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OGH vom 14.07.2022, 1Ob121/22h

OGH vom 14.07.2022, 1Ob121/22h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Parzmayr und Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH, *, vertreten durch die DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, und den Nebenintervenienten Dr. K* K*, gegen die beklagte Partei L* S*, vertreten durch Mag. Andreas Greger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 140.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 13 R 55/22m99, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die klagende Werkunternehmerin begehrt vom beklagten Konsumenten die Zahlung von 140.000 EUR sA. Dieses Begehren setzt sich zusammen aus dem restlichen Entgelt für Planungsleistungen von 117.863,67 EUR und dem Honorar für „Regieleistungen“ von 22.136,33 EUR für die Beratung des Beklagten in einem Rechtsstreit.

[2] Das Berufungsgericht wies – in Abänderung des Urteils des Erstgerichts – das Klagebegehren zur Gänze ab, weil der Anspruch der Klägerin nach § 1168 Abs 1 ABGB noch nicht fällig sei, habe sie doch ihrer Mitteilungspflicht nach § 27a KSchG nicht entsprochen. Der Beklagte habe nur die von der Klägerin tatsächlich erbrachten Leistungen zu zahlen. Der Wert dieser Leistung betrage 164.286,53 EUR, hinzu kämen „Regieleistungen“ von 22.136,33 EUR, insgesamt daher 186.422,86 EUR. Der Beklagte habe bereits 219.620,69 EUR gezahlt, sodass der Klägerin kein weiterer Anspruch zustehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[3] 1. Das Berufungsgericht hat der Klägerin die „Regiekostenforderung“ – das Honorar für ihre erbrachten Leistungen für die Beratung des Beklagten in einem Bauprozess von 22.136,33 EUR – deshalb nicht zugesprochen, weil dieser die Forderung bereits gezahlt hat. Das entspricht seinem Vorbringen. Der Beklagte hat bereits 219.620,69 EUR geleistet, sodass er – entgegen der Ansicht der Revisionswerberin – nicht auch noch eine Aufrechnungserklärung „mit behaupteten Rückzahlungs-ansprüchen aus einer vermeintlichen Überzahlung des Werklohns“ abgeben hätte müssen.

[4] 2. Die Anwendung von § 27a KSchG durch das Berufungsgericht trifft zu.

[5] 2.1. Die Klägerin argumentiert zum Begehren von 117.863,67 EUR sA, dass sie sich keine Leistungsstörungen vorwerfen lassen müsse, keinen Projektverzug zu verantworten habe und daher infolge des Vertragsrücktritts des Beklagten den ausständigen Werklohn – nach Abzug bereits geleisteter Zahlungen – noch rund 20 % des vereinbarten Gesamthonorars zu fordern berechtigt sei. Sie berechnet den ausständigen Werklohn auf Basis von § 16 der Honorarordnung für Architekten 2004 (HOA), von dessen rechtswirksamer Vereinbarung sie ausgeht.

[6] § 16 Abs 1 HOA („Abbruch eines Auftrages“) lautet (unstrittige Urkunde Beilage ./G; dazu RS0121557 [T2, T3]): „Erfolgt ein Rücktritt vom Vertrag oder ein Widerruf übertragener Leistungen aus einem Grund, den nicht der Architekt zu vertreten hat, gebührt dem Architekten die volle Vergütung der abgeschlossenen Leistungen, sowie pauschal ein Satz von 60 % des Entgelts für die bis zum Tag der Vertragsauflösung bearbeiteten und noch nicht fertig übergebenen Leistungsstufen, sowie von 40 % des Entgelts für die bis zum Tag der Vertragsauflösung noch nicht bearbeiteten Leistungsstufen.“

[7] 2.2. Unstrittig ist, dass auf das Vertragsverhältnis der Parteien die Regeln des Werkvertrags zur Anwendung gelangen.

