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OGH vom 21.12.1993, 1Ob611/93

OGH vom 21.12.1993, 1Ob611/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am verstorbenen, in ***** wohnhaft gewesenen Leopoldine E***** infolge Rekurses des erbl. Neffen Johann T*****, vertreten durch Dr. Franz Müller, Rechtsanwalt in Kirchberg am Wagram, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom , GZ R 498,499/93-18, womit der Rekurs des erbl. Neffen Johann T***** gegen den Beschluß und die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Tulln vom , GZ A 161/93-9 und 10, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am Verlassenschaftsverfahren war nur eine erbl. Nichte beteiligt, die dort auf Grund des Testaments vom zum gesamten Nachlaß die unbedingte Erbserklärung abgab und das eidesstättige Vermögensbekenntnis erstattete.

Mit Beschluß vom nahm das Erstgericht u.a. die unbedingte Erbserklärung der erbl. Nichte zu Gericht an, hielt deren Erbrecht für ausgewiesen, erachtete das erbl. Testament als erfüllt und erklärte das Verlassenschaftsverfahren mit Rechtskraft der Einantwortungsurkunde für beendet. Mit gleichzeitig erlassener Einantwortungsurkunde wurde der Nachlaß der unbedingt erbserklärten Erbin auf Grund des Testaments vom zur Gänze eingeantwortet und - mit der „Verbücherungsanordnung“ - angekündigt, daß auf Grund der Ergebnisse der Verlassenschaftsabhandlung auf einer näher bezeichneten, zum Nachlaß gehörigen Liegenschaft das Eigentumsrecht für die erbl. Nichte einzuverleiben sein werde.

Den gegen den Mantelbeschluß und die Einantwortungsurkunde gerichteten Rekurs des erbl. Neffen (Bruders der Erbin) wies das Gericht zweiter Instanz zurück und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, dem Legatar stehe das Recht zum Rekurs nur gegen solche abhandlungsgerichtliche Verfügungen zu, die entweder in dessen gemäß §§ 811 ff ABGB festgelegten Rechte oder unmittelbar in dessen Vermögensrechte eingriffen. Ersteres behaupte der erbl. Neffe nicht; er stützte sein Rechtsmittel vielmehr bloß darauf, daß er vom Gerichtskommissär bei einer Vorsprache trotz Vorlage einer Abschrift einer letztwilligen Verfügung der Erblasserin vom nicht über die Möglichkeit zur Antragstellung nach § 178 AußStrG belehrt worden sei. Im übrigen sei er von der Erbin von dem ihm zugefallenen Legat nicht verständigt worden. Seinem Vorbringen zufolge habe er vom Vermächtnis bereits zu einem Zeitpunkt Kenntnis gehabt, in dem er seine Rechte noch im Verlassenschaftsverfahren durch Antragstellung nach der genannten Gesetzesstelle hätte wahren können. Durch die Unterlassung der Verständigung seitens der Erbin sei er somit nicht beschwert. Im übrigen werde mit der Einantwortung in die Vermögensrechte des erbl. Neffen nicht unmittelbar eingegriffen. Die in der Verbücherungsanordnung liegende Ankündigung sei nicht der Rechtskraft fähig und hindere das Gericht auch nicht, bei Verbücherung der Einantwortungsurkunde erneut zu prüfen, wie die Einverleibung des Eigentumsrechts der Erben vorzunehmen sei. Da Forderungsrechte eigenberechtiger Legatare die Einantwortung nicht hemmen könnten, werde durch die Verbücherungsanordnung in der Einantwortungsurkunde in die Vermögensrechte des erbl. Neffen nicht unmittelbar eingegriffen. Auch sei weder das Abhandlungsgericht noch der Gerichtskomissär verpflichtet, den Legatar von Amts wegen zur Antragstellung gemäß § 178 AußStrG anzuleiten. Diese Verpflichtung bestehe nur schutzbefohlenen Vermächtnisnehmern gegenüber. Im übrigen könne der Legatar, habe er einen Antrag gemäß § 178 AußStrG gestellt, einen hierüber erklärten Beschluß ohnedies anfechten, sodaß es zur Wahrung seiner aus dieser Gesetzesstelle abzuleitenden Rechte nicht auch noch der Einräumung der Beteiligtenstellung im Verlassenschaftsverfahren bedürfe. Sollte der Rekurswerber beim Gerichtskommissär tatsächlich - wie er behauptet - einen Antrag auf „Zuweisung des ihm vermachten Legats“ gestellt haben, werde das Erstgericht, erforderlichenfalls nach weiteren Erhebungen, über diesen Antrag mittels eines vom Mantelbeschluß und von der Einantwortungsurkunde losgelösten, gesondert anfechtbaren Beschlusses zu entscheiden haben.

