OGH vom 11.11.1999, 6Ob184/99y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen Ing. Rudolf W*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erbserklärten Erben und Antragsteller 1. Georg W*****, 2. Klaus W*****, 3. Gertraud W*****,
4. Gertraud W*****, alle vertreten durch Dr. Peter Armstark, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 25 R 3/99i, 25 R 4/99m, 25 R 5/99h-49, womit infolge der Rekurse der Antragsteller 1. der Beschluß des Bezirksgerichtes Retz vom , GZ A 125/96t-34, bestätigt wurde; 2. der Mantelbeschluß des Bezirksgerichtes Retz vom , GZ A 125/96t-39, teilweise abgeändert wurde und 3. der Rekurs gegen die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Retz vom , GZ A 125/96t-40, teils zurückgewiesen und ihm im übrigen nicht Folge gegeben wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am in seinem Haus in Hardegg verstorbene Erblasser hinterließ eine Witwe und fünf volljährige Kinder. In die Verlassenschaft fallen ua die Liegenschaft in H***** und eine Liegenschaftshälfte in S*****. Die Witwe und die fünf Kinder gaben jeweils bedingte Erbserklärungen ab. Die Witwe machte in der Abhandlung hinsichtlich der Liegenschaft in H***** ihr gesetzliches Vorausvermächtnis gemäß § 758 ABGB geltend. Die Liegenschaft wurde geschätzt, ohne daß dies ein Beteiligter beantragt hätte. Nach Vorliegen des Schätzungsgutachtens, in dem der gesetzliche Voraus der überlebenden Ehegattin nicht bewertet wurde, schlossen die Witwe und vier der fünf Kinder in der Tagsatzung vom vor dem Gerichtskommissär ein "Teilerbübereinkommen", wonach die Witwe die auf die vier Kinder entfallenden Anteile an den Nachlaßaktiva und Nachlaßpassiva übernimmt (ON 30, AS 227 f). Mit dem fünften Kind des Erblassers (aus erster Ehe) wurde keine Einigung erzielt. In der Tagsatzung beantragte der Rechtsvertreter für die Witwe und drei Kinder (Antragsteller) die Ergänzung der Schätzung durch Feststellung des Werts des Wohnrechts der Witwe. Das fünfte Kind (Antragsgegnerin) habe ein Heiratsgut erhalten, das auf die Erbteile anzurechnen sei. Bei Berücksichtigung des Wohnrechts der Witwe, das kapitalisiert 540.000 S ausmache, ergebe sich, daß das fünfte Kind wegen des Vorausempfanges aus der Verlassenschaft nichts mehr zu erhalten habe. Die Antragsgegnerin sprach sich gegen die Schätzung des Wohnrechts aus. Bei der Liegenschaft in H***** handle es sich nicht um die Ehewohnung.
Das Erstgericht traf folgende Entscheidungen:
I. Mit Beschluß vom (ON 34) wies es den Antrag auf Ergänzung des Gutachtens über die Schätzung der Liegenschaft in Hardegg unter Hinweis auf die entstehende Kostenbelastung ab;
II. Mit dem Mantelbeschluß vom wurde 1. das Inventar mit einem Bruttonachlaßvermögen von 960.917,12 S und Nachlaßverbindlichkeiten von 133.429,69 S, also mit einem Reinnachlaß von 827.487,43 S zu Gericht angenommen; 2. das geschlossene Teilerbübereinkommen vom zur Kenntnis genommen; 3. die erblasserische Witwe zu 13/15 und die erblasserische Tochter Sigrid S***** (Antragsgegnerin) zu 2/15 abhandlungsbehördlich ermächtigt, über verschiedene Konten des Erblassers und näher bezeichnete Fahrnisse zu verfügen; 4. die Gebühren des Gerichtskommissärs bestimmt und 5. die Verlassenschaftsabhandlung für beendet erklärt;
III. Mit der Einantwortungsurkunde vom wurde der Nachlaß der Witwe zu 1/3 und den fünf Kindern zu je 2/15 aufgrund des Gesetzes und der bedingten Erbserklärungen eingeantwortet und die Abhandlung für beendet erklärt. Das Erstgericht stellte fest, daß aufgrund der Ergebnisse der Verlassenschaftsabhandlung im Grundbuch folgende Eintragungen vorzunehmen sein werden: Auf der
erblasserischen Liegenschaft Grundbuch ***** H***** sowie auf der
erblasserischen Liegenschaftshälfte Grundbuch ***** S***** die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Witwe zu 13/15 und für die Miterbin Sigrid S***** zu 2/15.
