OGH vom 11.08.2015, 4Ob113/15v

OGH vom 11.08.2015, 4Ob113/15v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH Co KG, *****, Deutschland, vertreten durch Mag. Hubertus Rohracher, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei „E*****“ Handels GmbH, *****, vertreten durch Riesemann Rechtsanwalts GmbH in Graz, wegen 66.538,28 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 124/14s 41, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ein im Zusammenhang mit der Erledigung der Beweisrüge behaupteter Verfahrensmangel liegt nur vor, wenn sich das Berufungsgericht damit überhaupt nicht befasst hat (RIS Justiz RS0043371). Das Berufungsgericht setzte sich mit der Beweisrüge der beklagten Partei ausführlich auseinander. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Kaufverträge können Ziel- und/oder Dauerschuldverhältnisse begründen. Dabei ist der Parteiwille auszulegen ( Schurr in Schwimann , ABGB-TaKom 2 § 1053 Rz 10). Ob Verträge im Einzelfall richtig ausgelegt wurden, stellt aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS Justiz RS0042936), was hier zu verneinen ist. Mit ihren Ausführungen, dass das Berufungsgericht zu Unrecht das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses verneint hat, zeigt das Rechtsmittel daher keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf (vgl zB 8 Ob 607/84).

3.1 Bei einem Zielschuldverhältnis richtet sich die Dauer des Rechtsverhältnisses nach den zu erbringenden Leistungen, beim Dauerschuldverhältnis der Umfang der zu erbringenden Leistungen nach der Dauer des Schuldverhältnisses (RIS Justiz RS0018819). Die Abgrenzung zwischen Dauerschuldverhältnis und Zielschuldverhältnis stellt allerdings nicht allein darauf ab, ob das Gesamtausmaß der in Teilen zu erbringenden Leistung bestimmt oder doch objektiv bestimmbar ist. Entscheidend ist vielmehr, ob nach Absicht der Parteien die Dauer des Rechtsverhältnisses im Vordergrund steht und sich danach die Erfüllung bestimmt, die solange fortzusetzen ist, als das Rechtsverhältnis dauert, oder ob umgekehrt die Leistung bestimmend ist, sodass das Rechtsverhältnis solange währt, als noch Erfüllungsleistungen ausständig sind (RIS Justiz RS0018823; vgl auch RS0018948).

3.2 Aufgrund der getroffenen Feststellungen haben die Vorinstanzen die zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufverträge jedenfalls vertretbar dahin ausgelegt, dass sich über die Einzelverträge hinaus weder die beklagte Partei zur Abnahme von Produkten der klagenden Partei noch die klagende Partei zur dauerhaften Belieferung der beklagten Partei verpflichtet hat, zumal die Parteien etwa vereinbart haben, dass man die Bedingungen für die Lieferung und den Erwerb der Produkte „immer wieder … neu aushandeln würde“. Die Annahme von einzelnen Zielschuldverhältnissen durch die Vorinstanzen und die Verneinung des als Gegenforderung eingewandten Schadenersatzanspruchs wegen unterbliebener (weiterer) Lieferungen durch die klagende Partei bedarf keiner höchstgerichtlichen Korrektur, zumal das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses nicht allein aus der langjährigen Geschäftsverbindung abgeleitet werden kann.

4. Schon die Natur eines Zielschuldverhältnisses schließt aus, dass die klagende Partei weitere Lieferungen nur nach einer angemessenen Kündigungsfrist unterlassen hätte dürfen. Zielschuldverhältnisse enden mit der vollständigen Erfüllung ( Wiebe in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 § 859 Rz 23 ), weshalb die klagende Partei nach der Erfüllung der einzelnen Kaufverträge nicht gehalten war, die Geschäftsbeziehung fortzusetzen oder diese mit einer Gestaltungserklärung (Kündigung) aufzulösen.

5. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den im Rechtsmittel zitierten Entscheidungen 4 Ob 516/93 (ÖBA 1993/420) und 7 Ob 623/94 (ÖBA 1995/154). Für die Abgrenzung eines Dauerschuld- von einem Zielschuldverhältnis ist daraus nichts zu gewinnen. In diesen Entscheidungen ging es vielmehr um die davon unabhängige Haftung eines Kreditunternehmens für eine unrichtige Anlegerberatung bzw eine falsche Auskunft.

6. Vom Berufungsgericht wurde das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses auch im Zusammenhang mit dem behaupteten Vertragshändlervertrag bzw Generalvertriebsvertrag jedenfalls vertretbar verneint. Für einen Vertragshändlervertrag ist vor allem die Vereinbarung eines Alleinvertriebsrechts üblich (RIS Justiz RS0062584 ). Die Zusage des Alleinvertriebs enthält die Verpflichtung des Herstellers, unmittelbare Lieferungen in das Vertragsgebiet zu unterlassen (RIS Justiz RS0053898 [T1]). Nach den Feststellungen wurde aber ein derartiges Alleinvertriebsrecht der beklagten Partei nicht vereinbart. Vielmehr erwarben auch andere österreichische Unternehmen die Produkte (direkt) bei der klagenden Partei. Daneben wurde von der beklagten Partei im erstinstanzlichen Verfahren das Vorliegen sonstiger Elemente eines Vertragshändlervertrags, etwa eine Bezugsbindung, Kontrollrechten der klagenden Partei oder die Einbindung der beklagten Partei in der Vertriebsstruktur der klagenden Partei weder behauptet noch nachgewiesen.

7.1 Schließlich kann auch der Hinweis auf das Vorliegen eines Rahmenvertrags keine erhebliche Rechtsfrage begründen, weil der von der beklagten Partei eingewandte Schadenersatzanspruch wegen unterbliebener (weiterer) Lieferungen das Bestehen einer dauerhaften Lieferverpflichtung der klagenden Partei voraussetzt. Eine solche Lieferverpflichtung ist aber mit einer Rahmenvereinbarung nicht notwendigerweise verbunden (2 Ob 575/93 mwN; 7 Ob 76/01d; Wiebe in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 § 861 Rz 9). Der Rahmenvertrag oder Mantelvertrag verpflichtet mangels entsprechender Zusatzvereinbarung (Abnahme- oder Lieferverpflichtung) nicht zum Abschluss eines weiteren Vertrags ( Gruber in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 936 Rz 7).

7.2 Die von der beklagten Partei aufgeworfene Frage, ob sich aus der lang andauernden Geschäftsbeziehung ein mit einer Lieferverpflichtung gekoppelter Rahmenvertrag ergibt, hängt abgesehen von den dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Feststellungen der Vorinstanzen über den Vertragswillen der Parteien zudem von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl etwa 2 Ob 575/93) und begründet auch deshalb keine erhebliche Rechtsfrage.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00113.15V.0811.000