Der Revisionsrekurs des erbl. Neffen ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die jüngere Rechtsprechung (ZfRV 1989, 153 u.va.; zuletzt wieder 1 Ob 633/91) billigt dem Vermächtnisnehmer als Nachlaßgläubiger (§ 688 iVm § 811 ABGB) die Beteiligtenstellung im Verlassenschaftsverfahren und damit auch das Rechtsmittelrecht soweit zu, als durch eine abhandlungsgerichtliche Entscheidung oder Verfügung entweder in seine ihm gemäß den §§ 811, 812 und 815 ABGB gebührenden Rechte oder sonst unmittelbar in seine Vermögensrechte eingegriffen wird. Eingriffe in solche Rechte führt der erbl. Neffe indes mit seinem Rechtsmittel nicht ins Treffen. Er erachtet sich vielmehr deshalb als beschwert, weil die Erbin der ihr nach § 817 zweiter Satz ABGB auferlegten Verpflichtung, ihn von dem ihm zugefallenen Legat zu benachrichtigen, nicht nachgekommen sei, und der Gerichtskommissär sein mündlich vorgetragenes Vorbringen, ihm das in der gleichzeitig vorgelegten letztwilligen Verfügung der Erblasserin vom ausgesetzte Vermächtnis - den Hälfteanteil an der in den Nachlaß gefallenen Liegenschaft - „zuzuweisen“, nicht entgegengenommen bzw das Abhandlungsgericht über diesen Antrag (daher) nicht befunden habe. Damit beruft sich der erbl. Neffe jedoch auf keinen solchen Eingriff in seine Rechtsstellung, der ihm die Beteiligtenstellung und somit auch das Rekursrecht vermitteln würde:

Da er selbst vorgebracht hat (ON 16, S. 4), er habe dem Gerichtskommissär im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung die letztwillige Verfügung vorgelegt und die Zuweisung seines Legats begehrt, wäre sein für die Verfolgung seiner Rechte bestimmender Wissensstand durch die dem Erben obliegende Benachrichtigung vom Vermächtnis (§ 817 zweiter Satz ABGB;§ 161 Abs. 1 AußStrG) nicht vermehrt worden, sodaß seine Rechtsstellung durch die Unterlassung seiner Benachrichtigung nicht beeinträchtigt worden ist. Durch diese Unterlassung kann der erbl. Neffe daher - wie schon das Rekursgericht zutreffend bemerkt - nicht beschwert sein.

Im übrigen müßte ihm das Rechtsmittelrecht selbst dann verwehrt werden, wenn sich seine Behauptungen bewahrheiten ließen, er habe beim Gerichtskommissär die Zuweisung seines Vermächtnisses begehrt, dieser habe ihn jedoch nicht zu einem Antrag auf Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäß § 178 AußStrG angeleitet:

Für die Sicherung der im Sinne des § 161 Abs 1 AußStrG „übrigen“ Vermächtnisse - also jener Legate, die weder den im § 159 Abs. 1 noch im § 160 Abs. 1 AußStrG genannten schutzbefohlenen Personen ausgesetzt wurden -, ist von Amts wegen nicht Sorge zu tragen; das Nachlaßgericht wäre hiezu nicht berechtigt, weil ihm bei der Eintreibung von Vermächtnissen - sieht man von der Ausstellung von Amtsbestätigungen gemäß § 178 AußStrG ab - keine Mitwirkungskompetenz zukommt (Welser in Rummel, ABGB2 § 817 Rz 7 mN aus der RSpr.). Den Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung im Sinne des § 178 AußStrG hat der erbl. Neffe in Kumulierung mit dem Rekurs gegen die Einantwortungsurkunde und den Mantelbeschluß an die zweite Instanz auch gestellt; über diesen Antrag wird das Erstgericht noch zu entscheiden haben, daß seine Zuständigkeit hiezu nicht etwa deshalb verneinen dürfte, weil die Einantwortungsurkunde mittlerweile in Rechtskraft erwachsen ist: Die (individuelle) Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts (§ 105 JN) überdauert nämlich die (rechtskräftige) Einantwortung des Nachlasses, soweit danach Aufgaben zu besorgen sind, die noch zur Abhandlungspflege zu rechnen sind; dazu gehört die vom Vermächtnisnehmer begehrte Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäß § 178 AußStrG ebenso wie die Durchführung der Substitutionsabhandlung (§ 26 AußStrG), die Nachtragsabhandlung (§ 179 Abs. 1 AußStrG) und die amtswegige Verbücherung der Ergebnisse der Verlassenschaftsabhandlung gemäß § 29 LiegTeilG.

Da der erbl. Neffe somit in seiner Rechtsstellung selbst dann, wenn sich seine Behauptungen bewahrheiteten, durch die beanstandeten Vorgänge nicht beeinträchtigt worden wäre, hat das Gericht zweiter Instanz mit Recht den von ihm zu erledigenden Rekurs mangels Beschwer des erbl. Neffen zurückgewiesen.

Dem Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist deshalb ein Erfolg zu versagen.