Das Rekursgericht entschied über die Rekurse gegen die Beschlüsse ON 34, 39 und 40 dahin, daß
1. dem Rekurs gegen den Beschluß ON 34 nicht Folge gegeben wurde;
2. der Rekurs gegen die Einantwortungsurkunde ON 40 hinsichtlich der angefochtenen Verbücherungsklausel zurückgewiesen wurde und dem Rekurs im übrigen nicht Folge gegeben wurde;
3. dem Rekurs gegen den Mantelbeschluß ON 39 teilweise Folge gegeben und der Punkt 3. (abhandlungsbehördliche Ermächtigung über Konten und Fahrnisse zu verfügen) ersatzlos behoben, im übrigen aber dem Rekurs nicht Folge gegeben wurde.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht im wesentlichen aus, daß nach § 102 Abs 2 AußStrG idF des LBG der Wert von unbeweglichen Sachen zu ermitteln sei, wenn dies von einer Partei beantragt oder aus besonderen Gründen, insbesondere zum Schutz Pflegebefohlener erforderlich sei. Hier hätten die Beteiligten eine Schätzung der Liegenschaft nicht beantragt. Es hätte daher die Angabe des Einheitswertes der Liegenschaft genügt. Die Parteien hätten sich aber der vorgenommenen Schätzung unterworfen und auch eine Ergänzung des Gutachtens beantragt. Es sei daher die Frage entscheidungswesentlich, ob das gesetzliche Vorausvermächtnis der Witwe bei der Inventarserrichtung als Passivum zu berücksichtigen sei und ob es allenfalls den aktiven Verkehrswert der Liegenschaft mindere. Das Inventar müsse ein genaues und vollständiges Verzeichnis des Vermögens, in dessen Besitz sich der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes befunden habe, samt Bewertung bezogen auf den Todeszeitpunkt enthalten. Zweck des Inventars sei die Feststellung des Befriedigungsfonds für die Nachlaßgläubiger und der Ausgangsbasis für die Berechnung allfälliger Pflichtteilsansprüche. Die Wertermittlung im Rahmen der Inventarisierung sei auf das Verlassenschaftsverfahren beschränkt und für das streitige Verfahren nicht bindend. Das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB umfasse auch das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen. Es solle ein echtes Vorausvermächtnis sein und zum Erbrecht hinzutreten. Anders als das Vindikationslegat nach § 10 WEG sei das Wohnrecht nach § 758 ABGB ein Damnationslegat. Das Vorausvermächtnis habe subsidiären Charakter. Es bestehe nicht, wenn der überlebende Ehegatte die Ehewohnung aus eigenem Recht benützen könne. Der überlebende Ehegatte gehe als Vorausvermächtnisnehmer den Gläubigern wie jeder andere Vermächtnisnehmer nach. Dies gelte auch gegenüber Pflichtteilsansprüchen. Bei der Bemessung des Pflichtteils sei vom reinen Nachlaß im Sinne des § 105 AußStrG auszugehen. Als Passiva seien Erblasserschulden und Erbgangsschulden, nicht jedoch auch Vermächtnisse abzuziehen. Daraus ergebe sich, daß das Vorausvermächtnis weder als Nachlaßpassivum zu bewerten noch sonst (durch Verringerung des Aktivwertes der Liegenschaft) zu berücksichtigen sei. An dieser Beurteilung würde sich auch nichts ändern, wenn man das Vorausvermächtnis analog zu § 10 WEG als Vindikationslegat qualifiziere. Die Anwendung des § 3 Abs 3 Liegenschaftsbewertungsgesetz scheide im Hinblick darauf aus, daß hier die Berücksichtigung von Aktiven und Passiven nach den Bestimmungen des Erbrechtes vorzunehmen sei. Zur Anrechnung des Heiratsguts der Tochter in der unstrittigen Höhe von 87.500 S sei von § 790 ABGB auszugehen. Die Anrechnungspflicht sei eine Beschränkung des quantitativen Inhalts des gesetzlichen Erbrechts. Am Anteil (der Quote) ändere sich aber nichts. Die Anrechnung von Vorempfängen sei rein rechnerischer Natur. Es handle sich um eine Modalität der Erbteilung. Die Erbquote werde dadurch nicht gemindert. Die Ausgleichspflicht sei auch keine Nachlaßverbindlichkeit. Das Heiratsgut beeinflusse weder die Höhe des reinen Nachlasses noch die Erbquoten und finde im Verlassenschaftsverfahren keine Berücksichtigung. Strittige Fragen der Erbteilung seien im Rechtsweg auszutragen. Die Einantwortung zu den gesetzlichen Erbquoten sei daher zu Recht erfolgt. Die Verbücherungsklausel der Einantwortungsurkunde sei eine unbekämpfbare Absichtserklärung des Gerichtes über eine künftige Verbücherung. Der Rekurs sei nur hinsichtlich der Anfechtung der Verfügungsermächtigung über die Konten berechtigt. Eine solche Verfügung sei entbehrlich, weil es ein Widerspruch in sich sei, einem Universalsukzessor eine Verfügungsermächtigung einzuräumen. Wer über welche Werte des Nachlasses verfügungsberechtigt sein werde und zu welchen Quoten das Eigentumsrecht zu verbüchern sein werde, sei vom Ergebnis des Erbteilungsprozesses abhängig.
Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragen die antragstellenden drei Kinder und die Witwe erkennbar die Abänderung dahin, daß ihrem Antrag auf Ergänzung des Gutachtens stattgegeben und der Mantelbeschluß und die Einantwortungsurkunde aufgehoben werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Miterben haben bedingte Erbserklärungen abgegeben. Es war daher in der Abhandlung ein Inventar zu errichten (§ 92 Abs 1 AußStrG). Unbewegliche Sachen sind mit dem Einheitswert anzugeben (§ 102 Abs 3 AußStrG), wenn nicht ein Fall des Abs 2 leg cit vorliegt. Danach ist der Wert unbeweglicher Sachen nach dem LBG zu ermitteln, wenn dies von einer Partei beantragt wird oder aus besonderen Gründen, insbesondere zum Schutz Pflegebefohlener erforderlich ist. Im vorliegenden Fall liegt erkennbar kein von Amts wegen aufzugreifender Grund für eine Schätzung vor (alle Beteiligten sind volljährig), wohl aber ein Antrag von gesetzlichen Miterben, die gleichzeitig Noterben sind, strebten die Witwe und drei Kinder doch schon im Verfahren erster Instanz die Ergänzung des - wenn auch ohne Grund vom Verlassenschaftsgericht eingeholten - Gutachtens an. Auch gesetzliche Erben, die gleichzeitig pflichtteilsberechtigt sind, sind im Abhandlungsverfahren befugt, ein Inventar (§ 804 ABGB) und die Schätzung zu verlangen (vgl JBl 1990, 583), was sich aus § 784 ABGB ergibt. Danach können Noterben der Schätzung beiwohnen und Erinnerungen machen, damit der Nachlaß ordnungsgemäß geschätzt wird. Insoweit die rekurrierenden Miterben mit ihrem Revisionsrekurs die Abweisung ihres Antrags auf Ergänzung des Gutachtens bekämpfen, wird neben dem gleichzeitig vorliegenden Mangel des Verfahrens erster Instanz auch ein Feststellungsmangel geltend gemacht, der auf unrichtiger Rechtsansicht beruht. Es geht um die Frage der Vollständigkeit des Inventars als Voraussetzung der auf der Feststellung der Aktiva und Passiva der Verlassenschaft beruhenden gerichtlichen Verfügungen.
Ob sich der gesetzliche Voraus des überlebenden Ehegatten an der Ehewohnung (§ 758 ABGB) schon bei der Schätzung der in die Aktiva der Masse fallenden Liegenschaft als wertmindernd auswirkt (oder mit dem gleichen Ergebnis durch Aufnahme des geschätzten Wohnrechts auf der Passivseite), hängt von folgenden wesentlichen Rechtsfragen des materiellen und formellen Rechts ab:
Von der in Lehre und Rechtsprechung überaus unterschiedlich beurteilten rechtlichen Qualifikation des gesetzlichen Vorausvermächtnisses;
2. vom Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs;
3. vom Rang im Verhältnis zu anderen Beteiligten (Miterben;
Pflichtteilsberechtigten; Legataren; Gläubigern);
4. von Sinn und Zweck der Inventarserrichtung im allgemeinen.
