OGH vom 25.10.2018, 6Ob186/18y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des C***** S*****, geboren am *****, vertreten durch Mag. Dieter Wohlmuth, Rechtsanwalt in Leibnitz, über den Revisionsrekurs des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 139/18b-75, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom , GZ 13 P 25/16k-69, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung:
Mit Beschluss des Erstgerichts vom wurde für den Betroffenen ein Rechtsanwalt zum Sachwalter bestellt und gemäß § 268 Abs 3 Z 2 ABGB mit der Vertretung in einem Exekutionsverfahren vor dem Erstgericht, der Vertretung vor Ämtern und Behörden und mit der Verwaltung von Vermögen betraut. Nach dem psychiatrischen Gutachten leidet der Betroffene unter einer psychischen Erkrankung, weshalb er nicht imstande ist, seine Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu erledigen.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom wurde der bisherige Sachwalter enthoben und ein anderer Rechtsanwalt unter Beibehaltung des bisherigen Wirkungskreises zum neuen Sachwalter bestellt.
Am beantragte der Betroffene die Aufhebung der Sachwalterschaft. Er benötige keine Unterstützung des Sachwalters bei der Wohnungssuche und beabsichtige zu übersiedeln.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag ab. Anlässlich des Gesprächs in der Tagsatzung habe sich gezeigt, dass sich der psychische Gesundheitszustand des Betroffenen seit der Begründung der Sachwalterschaft nicht geändert habe und mit ihm ein strukturiertes Gespräch nicht möglich sei. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters seien daher nach wie vor gegeben.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Aufgrund eines vom Erstgericht eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachtens vom stellte es ergänzend fest, dass beim Betroffenen nach wie vor die psychische Erkrankung vorliege, die chronisch sei und vielgestaltig verlaufen könne. Der Betroffene sei aufgrund seiner geistigen und psychischen Beeinträchtigungen nur unter der Voraussetzung einer regelmäßigen professionellen Betreuung in der Lage, weiterhin allein auf der gegenständlichen Liegenschaft zu wohnen. Abhängig vom aktuellen Ausmaß des paranoiden Gedankenguts könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene Handlungen setze, die ihn oder dritte Personen gefährden. Extrem wichtig wäre, dass der Betroffene eine psychiatrische Behandlung in Anspruch nehme, um die bei ihm bestehenden psychopathologischen Symptome unter Kontrolle bringen zu können. Der persönliche Eindruck der Erstrichterin sei nicht zu beanstanden.
Das Vorbringen des Betroffenen in seinem Rekurs, wonach er den Eindruck habe, dass der Richterin seine Einstellung in der Sache gefallen würde und er einen Verstoß gegen die Menschenrechte vermute, erscheine nicht geeignet, diese Verfahrensergebnisse zu widerlegen; durch diese Angaben sei vielmehr ersichtlich, dass die subjektiven Voraussetzungen für die Bestellung nicht weggefallen seien. Das Erstgericht habe daher zutreffend die Beendigung der Sachwalterschaft abgelehnt.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
Zur Zulässigkeit führt der Revisionsrekurswerber aus, es sei zu klären, ob das Rekursgericht nicht bereits anlässlich des Inkrafttretens des zweiten Erwachsenenschutzgesetzes amtswegig ein Erneuerungsverfahren hätte einleiten müssen. Weiters stelle sich die Frage, ob das strafrechtliche Prinzip der Rückwirkung günstigeren Rechts nicht auch im Erwachsenenschutzrecht analog heranzuziehen sei. Das Rekursgericht habe die Sache insbesondere mangels Einleitung eines Erneuerungsverfahrens nicht ausreichend erörtert. Der Rechtsmittelwerber sei in zweiter Instanz zudem nicht oder nur mangelhaft vertreten gewesen, was eine Nichtigkeit begründe.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisonsrekurs ist nicht zulässig.
1.1. Im Sachwalterschaftsverfahren besteht mit § 127 AußStrG aF eine Sondernorm, die die Rekurslegitimation regelt und klarstellt, dass auch eine betroffene Person Rekurs erheben kann. Auch im Verfahren über die Beendigung, Einschränkung oder Erweiterung der Sachwalterschaft ist ein Volljähriger, für den ein Sachwalter bestellt sei, im Rahmen des Wirkungskreises des (einstweiligen) Sachwalters verfahrensfähig (7 Ob 219/12z; vgl nunmehr § 116a AußStrG).
1.2. Da der Revisionsrekurswerber somit zur Erhebung eines Rekurses legitimiert und insoweit selbstständig verfahrensfähig war, ist die Verwirklichung des Revisionsrekursgrundes des § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 2 AußStrG, der die mangelhafte Vertretung einer verfahrensunfähigen Person betrifft, ausgeschlossen.
