften wie den vorliegenden, sich ein vertragliches Recht auf Benennung ihrer Vertragspartner vorzubehalten, besteht auch gegenüber der Bank keine Rechtspflicht des Kunden, seine Identität preiszugeben, macht dieser doch im Einklang mit der Rechtslage von der Möglichkeit Gebrauch, Wertpapiergeschäfte vollständig - also auch gegenüber der Bank - anonym abzuschließen. Besonders für den Fall, daß bei Abwicklung von Effektengeschäften das Verrechnungskonto passiv würde, könnte die Bank mit ihren zunächst anonym bleibenden Kunden über deren Vertreter ohne weiteres vereinbaren, die Durchführung solcher Aufträge u.a. von der Bekanntgabe der Identität des Kunden abhängig zu machen.
Die beklagte Partei meint, es könne ihr gemäß § 863 ABGB nicht der Vertragswille unterstellt werden, sie habe „auch für den Fall, daß aus den Anlegern durch Überziehung der Verrechnungskonten beim Erwerb von Wertpapieren und durch den nachträglichen Kursverfall der erworbenen Wertpapiere Schuldner ungesicherter Kredite werden würden“, auf Offenlegung der Identität ihrer Vertragspartner verzichten wollen, hätte doch ein solcher Verzicht „im Ergebnis die Wirkung und Bedeutung eines Verzichtes auf Rückzahlung des Kredites“ und insoferne auch eine Verletzung des damals geltenden § 12 Abs. 1 KWG bedeutet. Dieser Argumentation ist deshalb nicht zu folgen, weil es nicht Aufgabe des Kunden einer Bank ist, auf deren Geschäftsinteressen in Begrenzung ihres Risikos bei den Vertragsverhandlungen Bedacht zu nehmen. Von einer Bank als Vertragspartner ist vielmehr selbst zu beurteilen, bis zu welcher Grenze die Anonymität eines Kunden ein für sie tragbares Risiko darstellt. Diese Grenze ist für einen Kunden, der keinen Einblick in die Gestion einer Bank hat, auch nicht „stillschweigend“ erkennbar, bedient sich doch der bei Wertpapiergeschäften anonym bleibende und als solcher von der Bank akzeptierte Kunde - wie schon dargelegt - einer durch das Gesetz erlaubten Anlageform. Die erwähnte Grenze ist daher bei den Vertragsverhandlungen mit dem Makler von der Bank deutlich zu machen, will sie Verluste bei Wertpapiergeschäften mit anonym bleibenden Kunden vermeiden. Nur wenn ein entsprechender vertraglicher Vorbehalt vorläge, könnte eine Schadenersatzpflicht des Maklers, der die Offenlegung bisher anonym gebliebener Kunden verweigert, in Frage kommen. Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht kann somit auch keine „quasivertragliche Pflicht“ der klagenden Parteien zur Namensnennung ihrer Kunden als zahlungspflichtige Vertragspartner der beklagten Partei angenommen werden.
Soweit die beklagte Partei einen Mangel des Berufungsverfahrens mit der Begründung rügt, es fehle dem angefochtenen Urteil an Feststellungen zur Absicht der Vertragsparteien über den vom Berufungsgericht angenommenen Offenlegungsverzicht, ist ihr zu erwidern, daß sie im Verfahren erster Instanz nicht behauptete, es seien besondere Abreden zur Offenlegung der Identität ihrer anonymen Wertpapierkunden getroffen worden oder die Vertragsparteien hätten ihren Vereinbarungen gemeinsam jenen Parteiwillen zugrunde gelegt, den die Revision zu begründen versucht. Das angefochtene Urteil leidet daher weder an einem Feststellungs- noch an einem Begründungsmangel.
Der Revision vermag aber auch das Argument nicht zum Erfolg zu verhelfen, die Eröffnung und Führung von Wertpapierdepots seien als Bankgeschäfte ausschließlich den Banken vorbehalten, weshalb der Geschäftszweck der zweitklagenden Partei als freier Börsenmaklerin im Sinne des § 57 Abs. 1 BörseG nicht „die anonyme Eröffnung und Führung von Depots“ gewesen sein könne. Die beklagte Partei bezieht das auf Ausführungen des Berufungsgerichtes. Diese werden offenbar mißverstanden. Das Berufungsgericht wollte mit der von ihm gewählten Formulierung - löst man diese nicht aus dem textlichen Zusammenhang - gar nicht zum Ausdruck bringen, „die anonyme Eröffnung und Führung eines Depots“ hätte vom Makler selbst vorgenommen werden können; die in der Revision relevierten Ausführungen sind vielmehr so zu verstehen, daß der Makler als Vertreter seiner Kunden entsprechende Verträge mit der beklagten Partei als Bankunternehmen abzuschließen hatte. Daß die zweitklagende Partei „entgegen ihrer Erlaubnis und Konzession nach dem Börsegesetz private Kunden im Wertpapierbereich“ vertreten habe und deshalb der aufrechnungsweise geltend gemachte Schadenersatzanspruch gerechtfertigt sei, wurde im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Auf diese gemäß § 504 Abs. 2 ZPO im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung ist somit nicht einzugehen.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum zum Ergebnis kam, es bestehe im vorliegenden Fall für die klagenden Parteien keine Rechtspflicht, der beklagten Partei die Identität ihrer anonym gebliebenen Wertpapierkunden offenzulegen. Das Unterlassen einer solchen Offenlegung ist somit nicht rechtswidrig. Schon deshalb fehlt es für die aufrechnungsweise geltend gemachten Schadenersatzansprüche an einer Rechtsgrundlage.
Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die für die klagenden Parteien im Revisionsverfahren entstandenen Gesamtvertretungskosten waren nach dem Verhältnis der einzelnen Begehren zum Gesamtstreitwert aufzuteilen (Erstkläger 37,45 %, zweitklagende Partei 62,55 %).