Mit der Erbrechtsreform 1989 (BGBl 1989/656) wurde dem überlebenden Ehegatten das gesetzliche Vorausvermächtnis eingeräumt, in der Ehewohnung weiter zu wohnen. Der knappe Gesetzeswortlaut bedarf der Auslegung. Das Wesen und die Wirkungen des gesetzlichen Vorausvermächtnisses wurden unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (JAB 1158 BlgNR 17. GP 4 f) sehr eingehend von der Lehre (ua Eccher in WoBl 1991, 1; Adensamer in ÖA 1991, 6; Watzl in JBl 1992, 613; Zankl, Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten), aber auch schon in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (SZ 67/206; NZ 1996, 304; SZ 70/47 und 122) untersucht. Einigkeit besteht darüber, daß der Anspruch des überlebenden Ehegatten in Ansehung der Ehewohnung inhaltlich gleichbleibt, sein bisher gegen den Ehegatten zustehendes Benützungsrecht sich also als Anspruch gegen den Vermächtnisschuldner fortsetzt. Das gesetzliche Vorausvermächtnis ist subsidiär, steht also nur dann zu, wenn der überlebende Ehegatte das Recht auf Benützung der Ehewohnung nicht schon durch andere erbrechtliche Sonderregelungen erwirbt.
In der Frage, ob der Voraus an der Ehewohnung ein Damnationslegat oder ein Vindikationslegat sei, gehen die Auffassungen auseinander. Bei ersterem erhält der Legatar einen Titel, der ihm einen schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung gewährt. Zum Erwerb des Legats bedarf es des Verfügungsgeschäfts. Bis dahin gehört die Sache zum Nachlaß. Beim Vindikationslegat erwirbt der Legatar mit dem Anfall als Einzelrechtsnachfolger sofort, wie dies § 10 WEG für den Mindestanteil bei einer Eigentumswohnung von Ehegatten vorsieht. Die wohl überwiegenden Lehrmeinungen leiten ua aus § 10 WEG ab, daß der gesetzliche Voraus des überlebenden Ehegatten immer (also auch wenn nur die Benützung des Wohnung Gegenstand des Vermächtnisses ist) ein eo ipso entstehendes Recht des Überlebenden sei, das keines weiteren Übertragungsaktes des (der) belasteten Erben bedürfe (Eccher in Schwimann, ABGB2 Rz 3 zu § 758; im Ergebnis ähnlich Zankl, Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten 148 f mwN aus der uneinheitlichen Lehre). Demgegenüber lehrt Welser, daß das gesetzliche Vorausvermächtnis Damnationslegat sei (Koziol/Welser, Grundriß II10 309 f). Der Streitpunkt betrifft somit den Zeitpunkt des Erwerbs des gesetzlichen Vorausvermächtnisses an der Ehewohnung, was für das Inventar von Bedeutung ist, weil die Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befindet, nach dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu schätzen ist (§ 102 Abs 1 AußStrG). Der Voraus könnte nur dann bei der Ermittlung des Werts der Liegenschaft nach den Bestimmungen des LBG einen wertbestimmenden Faktor darstellen, wenn er schon zum Todeszeitpunkt Rechtsbestand hatte.
Die oberstgerichtliche Rechtsprechung ist bisher zumindest im Ergebnis der Auffassung Welsers gefolgt. Die in SZ 70/47 veröffentlichte Entscheidung betonte, daß der Voraus einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Erben gewähre. Auch eine Liegenschaft mit Haus könne eine Ehewohnung sein. Durch das Vorausvermächtnis sollen nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers dem überlebenden Ehegatten seine bisherigen Lebensverhältnisse erhalten und gesichert werden. Der Tod des Ehegatten soll nicht dazu führen, daß der andere die ihm vertrauten Dinge des Alltags verliert, vielmehr soll der hinterbliebene Ehegatte seine gewohnte Umgebung beibehalten können. Dieses Recht soll also dem überlebenden Ehegatten das "Dach über dem Kopf" auch in jenen Fällen sichern, in denen das nicht ohnehin durch Sondernormen gewährleistet sei. Der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf die Ehewohnung bleibt inhaltlich gleich. Sein bisheriges, gegen den Ehegatten zustehendes Benützungsrecht setzt sich als Anspruch gegen den Vermächtnisschuldner fort. Das Recht, in der Wohnung weiter zu wohnen, ist ein gesetzliches Vorausvermächtnis mit Pflichtteilscharakter und unterliegt grundsätzlich den Regeln des Vermächtnisrechtes (SZ 70/47 mwN). Auch in älteren Entscheidungen wurde auf den obligatorischen Anspruch des Ehegatten gegen den Erben auf Rechtseinräumung zum dauernden Weiterwohnen in der Ehewohnung hingewiesen. Zur Erfüllung genüge jede Art der Rechtseinräumung, die das Wohnen auf Dauer ermögliche. Ein Anspruch auf Einräumung eines dinglichen Rechts bestehe allerdings nicht (SZ 66/102).
