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OGH vom 12.03.1996, 4Ob2026/96m

OGH vom 12.03.1996, 4Ob2026/96m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Griß und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Friedrich O*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der M*****GesellschaftmbH, ***** (23 S 208/95y des Landesgerichtes Salzburg), wider die beklagte Partei Wohnungseigentümergemeinschaft V*****, vertreten durch Ing.Karl J*****, dieser vertreten durch Dr.Michael Goller, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 296.188,85 sA, infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 208/95-20, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 4 Cg 25/94d-14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 53.657,60 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 6.734,60 USt und S 13.250,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die M***** GesellschaftmbH errichtete für die Beklagte beim Bauvorhaben V***** eine Aluminiumfassade und stellte dafür am S 713.696,18 in Rechnung. Die Beklagte zahlte im März 1993 S 200.000,-- an und im März 1994 S 214.903,33.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom wurde die Forderung der M***** GesellschaftmbH zugunsten des Robert U***** gepfändet und diesem zur Einziehung überwiesen. Die Exekutionsbewilligung samt Drittschuldnererklärung wurde den Mitgliedern der Beklagten am 3./ zugestellt.

Bei der Bauabnahme am konfrontierte "die beklagte Partei" den Prokuristen und faktischen Geschäftsführer der M***** GesellschaftmbH Ing.Kurt M***** mit der Forderungsexekution. Ing.Kurt M***** machte darauf aufmerksam, daß er in absehbarer Zeit einen Konkursantrag stellen werde und daß daher nicht an Robert U***** gezahlt werden solle. Er hatte aber bereits früher gegenüber "Vertretern der beklagten Partei" auf die schwierige finanzielle Situation hingewiesen und dabei durchblicken lassen, daß einmal Konkurs eröffnet werden könne. Wegen der unklaren rechtlichen Situation (einerseits Forderungspfändung, anderseits bevorstehender Konkursantrag) kamen Ing.Kurt M***** und Ing.Karl J*****, der Vertrauensobmann der Beklagten, überein, Rechtsauskünfte einzuholen. Der Rechtsvertreter des Robert U***** drohte der Beklagten mit einer Drittschuldnerklage, sollte sie die überwiesene Forderung nicht zahlen.

Ing. Karl J***** wandte sich an den Rechtsvertreter der Beklagten. Dieser nahm mit dem Rechtsvertreter des Robert U***** Kontakt auf, der ihm mitteilte, die bereits vorbereitete Drittschuldnerklage einzureichen, sollte nicht unverzüglich gezahlt werden. Am 26. oder wies der Beklagtenvertreter die Beklagte an, die überwiesene Forderung zu zahlen. Die Beklagte gab die Anweisung an ihre Hausverwaltung weiter, welche am , am Mittwoch nach Pfingsten, S 296.188,85 an den Rechtsvertreter des Überweisungsgläubigers überwies.

Der Beklagten und ihrem Vertreter war nicht bekannt, daß das Landesgericht Salzburg am , am Donnerstag vor Pfingsten, das Konkursverfahren über das Vermögen der M***** GesellschaftmbH eröffnet hatte. Der Konkurseröffnung lag ein Antrag der Gemeinschuldnerin vom zugrunde.

Der Kläger klagte als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der M***** GesellschaftmbH Robert U***** auf Rückzahlung des von der Beklagten gezahlten Betrages. Am erging zu 14 Cg 71/94z des Landesgerichtes Innsbruck ein Versäumungsuteil. Robert U***** schlug eine Abschlagszahlung von S 30.000,-- vor; der Gläubigerausschuß nahm dieses Anbot nicht an. Die vom Kläger beantragte Exekution blieb erfolglos. Nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses, das Robert U***** nach § 47 Abs 2 EO abgegeben hat, ist nicht zu erwarten, daß weitere Exekutionsschritte des Klägers erfolgreich sein würden.

Der Kläger begehrt (nach Einschränkung), die Zahlung vom in Höhe von S 296.188,85 an den Rechtsvertreter des Robert U***** für unwirksam zu erklären und die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm S 296.188,85 sA zu zahlen.

Das exekutive Pfandrecht des Robert U***** sei gemäß § 12 Abs 1 KO erloschen. Die Beklagte hätte an den Kläger zahlen müssen. Sie habe von der bevorstehenden Konkurseröffnung gewußt und in Begünstigungsabsicht an den Überweisungsgläubiger gezahlt. Ihr sei auch bewußt gewesen, daß sie damit die anderen Gläubiger benachteilige. Der Kläger stütze seinen Anspruch sowohl auf §§ 30 und 31 KO als auch auf das Grundgeschäft.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.

