OGH vom 22.07.2020, 1Ob126/20s

OGH vom 22.07.2020, 1Ob126/20s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** K*****, vertreten durch Dr. Stefan Rieder, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 412.776,66 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 48/20m-27, mit dem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom , GZ 2 Cg 16/19m-23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Aus einer unrichtigen Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz kann grundsätzlich mangels Rechtswidrigkeit des Verhaltens des entscheidenden Richters kein Amtshaftungsanspruch abgeleitet werden. Eine haftungsbegründende „unvertretbare Beweiswürdigung“ liegt nur bei Willkür vor, also wenn sich der Richter über wesentliche Verfahrensergebnisse ohne ersichtlichen Grund hinwegsetzt (RISJustiz RS0049947). Die Beurteilung, ob einer Tatsacheninstanz Willkür vorzuwerfen ist oder nicht, ist eine solche des Einzelfalls; daher liegt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor.

2. Die Revisionswerberin vermag keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen, das mit näheren Argumenten eine einen Amtshaftungsanspruch begründende willkürliche Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen im Anlassverfahren verneinte. Es argumentierte, die von der Klägerin als unrichtig angesehene Feststellung, dass das Testament der Erblasserin von einer der Testamentszeuginnen laut vorgelesen worden sei, hätten die Tatsacheninstanzen des Anlassverfahrens – neben dem Inhalt des Testaments (Punkt VI.) – auf die Aussagen von zwei Zeugen stützen können. Die im Anlassverfahren mit einem Naheverhältnis begründete Befangenheit des Erstrichters sei rechtskräftig verworfen worden. Auch aus einer im Anlassverfahren vorgelegten E-Mail einer verfahrensfremden Person lasse sich das von der Klägerin gewünschte Ergebnis nicht ableiten und überdies habe sich der Erstrichter des Anlassverfahrens damit auseinandergesetzt.

Der Versuch der Klägerin, die Beweisergebnisse im ihr vorteilhaften Sinn zu würdigen, und auch der Umstand, dass bei der von ihr vorgenommenen Interpretation der Aussagen eine für sie günstigere Feststellung möglich gewesen wäre, zeigt eine willkürliche Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen im Anlassverfahren nicht auf; umso weniger, dass dem Berufungsgericht im Amtshaftungsverfahren insoweit eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Sie vermag nicht darzulegen, dass sich die Richter im Anlassverfahren über wesentliche Verfahrensergebnisse ohne wesentlichen Grund hinweggesetzt hätten. Diese hatten gemäß § 32 AußStrG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, was für wahr zu halten ist und was nicht. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist allein der Umstand, dass die Tatsacheninstanz einer von zwei einander widersprechenden Erkenntnisquellen Glauben schenkt, kein unvertretbarer Fehler der Beweiswürdigung. Vielmehr gehört es geradezu zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass sich die Tatsacheninstanz für eine von zwei oder mehreren Möglichkeiten der Deutung gewonnener Beweisergebnisse entscheidet, wenn es zum Ergebnis kommt, dass diese mehr Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen kann als (eine) andere (Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2§ 32 Rz 9). Zwar ist ihr zuzugestehen, dass auch Beweisergebnisse für die von ihr gewünschte Feststellung vorliegen, jedoch macht dies allein die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen im Anlassverfahren nicht zu einer willkürlichen.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00126.20S.0722.000

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