OGH vom 14.07.2022, 1Ob122/22f

OGH vom 14.07.2022, 1Ob122/22f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als
Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin
Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache
der klagenden Partei H*, vertreten durch Dr. Christoph Kopecky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte
Partei G*, vertreten durch Dr. Tanja Gewolf-Mulley, Rechtsanwältin in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 282.764,27 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 278.764,27 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 15/22y-34, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Richtig ist, dass zu den essentiellen Erfordernissen eines Darlehensvertrags das Versprechen der Rückzahlung gehört (RS0019325 [T1, T7]). Mit seiner Behauptung, den Feststellungen sei kein Versprechen seinerseits zur Rückzahlung des ihm von der Klägerin – seiner Mutter – am übergebenen Geldbetrags von 150.000 EUR zu entnehmen, entfernt sich der Beklagte allerdings, worauf ihn bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat, vom festgestellten Sachverhalt.

[2] Demnach vereinbarten die Parteien am genannten Tag, dass die Klägerin dem Beklagten zur Anschaffung einer Wohnung 150.000 EUR borge, und unterzeichneten eine Urkunde mit dem Titel „Schuldschein“, in der der Beklagte erklärte, der Klägerin 150.000 EUR zu schulden. Weiters wurde in der Urkunde unter anderem festgehalten, dass mit dem Tod des Schuldners dieser Betrag sofort fällig werde. Die Klägerin und der Beklagte trafen zwar keine konkrete Vereinbarung über die Modalitäten der Rückzahlung, der Beklagte sagte der Klägerin aber zu, das Geld in der Zukunft zurückzuzahlen.

[3] Der Ansicht des Revisionswerbers, es liege mangels Rückzahlungsverpflichtung kein Darlehensvertrag, sondern ein „Scheinvertrag“ vor, worunter er offenbar einen Vertrag versteht, der die Klägerin (nur) dahingehend absichern sollte, dass bei Vorversterben des Beklagten der im Schuldschein ausgewiesene Betrag von dessen Erben zurückgezahlt werde, ist schon aus diesem Grund der Boden entzogen.

[4] 2. Der Darlehensvertrag begründet ein Dauerschuldverhältnis. Er kann auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden (§ 986 Abs 1 ABGB). Eine Befristung muss ausreichend bestimmt und unzweifelhaft vereinbart werden. Der Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags muss von vornherein objektiv feststellbar und darf nicht vollkommen ungewiss sein. Die Laufzeit kann sich auch aus dem Zweck des Vertrags oder aus der Parteienabsicht ergeben (8 Ob 114/17y = RS0131783). Ob die konkrete Vertragsgestaltung diesen Grundsätzen entspricht, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Dabei handelt es sich um eine typische Einzelfallbeurteilung, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet (8 Ob 114/17y = RS0131783 [T1]), sofern nicht infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl RS0042936). Das gilt auch dann, wenn eine andere Auslegung ebenfalls vertretbar wäre (RS0112106 [T3, T4]).

[5] Die Vorinstanzen gelangten hier übereinstimmend zu der Auffassung, dass ein unbefristeter Darlehensvertrag vorliege, weil die Parteien zwar eine Rückzahlung vereinbart, dafür aber keinen konkreten Zeitpunkt festgelegt hätten. Die Klausel im Schuldschein, wonach mit dem Tod des Schuldners die Rückzahlung sofort fällig werde, könne nur als
Festlegung einer Höchstvertragsdauer, nicht jedoch als (Mindest)Befristung mit dem Tod des Beklagten verstanden werden.

[6] Der Revisionswerber zeigt nicht auf, dass die Vorinstanzen mit dieser Vertragsauslegung den ihnen zukommenden Beurteilungsspielraum überschritten hätten. Die von ihm präferierte Auslegung, der Darlehensbetrag könne erst ab dem Zeitpunkt seines Todes zurückgefordert werden, steht mit der Feststellung nicht im Einklang, dass er zusagte, das Geld in der Zukunft zurückzuzahlen (und nicht etwa zusagte, erst seine Erben würden der Klägerin das Geld zurückzahlen).

[7] 3. Dem Einwand des Beklagten, es sei ihm niemals eine den Formvorschriften entsprechende Fälligstellung zugegangen, hat das Erstgericht entgegengehalten, dass die Kündigung eines unbefristeten Darlehensvertrags formlos möglich ist und die
Zustellung einer Klage auf Darlehensrückzahlung die Darlehensaufkündigung ersetzt (RS0017258 [T3]), womit die Fälligkeit herbeigeführt wurde. Mit dieser Beurteilung hat sich der Beklagte schon in seiner Berufung nicht weiter auseinandergesetzt.

[8] 4. Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317). Wenn zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich auch keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RS0053317 [T1]).

[9] Das gilt nicht nur für das – entgegen der
Meinung des Beklagten – ausdrücklich festgestellte Rückzahlungsversprechen. Auch seine Behauptung, er habe beginnend mit 2012 der Klägerin über drei bis vier Jahre hindurch monatlich 500 EUR übergeben und der Restbetrag sei ihm schenkungsweise erlassen worden, ist durch die Feststellung widerlegt, dass er keinerlei Rückzahlungen geleistet habe.

[10] 5. Die Anspruchsgrundlagen für den über 150.000 EUR hinausgehenden Zuspruch an die Klägerin spricht der Beklagte in seiner Revision gar nicht mehr an.

[11] 6. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00122.22F.0714.000

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