Weder sie noch ihr Rechtsvertreter hätten von der Konkurseröffnung gewußt; sie hätte ihnen auch nicht bekannt sein müssen. Die Beklagte sei sich weder einer Begünstigung des Überweisungsgläubigers noch einer Benachteiligung der übrigen Gläubiger bewußt gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Anfechtungsgegner könne immer nur derjenige sein, der eine Leistung erhalten habe. Nach § 12 Abs 1 KO erloschene Absonderungsrechte lebten wieder auf, wenn der Konkurs gemäß § 166 KO aufgehoben werde. Der Drittschuldner habe das Zahlungsverbot auch während des Schwebezustandes zu berücksichtigen; er müsse aber an den Masseverwalter zahlen. Sollte er an den Überweisungsgläubiger gezahlt haben, so müsse dieser den Betrag in die Masse zahlen. Da das Pfandrecht nur bedingt erloschen sei, sei die Beklagte gemäß § 313 Abs 1 EO im Umfang der geleisteten Zahlung von ihrer Verbindlichkeit befreit worden.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Zahlungsbegehren stattgab. Es erklärte das Ersturteil im Umfang der Einschränkung des Klagebegehrens um 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen für wirkungslos. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Rechtsgestaltungsbegehren sei nicht berechtigt, weil die Konkursanfechtung nur Rechtshandlungen erfasse, die vor Konkurseröffnung vorgenommen wurden. Nach § 3 Abs 2 KO sei nur ein Leistungsbegehren möglich. Der Drittschuldner sei grundsätzlich weder berechtigt noch verpflichtet, rechtskräftige Gerichtsbeschlüsse zu überprüfen. Zahle der Drittschuldner erst nach Konkurseröffnung, so würden die Bestimmungen der Exekutionsordnung durch die §§ 3, 12 KO abgeändert. Die Beklagte habe an den Überweisungsgläubiger und damit an die Gemeinschuldnerin gezahlt. Angesichts der Erklärungen des Ing.Kurt M*****, er werde in absehbarer Zeit einen Konkursantrag stellen, wäre es der Beklagten zumutbar gewesen, beim Landesgericht Salzburg als Konkursgericht Erhebungen anzustellen. Daß sie von der Konkurseröffnung nichts gewußt habe, sei ihr als Fahrlässigkeit anzulasten. Ihr Schuldtilgungseinwand sei daher nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit der Frage befaßt hat, ob den Drittschuldner eine Erkundigungspflicht wegen einer allfälligen Konkurseröffnung über das Vermögen des Gläubigers trifft; sie ist auch berechtigt.

Die Beklagte verweist darauf, daß Ing.Kurt M***** schon vor dem mehrmals angekündigt hatte, allenfalls einen Konkursantrag stellen zu müssen. Für die Beklagte sei offen gewesen, ob überhaupt und wann ein Konkursantrag gestellt würde. Die Hausverwaltung sei einen Tag vor oder am Tag der Konkurseröffnung angewiesen worden, die überwiesene Forderung zu zahlen.

Gemäß § 3 Abs 2 KO wird der Verpflichtete durch Zahlung einer Schuld an den Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung nicht befreit, es sei denn, daß das Geleistete der Konkursmasse zugewendet worden ist oder daß dem Verpflichteten zur Zeit der Leistung die Konkurseröffnung nicht bekannt war und daß die Unkenntnis nicht auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht (bekannt sein mußte). Den Verpflichteten trifft die Beweislast, daß ihm - oder der für ihn leistenden Person - die Konkurseröffnung weder bekannt war noch bekannt sein mußte (Bartsch - Pollak, KO3 I Anm 24 zu § 3 KO; 5

Ob 95/60 = SZ 33/40 mwN; 6 Ob 257/64 = EvBl 1965/191; 2 Ob 550/82 =

SZ 56/170 = EvBl 1984/63 = RdW 1984, 141 = RZ 1984/52 ua). Nach der Rechtsprechung erfüllt der Verpflichtete seine Sorgfaltspflicht, wenn er die Veröffentlichungen im entsprechenden Amtsblatt verfolgt (7 Ob 807/81 = SZ 55/3; 2 Ob 550/82 = SZ 56/170 = EvBl 1984/63 = RdW 1984, 141 = RZ 1984/52; s auch 2 Ob 664/85 SZ 58/210).

Den Mitgliedern der - gemäß § 13c Abs 1 WEG idF 3. WÄG BGBl 1993/800 parteifähigen - Beklagten wurde die Bewilligung der Forderungsexekution samt Drittschuldnererklärung am 3./ zugestellt. Ihnen wurde damit verboten, an die Verpflichtete, die M***** GesellschaftmbH, zu zahlen. Gleichzeitig wurde die gepfändete Forderung dem betreibenden Gläubiger Robert U***** überwiesen.

