OGH vom 18.08.2004, 4Ob114/04z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Peter H. K*****, vertreten durch Dr. Johann Fontanesi, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. KR Ing. Michael M*****, 2. Dr. Christina M*****, beide vertreten durch Dr. Hans Schreiber, Rechtsanwalt in Wien, wegen 22.012,55 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 176/03p-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 19 Cg 81/03a-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt 22.012,55 EUR sA sowie die Feststellung, dass ihm die Beklagten für die durch die Raucheinwirkung aus dem Brand vom auf der Segelyacht der Beklagten beim Kläger verursachten gesundheitlichen Schäden und deren Folgewirkungen haften. Die Beklagten seien Eigentümer bzw Verfügungsberechtigte eines Bootes, welches in Miami vor Anker liege. Der Kläger habe für die Beklagten den Bootsstegmietvertrag abgeschlossen und ihnen den Vertrag mit dem dringenden Hinweis übermittelt, die vorgeschriebenen Versicherungen abzuschließen Die Beklagten hätten ihn wiederholt ersucht, einen Aufenthalt in Florida einzulegen, um „bezüglich des Bootes nach dem Rechten zu sehen". Der Kläger habe davon ausgehen dürfen, dass das Boot in einem Zustand sei, der für ihn und sein Vermögen bzw die ihm gehörenden Sachen keine Gefahr bilde. Im September 2002 habe er auf Ersuchen der Beklagten das Boot aufgesucht. Er sei am an Bord eingetroffen, habe sein Gepäck in der Hauptkajüte gelassen und das Boot in Betrieb genommen. Das Ladegerät seines Laptops habe er nicht an die Stromversorgung an Bord angeschlossen Als er einige Stunden später zurückgekehrt sei, habe er festgestellt, dass in seiner Abwesenheit ein Brand ausgebrochen sei. Der Brand sei auf eine mangelhafte Stromversorgung zurückzuführen gewesen. Die Beklagten treffe ein Verschulden, weil ihnen eine „Art Nichtaufklärung über den Zustand des Bootes" anzulasten sei. Hätten sie ihn entsprechend aufgeklärt, hätte er sich nicht auf das Boot begeben. Dem Kläger sei enormer (im Einzelnen aufgeschlüsselter) Sach- und gesundheitlicher Schaden entstanden. Durch die Rauchgasentwicklung an Bord habe er sich eine chronische Atemwegserkrankung zugezogen, aufgrund welcher er bis jetzt in ärztlicher Behandlung sei.
Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen. Die Zweitbeklagte sei nicht passiv legitimiert; Eigentümer der Segelyacht sei allein der Erstbeklagte. Die Yacht befinde sich auf einem gemieteten Liegeplatz; den Mietvertrag habe der Kläger unterschrieben. Nach den allgemeinen Bedingungen des Mietvertrags dürfe der Mieter keine Motorwerkzeuge, Ausrüstung, Maschinen oder Ähnliches betreiben, soweit der „Landanschluss" verwendet werde. Im Vertrag werde vom Mieter bestätigt, dass die Yacht mit einem „full marine insurance package" (auch Deckung gegenüber Dritten) versichert sei. Der Kläger habe entgegen dieser Verpflichtung die Versicherung nicht abgeschlossen und auch nicht darauf hingewiesen, dass er diese Risiken nicht versichert habe. Der Kläger habe den Erstbeklagten ersucht, auf der Yacht Quartier nehmen zu dürfen. Der Kläger habe seinen Laptop an eine Steckdose des Bordnetzes angeschlossen, obwohl ihm dies vom Erstbeklagten ausdrücklich untersagt gewesen sei. Durch das Anschließen des Laptops sei es zum Brand gekommen. Reste der Gegenstände, deren Beschädigung der Kläger behaupte, seien weder an Bord noch im Müllcontainer noch neben dem Steg vorgefunden worden. Sollte der Kläger durch Rauchgase Schäden erlitten haben, so habe er sich das selbst zuzuschreiben, da der Brand bereits gelöscht gewesen sei, als er zum Boot zurückgekehrt sei. Durch den Brand sei an der Yacht ein Schaden von 81.992,56 US$ entstanden. Dieser Betrag werde compensando eingewandt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Die Klage sei unschlüssig. Der Kläger habe keine Tatsachen behauptet, die als rechtswidriges Verhalten der Beklagten zu werten wären. Der bloße Umstand, dass die Beklagten den Kläger nicht über den Zustand des Bootes aufgeklärt hätten, begründe keine Haftung. Eine Verkehrssicherungspflicht und eine daraus folgende Verpflichtung zum Tätigwerden setze voraus, dass der Betroffene eine Gefahrenquelle geschaffen habe oder bestehen lasse. Nach dem Vorbringen des Klägers sei der Zustand des Bootes den Beklagten schon deshalb nicht erkennbar gewesen, weil sie nicht in Florida gewesen seien.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Aus dem Klagevorbringen ergebe sich nicht, dass den Kläger eine Verpflichtung zur Geschäftsbesorgung getroffen hätte. Die §§ 1002 ff ABGB seien daher nicht anzuwenden. Die Vornahme rein tatsächlicher Handlungen sei nicht Geschäftsbesorgung. Für bloß bei Gelegenheit der Auftragserfüllung entstandene Schäden käme nur eine Haftung nach § 1015 ABGB in Betracht. Der Kläger berufe sich auf § 48 Abs 1 IPRG und gehe damit selbst davon aus, dass zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis bestanden habe. Nach dem Vorbringen des Klägers hätten die Beklagten ihn aufklären und damit in Österreich handeln müssen. Der vom Handlungsort abweichende Erfolgsort sei ebenso unerheblich wie der Ort des Schadenseintritts. Der Kläger gestehe auch selbst zu, österreichischer Staatsbürger zu sein. Unter Berücksichtigung der Wiener Adresse der Beklagten bestehe damit jedenfalls eine stärkere Beziehung zu Österreich als zum Recht der USA.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.
