OGH vom 03.11.2005, 6Ob183/05p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mesut Ö*****, vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei R***** KEG, *****, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abgabe einer Erklärung, Unterlassung und Überlassung von Rechten, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 31/05y-11, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 31 Cg 116/04z-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig
1. dem Vermieter des Geschäftslokals in *****, gegenüber den Verzicht auf ihre Rechte als Mitmieter zugunsten der klagenden Partei zu erklären, sodass die klagende Partei vorbehaltlich der Genehmigung durch den Vermieter Alleinmieter des Geschäftslokals wird;
2. die Nutzung des zu 1. genannten Geschäftslokals zu unterlassen;
3. der klagenden Partei ihre Rechte an sämtlichen Einrichtungsgegenständen sowie der gesamten Geschäftsausstattung des zu 1. genannten Geschäftslokals zu überlassen, abgewiesen wird.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 3.216,44 EUR (darin 552,74 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 2.438,40 EUR (darin 406,40 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.744,92 EUR (darin 282,57 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war stiller Gesellschafter der beklagten KEG, die ein gastgewerbliches Unternehmen in Wien betrieb.
Im Vertrag vom bestätigte die beklagte KEG zunächst, dass der Kläger als stiller Gesellschafter 35.000 EUR schon eingezahlt hat und verpflichtete sich zur Rückzahlung dieses Betrages in Teilbeträgen zum bzw zum . Für den Fall der Säumnis verpflichtete sich die Beklagte, ihre Mietrechte am Geschäftslokal zugunsten des Klägers aufzugeben, sodass dieser „alleiniger Hauptmieter dieses Geschäftslokals wird". Ferner wurde vereinbart, dass auch „alle anderen Rechte am Lokal, bzw den Einrichtungsgegenständen und anderen Sachen" auf den Kläger übergehen. Für den Fall termingerechter Rückzahlung durch die Beklagte stellten die Vertragsparteien fest, dass der Kläger mit Wirkung aus der Gesellschaft als stiller Gesellschafter ausscheidet. Die KEG leistete keine Rückzahlungen.
Der Kläger begehrt - gestützt auf die zitierte Vereinbarung -, die Beklagte dazu zu verpflichten, dass sie gegenüber dem Vermieter des Geschäftslokals die Erklärung abgibt, aus dem Bestandverhältnis auszuscheiden, die Nutzung des Geschäftslokals zu unterlassen und dem Kläger die Rechte an sämtlichen Einrichtungsgegenständen und der gesamten Geschäftsausstattung zu überlassen. Die Beklagte habe nicht einmal die erste Teilzahlung geleistet. Der Eigentümer des Geschäftslokals habe vorab seine Zustimmung zum Ausscheiden der Beklagten aus dem Bestandverhältnis erklärt.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Die Vereinbarung vom sei nichtig und sittenwidrig, weil sie in Ausnützung einer Zwangslage der Beklagten geschlossen worden sei. Der vereinbarte Verfall des Gastgewerbeunternehmens sei gesetzlich unzulässig. Der Wert der Investitionen der Beklagten im Lokal übersteige 90.000 EUR. Es lägen Wucher und eine Verkürzung über die Hälfte vor. Die Übertragung der Mietrechte sei rechtlich unmöglich.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren schon aufgrund der oben wiedergegebenen Vereinbarung und des Umstands der Säumnis der Beklagten statt. Eine Zwangslage bei Vertragsabschluss habe die Beklagte nicht näher ausgeführt. Das Unternehmen sei nicht als Pfand oder Sicherheit hingegeben worden. Die Gesellschafter hätten nur eine Vereinbarung über das weitere Schicksal der gemeinsamen Sache getroffen. Die Frage, ob der Vermieter der Übertragung der Mietrechte zustimme, ändere nichts an der vertraglichen Verpflichtung der Beklagten, gegenüber dem Vermieter die vereinbarte Erklärung über das Ausscheiden aus dem Bestandverhältnis abzugeben. Da ein Handelsgeschäft vorliege, sei die Berufung auf § 934 ABGB ausgeschlossen. Der Wuchereinwand sei unsubstantiiert geblieben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Die Bestimmung des § 1371 ABGB über den Pfandverfall bei Verzug des Schuldners könnte hier schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil ein Pfandvertrag (§ 1368 ABGB) hier nicht vorliege. Es fehle an einer Pfandbestellung unter Einräumung der Sachherrschaft.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und das die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist wegen Erheblichkeit der Rechtsfrage zur Anwendbarkeit des § 1371 ABGB zulässig und auch berechtigt.