Die Überweisung zur Einziehung ermächtigt den betreibenden Gläubiger,

namens des Verpflichteten vom Drittschuldner die Entrichtung des im Überweisungsbeschlusse bezeichneten Betrages nach Maßgabe des Rechtsbestandes der gepfändeten Forderung und des Eintrittes ihrer Fälligkeit zu begehren und (ua) die nicht rechtzeitig und ordnungsgemäß bezahlte Forderung gegen den Drittschuldner in Vertretung des Verpflichteten einzuklagen (§ 308 Abs 1 EO). Zahlt der Drittschuldner an den betreibenden Gläubiger, dem die Forderung zur Einziehung überwiesen wurde, so wird er insoweit von seiner Verbindlichkeit befreit (§ 313 Abs 1 EO).

Absonderungsrechte, die in den letzten sechzig Tagen vor der Konkurseröffnung durch Exekution zur Befriedigung oder Sicherstellung neu erworben worden sind, mit Ausnahme der für öffentliche Abgaben erworbenen Absonderungsrechte, erlöschen durch die Konkurseröffnung; sie leben jedoch wieder auf, wenn der Konkurs gemäß § 166 KO aufgehoben wird (§ 12 Abs 1 KO). Derartige Absonderungsrechte erlöschen daher bedingt; der Drittschuldner hat das Zahlungsverbot

auch während des Schwebezustandes zu berücksichtigen (8 Ob 655/90 =

NRsp 1991/196 = ÖBA 1991/296 mwN). Er darf nicht an den Gemeinschuldner zahlen; wegen der Konkurseröffnung aber auch nicht an den Überweisungsgläubiger, sondern er muß, wenn ihm die Konkurseröffnung bekannt ist oder bekannt sein muß, in die Masse leisten, um von seiner Verbindlichkeit befreit zu werden (§ 3 Abs 2 KO).

Mit der Zustellung der Exekutionsbewilligung war für die Beklagte klar, daß sie, soweit die Forderung gepfändet und überwiesen wurde, nicht mehr an die Verpflichtete, sondern an Robert U***** zu leisten hatte. Daran mußte sich für die Beklagte auch nichts ändern, als Ing.Kurt M*****, der Prokurist und faktische Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin, ihren Vertrauensobmann am darauf aufmerksam machte, daß er in absehbarer Zeit einen Antrag auf Konkurseröffnung stellen werde. Nicht nur, daß er schon in der Vergangenheit auf die schwierige finanzielle Situation der M***** GesellschaftmbH hingewiesen und durchblicken lassen hatte, es könne einmal Konkurs eröffnet werden, auch mit der Mitteilung vom stand für die Beklagte noch keineswegs fest, daß es tatsächlich zum Konkurs kommen werde und sie nach einer allfälligen Konkurseröffnung nicht mehr an den Überweisungsgläubiger zahlen dürfe, weil naturgemäß offen war, ob das Konkursverfahren innerhalb der 60-Tage-Frist des § 12 Abs 1 KO eröffnet würde. In dieser für sie unklaren Situation hat sich die Beklagte an ihren Rechtsvertreter gewandt; dieser hat sie, nach Rücksprache mit dem Rechtsvertreter des Robert U*****, angewiesen, den Betrag an den Überweisungsgläubiger zu zahlen.

Daß die Beklagte - angesichts der Drohung mit der Drittschuldnerklage - nicht länger zugewartet hat, um Erkundigungen einzuziehen, ob das Konkursverfahren eröffnet wird oder schon wurde, sondern gezahlt hat, kann ihr nicht als Fahrlässigkeit angelastet werden. Die Forderung der M***** GesellschaftmbH war gerichtlich gepfändet und dem Robert U***** überwiesen; das dadurch erworbene Absonderungsrecht erlosch nur dann, wenn es innerhalb von 60 Tagen seit seiner Begründung zur Konkurseröffnung kam (§ 12 Abs 1 KO). Die Beklagte war, solange das Konkursverfahren nicht eröffnet war, verpflichtet, dem Überweisungsgläubiger zu zahlen; sie riskierte, als Drittschuldnerin geklagt zu werden, wenn sie ihrer Verpflichtung nicht nachkam. Die Beklagte hat getan, was ihr zuzumuten war; zu weiteren Erkundigungen war sie nicht verpflichtet. Die Sorgfaltspflichten würden überspannt, wenn man vom Drittschuldner verlangte, er müsse feststellen, welches Gericht zuständig sei, und sich bei diesem Gericht erkundigen, ob über das Vermögen seines Gläubigers ein Konkursverfahren anhängig ist.

Mit der Zahlung an den Überweisungsgläubiger hat die Beklagte zwar nach der Konkurseröffnung der Gemeinschuldnerin geleistet; die Zahlung hat sie aber gemäß § 3 Abs 2 KO von ihrer Verpflichtung befreit, weil sie bewiesen hat, daß ihre Unkenntnis von der Konkurseröffnung nicht auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht hat.

Der Revision war Folge zugeben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.