Der Kläger rügt, dass das Berufungsgericht den von ihm geltend gemachten Schadenersatzanspruch zu Unrecht nach österreichischem Recht beurteilt habe. Da das Boot in Florida vor Anker liege und auch dort registriert sei, sei sein Schadenersatzanspruch nach dem Recht des Staates Florida zu beurteilen. Dieses Recht sehe ähnlich dem EKHG eine Halterhaftung für Boote vor.
Der Kläger hat seinen Schadenersatzanspruch nicht auf eine Halterhaftung der Beklagten, sondern darauf gestützt, dass ihn die Beklagten nicht über den Zustand des Bootes aufgeklärt hätten (AS 35). Außervertragliche Schadenersatzansprüche sind nach § 48 Abs 1 IPRG nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist. Besteht jedoch für die Beteiligen eine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates, so ist dieses Recht maßgebend. In diesem Sinn ist das Recht des Erfolgsortes maßgebend, wenn der Täter typischerweise mit dem Schadenseintritt jenseits der Grenzen des Handlungsstaates rechnen musste. Handlungsstaat ist bei Unterlassungsdelikten jener Staat, in dem der Täter hätte handeln müssen (Schwimann in Rummel, ABGB² § 48 IPRG Rz 4 mwN; ders, Internationales Privatrecht², 64).
Das Recht des Erfolgsorts ist anzuwenden, wenn das nach dem Vorbringen im konkreten Fall den Schaden verursachende Verhalten typischerweise zu einer Schädigung jenseits der Grenze führt (8 Ob 235/74 = SZ 48/28: Pressedelikt in ausländischer Zeitung; 2 Ob 533/95 = ZfRV 1995/47: unberechtigte Einlösung eines auf eine deutsche Bank gezogenen Schecks durch eine österreichische Bank im Kleinen Walsertal). Im vorliegenden Fall muss die - vom Kläger letztlich behauptete - „Art Nichtaufklärung über den Zustand des Bootes" (AS 35) und damit die mangelnde Aufklärung über den Zustand eines im Ausland gelegenen Bootes typischerweise zur Schädigung im Ausland führen, nachdem der Schaden auf den Ausbruch eines Brandes auf dem Boot zurückgeführt wird. Damit ist an den Erfolgsort anzuknüpfen; Erfolgsort ist Miami, so dass das Recht des US-Bundesstaates Florida maßgebend ist. Welche Staatsangehörigkeit der Kläger besitzt, ist bei dieser Sachlage nicht maßgebend.
Ohne Kenntnis des anwendbaren Rechts kann die Frage, ob das Vorbringen des Klägers schlüssig ist, nicht beurteilt werden. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass jede Rechtsordnung die Ersatzpflicht für Schäden durch mangelnde Aufklärung davon abhängig macht, dass die Tatsache, über die aufzuklären gewesen wäre, dem dazu Verpflichteten bekannt war oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bekannt sein müssen. Ein Rechtssatz, wonach der Eigentümer über von seinem Eigentum ausgehende Gefahren immer aufklären muss und ihn eine verschuldensunabhängige Haftung trifft, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.
Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren die maßgebenden Bestimmungen des Rechtes des US-Bundesstaats Florida zu ermitteln und anzuwenden haben.
Der Revision war Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.