OGH vom 12.10.2011, 3Ob119/11p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am verstorbenen Erna K*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Erben Marcello I*****, vertreten durch Dr. Alexander Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom , GZ 2 R 19/11y 27, mit dem über Rekurs der Noterbin Susanne M*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in Wien, der Beschluss des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom , GZ 17 A 323/10g 18, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Erben gegen die Rekursentscheidung, mit der dem Antrag der Noterbin auf Schätzung und Inventarisierung stattgegeben wurde, erweist sich aus folgenden Gründen als nicht zulässig :
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- | 1. Zunächst ist zu betonen, dass den spruchmäßigen Gegenstand der Entscheidungen der Vorinstanzen nur der Antrag der Noterbin auf Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses bildete, (zutreffend) wurde jedoch nicht über den materiellen Bestand einer Pflichtteilsforderung der Noterbin abgesprochen. |
- | 2. Das Recht, gemäß § 804 ABGB die Errichtung des Inventars zu fordern, steht den Noterben ohne weitere Voraussetzungen zu. Das Gericht hat daher nur dessen Eigenschaft als Noterbe zu prüfen, nicht aber, ob die Forderungen materiell zu Recht bestehen; diese Prüfung bleibt vielmehr dem Prozess über den Pflichtteilsanspruch vorbehalten (RIS Justiz RS0013007; RS0012854 [T1 und T 2]); das gilt auch für den Einwand des Erben, die Pflichtteilsforderung sei bereits zwischen dem Erben und der Noterbin außergerichtlich verglichen worden (9 Ob 125/03z). Bei der Beurteilung des Antrags der Noterbin war daher nicht zu prüfen, ob es durch die Äußerung der Noterbin am zum (schlüssigen) Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrags mit dem bereits unbedingt erbserklärten Erben kam. |
- | 3. Zu beurteilen ist nur, ob ihre Verfahrenserklärung gegenüber dem Gerichtskommissär in Anwesenheit des Erben nach Rechtsbelehrung über das Rechtsinstitut des Pflichtteils und über die Möglichkeit einer Inventarisierung zu Protokoll, eine Schätzung und Inventarisierung nicht zu beantragen und den Pflichtteil überdies auch nicht geltend zu machen, als zulässiger (RIS Justiz RS0013005; RS0013010) Verzicht auf die Errichtung eines Inventars auszulegen ist. Bei der Auslegung von Prozesshandlungen sind objektive Maßstäbe anzulegen und nicht die Auslegungsregeln für Rechtsgeschäfte (§§ 914 ff ABGB) heranzuziehen. Es ist also insbesondere nicht der Parteiwille zu erforschen (RIS Justiz RS0097531). |
- | Die objektive Bedeutung des bei der Erklärung vom gebrauchten Wortlauts lässt für sich allein genommen und nur darauf kommt es nach dem vorhin Gesagten an nicht den Schluss zu, die Noterbin habe dadurch ein für alle mal auf ihren verfahrensrechtlichen Anspruch, die Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses zu begehren, verzichtet. Schließlich fand weder das Wort „Verzicht“ Verwendung (obwohl dies bei entsprechender Absicht der Noterbin bei Protokollierung durch den Gerichtskommissär zu erwarten wäre), noch ist dem Text sonst ein Hinweis darauf zu entnehmen, es handle sich um eine endgültige Aufgabe des Rechts. Die wörtliche Auslegung verbietet daher die Annahme der Abgabe eines Verzichts auf die Inventarisierung. Die Noterbin hat daher durch ihre Erklärung weder ihre Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren aufgegeben, noch stellt sich die Frage der Widerruflichkeit der Erklärung vom . |
Vielmehr hat sie in ihrem folgenden Schreiben an den Gerichtskommissär vom ihr eingeräumten Recht (§ 804 ABGB;§ 165 Abs 1 Z 6 AußStrG) zulässig Gebrauch gemacht, die Errichtung eines Inventars und die Schätzung des Nachlasses zu beantragen, dem das Rekursgericht somit im Ergebnis zu Recht stattgegeben hat.