2.1. Gemäß § 207m Abs 1 AußStrG tritt § 128 AußStrG nF, der unter anderem das Erneuerungs und Beendigungsverfahren regelt, mit in Kraft und ist auf Verfahren anzuwenden, die nach dem anhängig sind oder anhängig werden. Nach § 207m Abs 4 iVm Abs 3 AußStrG ist ein im Zeitpunkt des Inkrafttretens des 2. Erwachsenenschutzgesetzes in höherer Instanz anhängiges Verfahren auf Beendigung der Sachwalterschaft dem Erstgericht zur Verfahrensfortsetzung zu überweisen, sofern noch Entscheidungsgrundlagen fehlen.
2.2. Nach § 128 Abs 3 AußStrG nF hat das Gericht im Erneuerungsverfahren den Erwachsenenschutzverein mit einer Abklärung zu beauftragen und sich einen persönlichen Eindruck von der betroffenen Person zu verschaffen. Hingegen obliegt es im Beendigungsverfahren (ausschließlich) dem Gericht zu entscheiden, ob es weitere Erhebungsmaßnahmen für erforderlich hält (vgl ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 70 f).
2.3. Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 6 Ob 145/18v bereits ausgesprochen, dass der Verweis in § 207m Abs 4 AußStrG auf die sinngemäße Anwendung des Abs 3 leg cit auch die Anwendung der für Beendigungsverfahren vorgesehenen Verfahrensbestimmungen idF des 2. Erwachsenenschutzgesetzes, somit hier § 128 AußStrG nF, umfasst.
2.4. Eine Überweisung nach § 207m Abs 4 AußStrG an das Gericht erster Instanz scheidet aus, weil die Entscheidungsgrundlagen (auch) für die Beurteilung des Antrags auf Beendigung der Sachwalterschaft unter Anwendung des neuen Rechts nicht unvollständig sind. Das Erstgericht konnte sich mit der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von der betroffenen Person begnügen; die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sind nicht zwingend erforderlich, sondern liegen im Ermessen des Gerichts. In Anbetracht des ohnedies vorliegenden relativ rezenten Gutachtens und des Fehlens jeglichen Hinweises auf eine Verbesserung des Zustands des Betroffenen ist jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen im vorliegenden Fall kein weiteres Gutachten eingeholt haben.
3.1. Gemäß § 1503 Abs 9 Z 14 ABGB hat das Gericht nach dem unter sinngemäßer Anwendung des § 278 Abs 3 ABGB in der bis zum 2. Erwachsenenschutzgesetz geltenden Fassung für alle gerichtlichen Erwachsenenvertretungen im Sinn der Z 10 (sogenannte „übergeleitete“ Erwachsenenvertreter, sohin bereits vor dem bestellte Sachwalter, die nunmehr als gerichtliche Erwachsenenvertreter gelten) von Amts wegen ein Erneuerungsverfahren einzuleiten. Entgegen der Rechtsansicht des Revisionsrekurswerbers richtet sich diese Bestimmung nicht an das Rekursgericht, sondern an die Gerichte erster Instanz. Zudem verpflichtet die Bestimmung das Gericht nicht zur unverzüglichen Verfahrenseinleitung. Aus den Materialien (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 59) sowie Satz 2 der Übergangsbestimmung ergibt sich zudem, dass den Erstgerichten für die Einleitung von Erneuerungsverfahren ein Zeitrahmen von bis zu fünfeinhalb Jahren eingeräumt wurde. Ein Antrag auf Einleitung eines Erneuerungsverfahrens ist unzulässig (Zierl/Schweighofer/Wimberger, Erwachsenen-schutzrecht2 Rz 912).
3.2. Eine amtswegige Einleitung eines Erneuerungsverfahrens durch das Gericht zweiter Instanz kommt nicht in Betracht. Erst im vom Erstgericht amtswegig, aber nicht unverzüglich einzuleitenden Erneuerungsverfahren wird die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters nach der neuen Rechtslage inhaltlich zu prüfen sein.
4. In Anbetracht der detaillierten Übergangsregelungen liegt keine Gesetzeslücke vor, sodass für die vom Revisionsrekurswerber geforderte analoge Anwendung des „strafrechtlichen Prinzips der Rückwirkung günstigeren Rechts“ keine Grundlage besteht.
5. Zusammenfassend bringt der Revisionsrekurs daher keine Rechtsfragen der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass er spruchgemäß zurückzuweisen war.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00186.18Y.1025.000 |
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