Gegen diesen von der Rechtsprechung offenbar für den Rechtserwerb für notwendig erachteten Übertragungsakt (der auf der Überlegung beruht, daß das Gesetz nur den Titel für den Rechtserwerb darstelle) wenden sich mit durchaus beachtenswerten Erwägungen Eccher und Zankl, die im Ergebnis darin übereinstimmen, daß das Gesetz selbst dem überlebenden Ehegatten ein unentgeltliches Wohnrecht einräumt, das nicht - gewissermaßen nochmals - vom Erben eingeräumt werden muß. Es sei schon unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität davon auszugehen, daß der Anspruch auf das Bewohnen der Ehewohnung eo ipso den Anspruch auf das Bewohnen während der Ehe (§ 97 ABGB) fortsetze. Der Erbe müsse kein besonderes Rechtsverhältnis begründen. Er müsse nur das Weiterwohnen des Ehegatten dulden und alles unterlassen, was es gefährde (Zankl aaO 150 ff mwN aus der Lehre).
Unabhängig von der Frage, ob zum Rechtserwerb des Vorausvermächtnisses ein Erfüllungsakt des Erben nötig ist, besteht jedenfalls Einigkeit darüber, daß zwischen dem überlebenden Ehegatten als Gläubiger und dem Erben aufgrund des § 758 ABGB ein gesetzliches Schuldverhältnis besteht (Zankl aaO 118), das den Erben wirtschaftlich belastet und auf das, was er als Erbe oder eben auch als Pflichtteilsberechtigter zu erhalten hat, von Einfluß ist. Kann damit aber - selbst wenn man von einem eo ipso-Entstehen des Voraus zum Todeszeitpunkt ausgeht, gleichzeitig von einer Belastung der Liegenschaft gesprochen werden, die bei der Schätzung des Verkehrswerts berücksichtigt werden müßte?
Die gestellte Frage ist zu verneinen. In der schon zitierten Entscheidung SZ 70/47, mit der über eine Pflichtteilsklage zu entscheiden war, wurde auf den entscheidenden Punkt verwiesen, daß der gesetzliche Voraus des Ehegatten nicht zu den Erblasserschulden und Erbfallsschulden und damit auch nicht wie alle anderen Vermächtnisse zu den Nachlaßpassiva gehört. Der Voraus ist von der Pflichtteilsbemessungsgrundlage nicht abzuziehen. Im Verlassenschaftsverfahren sind testamentarische Vermächtnisse bei der Schätzung nicht zu berücksichtigen (Rabl, Das Nachlaßinventar - Inhalt und Zweck in NZ 1999, 129 [140]). Schon aus dem Vermächtnischarakter des Voraus ist abzuleiten, daß er keine Belastung der in den Nachlaß fallenden Liegenschaft darstellt. Zu Lebzeiten des Erblassers ist das Mitbenützungsrecht des Ehegatten an der dem Ehepartner gehörigen Ehewohnung ein im Familienrecht begründeter obligatorischer Anspruch, der zwar den Ehepartner, nicht aber seine Liegenschaft belastet. Nach dem Tod richtet sich der Anspruch gegen den Erben bzw die Erbengemeinschaft, wozu im Regelfall auch die wohnungsberechtigte Witwe selbst gehört. Gemäß § 789 ABGB ist der Voraus in den eigenen Pflichtteil des überlebenden Ehegatten einzurechnen (Eccher in WoBl 1991, 1; Zankl aaO 125). Der Wert des Voraus kann nur im Pflichtteilsprozeß bindend festgestellt werden.