Nach § 1371 ABGB sind alle der Natur des Pfand- und Darlehensvertrags entgegenstehende Bedingungen und Nebenverträge ungültig; dahin gehört insbesondere die Verabredung, dass nach der Verfallszeit der Schuldforderung das Pfandstück dem Gläubiger zufalle (sog „Verfallsklausel"). Schutzzweck ist es, den Schuldner vor dem Verlust des ganzen, meist wertvolleren Pfandes zu bewahren, den er beim Abschluss des Vertrags zu vermeiden hoffte (SZ 68/199; Hofmann in Rummel3 II/3 § 1371 ABGB Rz 3).
Das Berufungsgericht begründete seine Ansicht über die Unanwendbarkeit des § 1371 ABGB im Wesentlichen nur damit, dass hier kein Pfandvertrag (§ 1368 ABGB) geschlossen worden sei. Diese Begründung greift zu kurz, weil Verfallsklauseln nach Lehre und Rechtsprechung auch bei anderen Sicherungsgeschäften analog § 1371 ABGB als unzulässig qualifiziert werden, insbesondere bei der Sicherungsübereignung und der Sicherungsabtretung (SZ 24/303; SZ 46/24; 4 Ob 274/99f; RIS-Justiz RS0032409; Hofmann in Rummel aaO Rz 1; Koziol/Welser, Bürgerl Recht12 I 368) oder bei der Einräumung einer Verkaufsvollmacht zur Sicherstellung einer Darlehensrückzahlung (5 Ob 295/01w = SZ 2002/2). Das Verbot der Verfallsklausel ist auf einen nicht dinglich gesicherten Gläubiger analog anzuwenden (SZ 68/199; Hofmann aaO). Diesen Fällen kommt die hier gewählte Vertragskonstruktion durchaus nahe (Sicherungsabtretung der Mietrechte; Verpfändung der Geschäftseinrichtung). Entscheidend ist auch hier der bereits oben erwähnte Rechtschutzgedanke, dass der Schuldner vor dem Verlust des ganzen, meist wertvolleren Sicherungsobjektes zu bewahren ist, den er beim Abschluss des Vertrags zu vermeiden hoffte.
Entgegen der schon vom Erstgericht vertretenen und nun in der Revisionsbeantwortung vom Kläger vorgetragenen Ansicht ist § 1371 ABGB hier nicht schon deshalb unanwendbar, weil Gesellschafter eine Vereinbarung über das weitere Schicksal der gemeinsamen Sache getroffen haben und der „Revisionsgegner" (gemeint aber: der Kläger) weder Pfandgläubiger noch Darlehensgeber sondern eben Gesellschafter ist. Entscheidend ist der Sicherungszweck, der mangels entgegenstehender Parteibehauptungen unzweifelhaft schon aus der geschlossenen Vereinbarung ableitbar ist. Auch in der zitierten Entscheidung SZ 68/199 ging es um eine Auseinandersetzung unter Gesellschaftern. Die Erwerber von Geschäftsanteilen hatten mangels anderer finanzieller Möglichkeiten zur Absicherung der Abtretenden diesen den Erwerb einer Liegenschaft um einen vorbestimmten Kaufpreis angeboten. Der Oberste Gerichtshof gelangte zum Ergebnis, dass das Verbot der Verfallsklausel nach § 1371 ABGB auch auf eine entsprechende Vereinbarung mit einem dinglich nicht gesicherten Gläubiger analog anzuwenden sei, weil die Interessenlage der Beteiligten die Gleiche sei. Das Verfallsverbot sei ein allgemeines Prinzip der Rechtsordnung. Es liege keine planwidrige Gesetzeslücke vor. § 1371 ABGB setze nicht voraus, dass der Gläubiger schon Verfügungsmacht über den zur Sicherung dienenden Gegenstand haben müsse, andernfalls könnte das Verbot der Verfallsnorm ohne weiteres leicht umgangen werden. Dieser rechtlichen Beurteilung ist auch hier zu folgen und der Revision der Beklagten daher stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, diejenige über die Kosten der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO. Für die Revision gebührt - anders als für die Berufung (§ 23 Abs 9 RATG) - nicht der dreifache Einheitssatz.