[8] Die Rechtsfolge der Abbestellung (Stornierung) ist nach § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB die Berechtigung des Unternehmers, den (eingeschränkten) Werklohn zu fordern. Der Werkunternehmer hat nach § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB Anspruch auf das vereinbarte Entgelt, muss sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Der Unternehmer muss nicht von sich aus die Abrechnung vornehmen; vielmehr hat der Besteller zu behaupten und zu beweisen, was sich der Unternehmer anrechnen lassen muss (RS0021768; RS0021841; RS0112187).

[9] 2.3. Unabhängig davon, ob die Revisionswerberin ihren Anspruch auf ausständigen Werklohn (unmittelbar) auf § 1168 Abs 1 ABGB stützt oder auf § 16 Abs 1 HOA, von dessen wirksamer Vereinbarung sie ausgeht, ist der vom beklagten Konsumenten eingewendete Informationsanspruch nach § 27a KSchG zu beachten. Sollte die Bestimmung über den Entgeltanspruch bei „Abbruch eines Auftrags“ nach § 16 Abs 1 HOA wirksam vereinbart worden sein, würde es sich dabei um die Pauschalierung des eingeschränkten Entgeltanspruchs gemäß § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB handeln (vgl „Stornogebühr“ als Entgelt pauschalierende Reugeldvereinbarung: 1 Ob 268/03y = SZ 2004/20).

[10] 2.4. Der Beklagte forderte die Klägerin entsprechend § 27a KSchG wiederholt auf vorzubringen, was diese sich aus dem Unterbleiben der Arbeiten erspart habe und brachte dem Inhalt nach vor, dass mangels Erfüllung dieser Mitteilungspflicht ihr Anspruch noch nicht fällig sei.

[11] Nach § 27a KSchG, wovon gemäß § 2 Abs 2 KSchG zu Lasten des Verbrauchers nicht abgewichen werden darf, hat der Unternehmer dem Verbraucher die Gründe dafür mitzuteilen, dass er infolge Unterbleibens der Arbeit weder etwas erspart noch durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat, wenn die Ausführung eines Werks unterblieben ist und er gleichwohl das vereinbarte Entgelt (§ 1168 Abs 1 ABGB) verlangt. Unterlässt der Kläger diese Information, wird sein Anspruch nicht fällig (1 Ob 268/03y [Punkt 3.2.]; 4 Ob 119/21k [Rz 21]).

[12] Die Revision stützt sich in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung 8 Ob 131/17y. Dort verneinte der Oberste Gerichtshof die Anwendbarkeit von § 27a KSchG in einem Fall, in dem der Werkunternehmer nach Unterbleiben des Werks nur 10 % des Werklohns geltend gemacht hatte. § 27a KSchG sei nur anwendbar, wenn der Werkunternehmer das oder allenfalls einen fordere. Dabei nahm er allerdings nicht zur Entscheidung 1 Ob 268/03g (= SZ 2004/20) Stellung, in der die Anwendung von § 27a KSchG auch bei Geltendmachen nur eines Teils des Werklohns (konkret bei einer Reugeldvereinbarung iHv 40 %) bejaht worden war. Dieser Auffassung schloss sich der Oberste Gerichtshof in 4 Ob 119/21k (= RS0133860) mit ausführlicher Begründung und in Auseinandersetzung mit 8 Ob 131/17y an. Mit den Erwägungen dieser Entscheidung setzt sich die Revision in keiner Weise auseinander. Sie bietet daher keinen Anlass, von der nun überwiegenden Rechtsprechung zu § 27a KSchG abzugehen. Das Berufungsgericht ist daher zutreffend von der Anwendbarkeit dieser Bestimmung ausgegangen.

[13] 2.5. Zweck des § 27a KSchG ist der Ausgleich eines Informationsdefizits des Verbrauchers, der „kaum Einblick in die Branche und den Geschäftsgang seines Vertragspartners hat“ (ErläutRV 311 BlgNR 20. GP 30). Dieses Informationsdefizit besteht aber auch dann fort, wenn der Unternehmer zwar freiwillig eine Anrechnung in gewisser Höhe vorgenommen, jedoch nicht – wie in § 27a KSchG ausdrücklich gefordert – die Gründe dafür mitgeteilt hat. Denn für den Verbraucher ist dann nicht überprüfbar, ob diese freiwillige Anrechnung auf einigermaßen realistischen Grundlagen fußt (4 Ob 119/21k [Rz 19]).

