OGH vom 30.08.2016, 1Ob122/16x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** C*****, vertreten durch die Mag. Günter Novak Kaiser Rechtsanwalts GmbH, Murau, gegen die beklagte Partei C***** C*****, vertreten durch Mag. Britta Schönhart Loinig, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 45/16s 61, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Murau vom , GZ 1 C 28/14i 51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
B e g r ü n d u n g :
Rechtliche Beurteilung
1. Soweit der Revisionswerber der Rechtsansicht des Berufungsgerichts entgegentritt, ohne Rücksicht auf eine allenfalls getroffene Rechtswahl ergebe sich die Anwendung österreichischen materiellen Rechts aus Art 8 lit b der Verordnung (EU) Nr 1259/2010 des Rates vom zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III VO), weil die Ehegatten ihren letzten (gemeinsamen) gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt hätten und die Klägerin nach wie vor in Österreich aufhältig sei, erörtert er keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen.
In erster Linie setzt er sich mit der österreichischen höchstgerichtlichen Judikatur zum Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ auseinander, die aber für den vorliegenden Fall keine erhebliche Bedeutung hat, ist dieses Tatbestandsmerkmal der einschlägigen europarechtlichen Vorschrift doch verordnungsautonom auszulegen. Dazu enthält die Revision allerdings keine Ausführungen.
Im Übrigen geht der Revisionswerber auch nicht vom vollständigen festgestellten Sachverhalt aus. Nach den Feststellungen des Erstgerichts sind die Streitteile im März 2014 übereingekommen, in das Haus in Österreich zu ziehen und dort mit den Kindern bis September 2016 zu wohnen. Der Beklagte organisierte im Juli 2014 auch eine „Umzugsfirma“, die nahezu den gesamten Wohnungsinhalt des früher gemeinsam bewohnten Hauses in Belgien nach Österreich brachte. Nachdem die Klägerin die Vorarbeiten der Übersiedlung geleistet hatte, kam der Beklagte am nach. Nachdem sich gezeigt hatte, dass ein gemeinsames Wohnen für die Familie nicht erträglich war, verpflichtete er sich „die eheliche Wohnung“ in Österreich zu verlassen, was er in der Folge auch tat. Seine Darstellung in der Revision, er habe bereits am Tag seiner Ankunft beschlossen, dass er nicht ins österreichische Haus ziehen wolle, entspricht zwar einer getroffenen Tatsachenfeststellung, doch hat das Erstgericht ebenso festgestellt, dass er nach zwei oder drei Tagen seinen Widerstand aufgab und meinte, dass er das Untergeschoß des Hauses für sich herrichten würde, und sich in der Folge auch ins Familienleben involvierte.
2. Erstmals in der Revision stellt der Beklagte die Behauptung auf, die ihm vom Erstgericht als schwere Eheverfehlungen iSd § 49 EheG vorgeworfenen Verhaltensweisen könnten ihm nicht subjektiv vorgeworfen werden, weil diese auf seine Krankheit(en) zurückzuführen seien. Diese Ausführungen müssen als in diesem Verfahrensstadium unzulässige Neuerungen (§ 504 Abs 2 ZPO) unbeachtlich bleiben. Im Verfahren erster Instanz hat er die entsprechenden Vorwürfe der Klägerin bestritten, keineswegs aber als krankheitsbedingt dargestellt.
3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin kein (ins Gewicht fallendes) Verschulden an der Zerrüttung der Ehe vorzuwerfen ist, ist unbedenklich und wird von den Revisionsausführungen in keiner Weise erschüttert. Diese sind auch insofern unschlüssig, als der Beklagte gar nicht behauptet, dass das angesprochene Verhalten der Klägerin zur Zerrüttung beigetragen hätte.
4. Unverständlich sind schließlich die Revisionsausführungen zu einer möglichen Alkoholkrankheit des Beklagten. Soweit er sich in diesem Zusammenhang auf ein von ihm vorgelegtes neurologisches Gutachten beruft, liegt offenbar der unzulässige Versuch der im Revisionsverfahren nicht in Betracht kommenden Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen vor. Welche für ihn günstigen Konsequenzen es haben sollte, wenn die Vorinstanzen festgestellt hätten, dass er (mit Sicherheit) nicht alkoholkrank ist, ist nicht erkennbar. Gerade wenn sein festgestellter Alkoholkonsum, der zu sehr belastenden Auseinandersetzungen in der Familie geführt hatte, nicht krankhaft gewesen sein sollte, wäre er ihm doch umso mehr als schuldhaftes Fehlverhalten vorzuwerfen.
5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00122.16X.0830.000