Damit stellt sich die Frage nach dem Sinn und Zweck der Inventarserrichtung und der Schätzung, wenn im Verfahren nur Erwachsene beteiligt sind. Zankl geht als geradezu selbstverständlich von einem rechtlichen Interesse des Ehegatten an der Schätzung des Wertes des Voraus aus, dies selbst für den Fall des Verzichts auf den Pflichtteil. Es könne zwar dem Ehegatten kein Nachteil daraus erwachsen, daß der Voraus zu gering geschätzt werde, wohl aber drohten Gefahren aus dem umgekehrten Fall, daß der Wert zu hoch angesetzt werde. Da der Voraus durch Einrechnung den Pflichtteil schmälere (§ 789 ABGB) und der Ehegatte mit dem gesetzlichen Vermächtnis zur Befriedigung der Erblassergläubiger beitragen (§ 693 ABGB) und unter Umständen Pflichtteilsberechtigte abfinden müsse, habe er ja dasselbe Interesse an der richtigen Schätzung wie ein Noterbe, nur eben mit umgekehrten Vorzeichen. Der Noterbe werde durch eine zu niedrige Veranschlagung der Nachlaßaktiva verkürzt, der Ehegatte durch eine zu hohe Bemessung des Werts des Voraus (Zankl aaO 166 f). Zankl zeigt jedoch nicht die rechtliche Grundlage auf, warum das gesetzliche Vorausvermächtnis anders als ein letztwillig verfügtes Vermächtnis (etwa ein Fruchtgenuß- oder eben ein Wohnrecht) zu schätzen wäre. Das Interesse der Parteien des künftigen Pflichtteilsprozesess an einer Schätzung des Voraus schon im Verlassenschaftsverfahren zur Vermeidung eines kostspieligen weiteren Verfahrens ist zwar unstrittig. Dieses rein wirtschaftliche Interesse kann aber nicht die Grundlage darstellen, den Voraus als Belastung der Liegenschaft zu behandeln. In der schon zitierten Untersuchung Rabls wurden die praktisch bedeutsamen Anlaßfälle für die Inventarserrichtung und Schätzung sowie die Wirkungen des Inventars dargelegt. Bei diesen (bedingte Erbserklärung nach § 802 ABGB; Antrag des Pflichtteilsberechtigten nach § 804 ABGB; Separationsantrag eines Erbschaftsgläubigers, Legatars oder Noterben nach § 812 ABGB) entfaltet das Inventar keine konstitutive Wirkung, es ist nur eine "Richtschnur für die Beteiligten". Es soll Sachverhaltsgrundlage für die einvernehmliche Aufteilung des Nachlasses (Erbteilung) sein (§§ 165 ff AußStrG). Das Inventar äußert zwar nicht nur im Abhandlungsverfahren selbst Wirkungen, wie dies grundsätzlich in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung immer wieder betont wird (SZ 59/9 uva; zuletzt 6 Ob 151/99w). Damit wird nur auf die fehlende konstitutive Wirkung Bezug genommen. Dies geht deutlich aus vielen vor allem in jüngerer Zeit ergangenen oberstgerichtlichen Entscheidungen hervor, wonach der Inventarserrichtung neben der schon erwähnten Funktion einer Sachverhaltsgrundlage für eine einvernehmliche Einigung auch Beweissicherungsfunktion zukommt (JBl 1990, 583 mwN). Bei einem entsprechenden rechtlichen Interesse solle der Istzustand der Liegenschaft festgestellt und klargestellt werden, welches Zubehör mit welchem Wert dazugehöre (8 Ob 510/93 = RPflSlgA 8300). Der "Istzustand" der Liegenschaft und sein Wert ohne Berücksichtigung des gesetzlichen Voraus sind hier nicht strittig. Aus den allgemeinen Zwecken der Inventarserrichtung läßt sich kein Anhaltspunkt dafür finden, daß der Voraus als Belastung der Liegenschaft zu qualifizieren wäre. Aus der zitierten Judikatur ist jedenfalls abzuleiten, daß ein rechtliches Interesse der Beteiligten für die Frage entscheidend ist, was bei der Inventarserrichtung zu schätzen ist. Die Beteiligten haben Anspruch auf Schätzung der Verlassenschaftsaktiva. Bei der Wertermittlung von Liegenschaften ist schon nach den Bestimmungen des LBG auf die mit der Liegenschaft verbundenen Lasten, die den Wert beeinflussen, Bedacht zu nehmen (§ 3 Abs 3 LBG). Der gesetzliche Voraus ist jedoch aus dem schon angeführten Grund des Vermächtnischarakters keine Belastung der Liegenschaft. Das Interesse der Beteiligten an einer Schätzung kann daher nur ein rein wirtschaftliches zur Vermeidung eines Pflichtteilsprozesses sein. Wenn man dem Standpunkt der Rekurswerber folgte, müßte mit derselben Begründung auch die Schätzung der Vorempfänge eines Miterben schon im Verlassenschaftsverfahren durchgeführt werden. Es ist einsichtig, daß für eine solche Schätzung eine gesetzliche Grundlage fehlt. Dem Revisionsrekurs der Miterben ist daher nicht stattzugeben.