[14] Die Klägerin brachte trotz entsprechender Aufforderungen des Beklagten nicht vor, was sie sich durch das Unterbleiben der Arbeiten im Sinn des § 1168 Abs 1 ABGB erspart habe, sondern bestritt im Hinblick auf die rechtmäßige Vereinbarung der HOA und beantragte für den Fall, dass diese „unzulässig“ vereinbart worden seien, die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der angemessenen Entlohnung ihrer Leistungen ohne Anwendung der HOA. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sie damit zu den Ersparnissen und sonstigen Kriterien des § 1168 Abs 1 ABGB kein Tatsachenvorbringen erstattet habe und damit ihrer Informationspflicht nach § 27a KSchG nicht nachgekommen sei, ist nicht korrekturbedürftig.

[15] Wenn die Revisionswerberin auf ihr Vorbringen verweist, dass die (fiktiven) Kürzungen des § 16 (Abs 1) HOA zur Anwendung kämen und damit angemessene Abzüge im Sinn des § 1168 Abs 1 ABGB gemacht worden seien, und sie sich darauf stützt, dass „kaum Ersparnisse vorhanden gewesen seien“, legt sie nicht dar, dass sie ihrer Informationspflicht nach § 27a KSchG im erstinstanzlichen Verfahren entsprochen hätte. Weder mit dem zuletzt genannten sehr allgemein gehaltenen Hinweis, noch mit der Behauptung, die fiktiven Sätze des § 16 (Abs 1) HOA berücksichtigten die nach § 1168 Abs 1 ABGB gebotene Anrechnung, bietet sie dem Beklagten Informationen, die diesem die Beurteilung ermöglichten, ob die vorgenommene Anrechnung auf einigermaßen realistischen Grundlagen fußt. Mit einer Abrechnung unter Berücksichtigung der fiktiven Sätze nach § 16 (Abs 1) HOA ohne Erteilung weiterer Informationen wird den Anforderungen des § 27a KSchG nicht entsprochen.

[16] Mangels Erfüllung der Informationspflicht ist der Anspruch der Klägerin auf den restlichen Werklohn – wovon das Berufungsgericht ohne Fehlbeurteilung ausging – demnach nicht fällig.

[17] 3. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, § 27a KSchG sei auch anzuwenden, wenn – wie hier – nur ein Teil des insgesamt vereinbarten Werklohns eingeklagt werde, ist entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht überraschend.

[18] 3.1. Das Gericht darf zwar die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RS0037300). Das ist aber nur dann der Fall, wenn die vom Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsauffassung vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde (RS0037300 [T16]). Es bedarf keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RS0122365).

[19] 3.2. Der Beklagte hat die Klägerin wiederholt aufgefordert, ihm Informationen nach § 27a KSchG zu erteilen, sodass die Revisionswerberin im erstinstanzlichen Verfahren mehrfach die Möglichkeit gehabt hätte, entsprechende Behauptungen aufzustellen. Sie entschied sich unter Berufung auf die Entscheidung zu 8 Ob 131/17y, aber offenbar ohne Berücksichtigung der Entscheidung zu 1 Ob 268/03y zum Vorbringen, § 27a KSchG komme nicht zur Anwendung, und erteilte dem Beklagten nicht die geforderten Informationen. Damit ist ihr unterlassenes Vorbringen nicht auf einen Erörterungsmangel des Berufungsgerichts zurückzuführen. Zudem zeigt sie auch in der Revision nicht auf, welches Vorbringen zu ihren Ersparnissen sie im Fall der Erörterung erstattet hätte (RS0037095 [T5]).

[20] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00121.22H.0714.000

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